Lokführer Bahnkunden können ein wenig aufatmen

Frankfurt · Die Lokführer wollen ihren Streik schon an diesem Samstag um 18 Uhr beenden. Diese "Versöhnungsgeste" kündigte der Chef der Gewerkschaft GDL, Claus Weselsky, am Freitag überraschend an. Zuvor hatte das Landesarbeitsgericht Hessen den eigentlich bis Montagfrüh geplanten Streik auch in zweiter Instanz für rechtmäßig erklärt.

 Der Chef der Gewerkschaft GDL, Claus Weselsky, spricht von einer "Versöhnungsgeste".

Der Chef der Gewerkschaft GDL, Claus Weselsky, spricht von einer "Versöhnungsgeste".

Foto: dpa, fru tmk

Besonders im Fernverkehr müssen sich die Fahrgäste aber weiter auf Ausfälle und Verspätungen einstellen. Im Nahverkehr sollen im Laufe des Sonntags wieder deutlich mehr Züge fahren, teilte die Bahn mit.

Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber sagte, dass sich damit der Einsatz der Bahn vor den Gerichten gelohnt habe: "Das ist ein gutes Zeichen für unsere Kunden und unsere Mitarbeiter." Das Unternehmen hatte versucht, den Streik gerichtlich verbieten zu lassen. Zwei richterliche Vorschläge zu neuen Verhandlungen hatte die GDL in den Verhandlungen am Donnerstag und Freitag noch zurückgewiesen.

Jede Seite forderte die jeweils andere nach dem Urteilsspruch in Frankfurt auf, wieder zu verhandeln. Von ihren grundsätzlichen Positionen wichen sie jedoch keinen Millimeter ab.

Die Lokführer hatten ihre Arbeit im Güterverkehr schon am Mittwoch niedergelegt, im Personenverkehr in der Nacht zum Donnerstag - und sich damit in Politik und Öffentlichkeit viel Kritik eingehandelt.

Millionen Bahnreisende mussten auch am verkehrsreichen Freitag improvisieren und sich auf ein schmales Zugangebot einstellen. Nur ein Drittel der Fernzüge fuhr, in den Regionen waren es zwischen 15 und 60 Prozent - teils mehr als erwartet. In vielen Zügen blieben dennoch Plätze frei, weil Reisende auf Auto und Fernbus umstiegen.
Auf den Straßen in den Städten und auf den Autobahn kam es zu Staus.

Am Wochenende trifft der Streik neben Urlaubsrückkehrern zum Ferienende in Niedersachsen und Bremen auch Fahrgäste, die zum Mauerfall-Jubiläum nach Berlin wollen. Schon nach den Ersatzfahrplänen war jedoch geplant, dass auf den wichtigen Strecken aus Richtung Hannover stündlich ICE-Züge in die Hauptstadt fahren.

Der Bahn-Konzern hatte vor den Gerichten argumentiert, dass der Streik unverhältnismäßig hart sei. Erneut brachte die Bahn einen täglichen Schaden von rund 100 Millionen Euro für die deutsche Wirtschaft vor, dem Unternehmen selbst entstehe durch den Streik ein Schaden in ähnlicher Höhe. Zum Auftakt des Ausstands hatte die Bahn ihren Schaden noch auf 50 bis 60 Millionen Euro beziffert.

Der Einzelhandel befürchtete Umsatzeinbußen vor allem in den Ballungszentren, weil Kunden aus dem Umland nicht anreisen können, wie es beim Handelsverband Nordrhein-Westfalen hieß. Es sei aber nicht zu erwarten, dass Waren knapp würden. "Das meiste wird über Lastwagen angeliefert", erklärte eine Sprecherin.

Auch der Güterverkehr der Bahn war stark beeinträchtigt, jedoch fuhr nach Bahnangaben mittlerweile wieder deutlich mehr als die Hälfte der Züge. Die Bahn stützte sich dabei auf Lokführer, die Beamte sind oder der nicht streikenden Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) angehören. Nachwirkungen des Streiks würden im Güterverkehr noch einige Tage zu spüren sein, kündigte die Bahn an.

Wie die Vorinstanz am Donnerstag hatte auch das Landesarbeitsgericht in Frankfurt zunächst einen Vergleichsversuch unternommen. Die GDL lehnte den Vorschlag des Gerichts ebenso ab wie eine Offerte der Bahn. Diese wollte den Streik als rechtmäßig anerkennen, wenn die GDL den Berlin-Verkehr wegen des Mauerfall-Jubiläums davon ausnehme.

Laut Gerichtsentscheidung verstößt der Arbeitskampf nicht gegen die Friedenspflicht und ist auch verhältnismäßig. Die Forderungen der GDL seien nicht widerrechtlich. Der Entscheidung waren stundenlange Verhandlungen über einen Vergleichsvorschlag der Arbeitsrichterin Ursula Schmidt vorausgegangen.

"Wir könnten den Streik bis Montag, 4 Uhr, fortsetzen", betonte Weselsky nach dem Urteil, bevor er das überraschende Streik-Ende verkündete. Die GDL fordert in dem Tarifkonflikt für die Beschäftigten mehr Geld sowie eine kürzere Arbeitszeit und will neben den Lokführern vor allem auch das übrige Zugpersonal in Verhandlungen vertreten, für das bislang die EVG zuständig ist. Die Bahn will konkurrierende Tarifverträge einzelner Berufsgruppen verhindern.

Die EVG ist zu Schlichtungsverfahren mit der Bahn und der GDL bereit, wie aus einem Schreiben ihres Vorsitzenden Alexander Kirchner an die Bahn hervorgeht. Kirchner sagte in Berlin, am Ende müssten für die gleiche Berufsgruppe "einheitliche Tarifverträge" gelten.

Vor der Bahn-Konzernzentrale in Berlin demonstrierten am Freitag rund 500 GDL-Mitglieder. Sie forderten eine Begrenzung der Arbeitszeit.

(dpa)
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