MTV Europe Music Awards Warum Harry Styles der größte Pop-Star der Gegenwart ist

Düsseldorf · Unter den Nominierten für die MTV Europe Music Awards ist auch Harry Styles. Der Brite verkörpert wie kein anderer die Gegenwart des Pop. Über das Musikalische allein lässt sich sein Erfolg jedoch nicht erklären. Außerdem: Wir verlosen Karten für die Awards.

One Direction: Das ist Harry Styles
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Das ist Harry Styles

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Foto: dpa/Jordan Strauss

Es ist gut, dass es Harry Styles gibt, er ist das Strass-Steinchen, das das Restlicht einer sich eindunkelnden Gegenwart reflektiert. Außerdem kombiniert niemand anderes mit solcher Grandezza viel zu kurze Pullünderchen mit viel zu weiten Hosen und karierte Sakkos zu pinker Federboa. In seinem Hit „As It Was“ singt er, die Schwerkraft halte ihn am Boden, aber daran glaubt er sicher selbst nicht so recht. Er steht über den Naturgesetzen, er ist der größte Star des Jetzt, er ist Prinz Harry.

Das konnte man allerdings noch nicht ahnen, als er 2010 als 16 Jahre alter Wackelkandidat in der britischen Casting-Show „The X-Factor“ auftrat. Er sang „Isn’t She Lovely“ von Stevie Wonder, das fand man ganz nett, überhaupt war er mit seinen Locken so ein Niedlicher, und deshalb teilte man ihn der in der Sendung zusammengestellten Gruppe One Direction zu.

Die ging dann recht bald steil, sie wurden Weltstars und eroberten den für Briten zuletzt kaum zugänglichen US-Markt, an dem sich schon Robbie Williams die Zähne ausgebissen hatte. One Direction war die erste Boyband, deren Mitglieder über Social Media gezeigt haben, wer und wie sie angeblich wirklich sind. Sie ließen ihre Fans scheinbar in Echhtzeit Anteil nehmen an ihren Leben, sie kamen durch die Handys in ihre Zimmer.

Seit 2016 ruht die Band, und Harry Styles entwickelte sich zum Cross-Media-Multitalent, dem alles leicht zu fallen scheint, der den Quellcode der Gegenwart ausliest, sich einen Reim darauf macht und in eine Melodie einbettet. Er puzzelt seine Bühnen-Persona aus dem Besten zusammen, was die Tradition zu bieten hat. Glam und Flamboyanz leiht er sich beim frühen Elton John, das genderfluide Spiel mit den Identitäten bei David Bowie, die Posen bei Freddie Mercury und den Sound bei Joni Mitchell, Fleetwood Mac und Steely Dan.

Fotos: MTV Music Week in Düsseldorf
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Die MTV Music Week in Düsseldorf – über eine Woche Staraufgebot

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Foto: Bretz, Andreas (abr)

Harry Styles verbindet diese Bausteine mit einem Kleber, den er nach eigenem Geheimrezept einkocht. Er hat so einen unschuldig anmutenden Charme, und er liefert einer dem Visuellen ergebenen Welt unentwegt Bilder. Perlenohrringe und transparente Tops, Rüschenleibchen und Nagellack. Er techtelt mit der zwölf Jahre älteren Regisseurin Olivia Wilde. Er ist der erste Mann, der alleine auf dem Cover der Frauen-„Vogue“ zu sehen war. Und der erste Engländer, der 15 Wochen auf Platz eins in den amerikanischen Charts stand.

Er füllt 15 Mal hintereinander den Madison Square Garden. Und er bekommt es hin, dass alle Welt über den Kinofilm „Don’t Worry Darling“ spricht, obwohl seine schauspielerische Leistung darin bestenfalls ganz okay ist. Als „Spit-Gate“ ist jene Szene in die Historie des globalen Klatsches eingegangen, in der Styles bei der Premiere seinem Kollegen Chris Pine angeblich in den Schoss spuckt. Hat er oder hat er nicht? Egal. Hauptsache über Harry reden.

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Foto: Mtv/PA Media/dpa/Mtv

Harry Styles ist ein Phänomen, dem man über das rein Musikalische nicht beikommt. Hits wie „Watermelon Sugar“ und „As It Was“ rühren zwar an eine Sehnsucht nach heiterer Barfüßigkeit, man singt unweigerlich mit und ist sich nicht zu doof, dabei sogar die Augen zu schließen. Aber was ihn wirklich abhebt von allen Mitbewerbern, ist seine Präsenz. Das Flair. Er vermittelt das große Versprechen des Pop: Gleichgültig, wie viele Menschen im Raum sind, „in this world, it′s just us.“ Und wer ihn je live erlebt hat, weiß: It’s the singer, not the song.

Natürlich bleibt auch ein so charismatischer Teufelskerl nicht unbehelligt von Kritik. Der Vorwurf lautet, er vermarkte das Androgyne und Queere, ohne selbst homosexuell zu sein. Er engagiere sich für LGBTQ+, weil es gerade schick ist. Er eigene sich etwas an und schlachte es aus. Harry Styles lässt sich darauf nicht ein, seine Marke besteht darin, alle anzusprechen, niemanden auszuschließen, einfach nett zu sein und als Symbolfigur gegen toxische Maskulinität zu wirken.

Bühnen-Shows, Musik, Debatten, Erfolg: Irgendwann wird man das Jahr 2022 mit einem Bild von Harry Styles illustrieren können.

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