Halbfinale vor 40 Jahren Als im Uefa-Cup rheinisch gesprochen wurde

Duisburg · Vor 40 Jahren stand der MSV Duisburg vor dem größten Erfolg seiner Vereinsgeschichte. Doch im Halbfinale des Uefa-Cups wartete ausgerechnet Angstgegner Borussia Mönchengladbach auf die Zebras. Erinnerungen an ein rheinisches Duell.

 24. April 1979: Borussia Mönchengladbachs Berti Vogts (l.) und Rudi Seliger vom MSV Duisburg begrüßen sich vor dem Anpfiff des Uefa-Cup-Halbfinals. Zwischen ihnen steht Schiedsrichter Franz Wöhrer (Österreich, 2. v.r.).

24. April 1979: Borussia Mönchengladbachs Berti Vogts (l.) und Rudi Seliger vom MSV Duisburg begrüßen sich vor dem Anpfiff des Uefa-Cup-Halbfinals. Zwischen ihnen steht Schiedsrichter Franz Wöhrer (Österreich, 2. v.r.).

Foto: imago sportfotodienst

Ein echtes Nachbarschaftsderby im Halbfinale eines Europäischen Wettbewerbes – das war selbst in Zeiten deutscher Uefa-Pokal-Dominanz Ende der 70er-Jahre eine Besonderheit. Als weniger überraschend galt das Abschneiden der Gladbacher „Fohlenelf“, die seinerzeit nicht nur zum Serienmeister avancierte, sondern den begehrten Cup bereits 1975 an den Niederrhein geholt hatte.

Weitaus spannender für das internationale Publikum wirkte da schon das weite Vordringen des Kontrahenten von der anderen Rheinseite. Die Duisburger Zebras setzten bei ihrem gerade einmal zweiten Ausflug auf internationales Geläuf zum Parforceritt an. Doch von ungefähr kam dieser plötzliche Galopp ins europäische Rampenlicht nicht.

In der Bundesliga hatten sich die Gestreiften von der Wedau längst einen Namen als Favoritenschreck gemacht. Und sie hatten selbst eine namhafte Truppe beisammen. Spieler wie der langjährige Kapitän „Ennatz“ Dietz, „Flieger“ Gerhard Heinze, „Bobbel“ Büssers, Ditmar Jakobs, der „verrückte Holländer“ Kees Bregman, der österreichische Ball-Virtuose Kurt Jara oder die Nationalstürmer Ronnie Worm und „Rudi“ Seliger lassen Zeitgenossen noch heute mit der Zunge schnalzen.

Und diese gewachsene Mannschaft mischte nun Europa auf. Über Lech Posen, Carl-Zeiss Jena, Racing Straßburg und Honved Budapest zogen die Zebras ins Halbfinale ein, um dort auf den niederrheinischen Nachbarn zu treffen. „Ausgerechnet Gladbach“, erinnert sich MSV-Ikone Dietz, „die waren zu der Zeit ein unangenehmer Gegner und haben uns gar nicht gelegen.“ So war es dann auch im Uefa-Cup. Während der MSV sich im heimischen Wedau-Stadion trotz zweimaliger Führung mit einem 2:2 begnügen musste, rückten die Gladbacher beim 4:1 im Rückspiel auf dem Bökelberg das Kräfteverhältnis in die von Dietz beschriebene Richtung und zogen ins Finale ein.

Bittere Ironie der Geschichte: Gerade einmal einen Monat später gelang den Zebras an gleicher Stelle der Sieg gegen den Angstgegner. Für den großen Europacup-Coup aber kam das zu spät. Den landeten stattdessen die Gladbacher mit ihrem 1:0-Endspiel-Sieg in Düsseldorf gegen Roter Stern Belgrad (Hinspiel 1:1).

Der MSV indes wartet bis heute auf einen „echten“ Titel auf überregionaler Ebene. Dabei hält er einige Superlative mit teilweise besonderer Note*: Vizemeister (1964); einziger Bundesliga-Spitzenreiter mit negativem Torverhältnis (1994), einziger Club, der als vierfacher DFB-Pokalfinalist (in vier verschiedenen Jahrzehnten) nie den Pokal gewinnen konnte. Doch der fehlende große Wurf gilt vor allem als ein Versäumnis der „goldenen Generation“ der 70er-Jahre. „Unsere Truppe damals war ganz nah dran an einem Titel“, erinnert sich Dietz. Doch geholt hat diese Generation ihn nicht. Stattdessen läutete das Halbfinal-Aus auf dem internationalen Höhepunkt bereits das Ende einer erfolgreichen Ära ein.

1982 folgte der erstmalige Abstieg in die Zweite Liga, der damals personell wie wirtschaftlich eine drastische Zäsur bedeutete. Nach dem zwischenzeitlichen Sturz in die Drittklassigkeit gab es in den Neunzigerjahren zwar die Rückkehr ins Oberhaus und sogar eine mehrjährige Etablierung in den Top Ten, an die Erfolge der „goldenen Siebziger“ konnte man dabei jedoch ebenso wenig anknüpfen wie bei dem vorerst letzten Erstliga-Aufenthalt 2008.

Bernard Dietz jedoch holte sich einen großen Pokal: Als Kapitän führte „Ennatz“ die Nationalmannschaft 1980 zur Europameisterschaft. „Ein bisschen“, sagt er schmunzelnd, „ist das dann doch ein Duisburger Titel.“

*Update: In einer ersten Version hatten wir geschrieben, dass der MSV erster Bundesliga-Tabellenführer war. Das ist allerdings nicht ganz richtig. Von der Tordifferenz her wäre der MSV Tabellenführer gewesen, doch bis zur Saison 1969/70 wurde noch der Torquotient zur Berechnung herangezogen. Da Köln und Schalke ihre Spiele jeweils mit 2:0 gewannen, reichte dem MSV der 4:1-Sieg beim Karlsruher SC nicht zur Tabellenspitze.

Unser Autor Mark Zeller sitzt als Gründungs-Reporter seit 13 Jahren am Mikrofon des MSV-Live-Radios „ZebraFM“. Ursprünglich waren die Reportagen für sehbehinderte Fans gedacht. Heute haben die Reportagen auch Zuhörer außerhalb dieses Kreises. Per Livestream ist die Reportage auf der Website des MSV frei empfangbar. Das nächste Mal auf Sendung ist „ZebraFM“ zum Heimspiel gegen Arminia Bielefeld am Montag, 29. April, 20.30 Uhr. Foto: Zeller

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