Einzelhandel Ein Jahr Bonpflicht – was daraus geworden ist

Düsseldorf · Seit einem Jahr müssen Händler dem Kunden einen Bon zumindest anbieten, egal wie hoch die Kaufsumme war. Die Pflicht zu manipulationssicheren Kassensystemen ist in NRW aber ins neue Jahr verschoben worden.

 Ein Bäcker hält in seiner Bäckerei einen Bon in der Hand (Symbolbild).

Ein Bäcker hält in seiner Bäckerei einen Bon in der Hand (Symbolbild).

Foto: dpa/Marijan Murat

Anfang 2020 schlug die Wut im Einzelhandel hohe Wellen. Er war dazu verdonnert worden, bei jedem Bezahlvorgang dem Kunden einen Bon anzubieten, selbst wenn der Kunde nur ein einziges Brötchen gekauft hatte. Mit der Pflicht zum Kassenbon und dem Zwang zum Einbau eines manipulationssicheren technischen Sicherheitssystems (TSE) wollte das Bundesfinanzministerium den Steuerbetrug eindämmen. Die Prüfnummer auf dem Bon gilt als Signatur für das digitale Kassenbuch, aus dem die Steuerprüfer alle Einnahmen eines Betriebs sehen können sollen.

Zwölf Monate später bleibt die Erkenntnis, dass Corona auch hier vieles verändert hat. Denn für die Ausrüstung der Kassensysteme mit einem TSE gab es unter anderem in Nordrhein-Westfalen noch eine Schonfrist: Wer nachweisen kann, dass er das technische Equipment bis Ende September bestellt und keine Chance hatte, rechtzeitig eine cloud-basierte TSE zu bekommen, muss die Umstellung erst zum 31. März 2021 vollzogen haben. Ein halbes Jahr später als zuletzt geplant. Die Begründung von NRW-Finanzminister Lutz Lienenkämper (CDU): „Wir tun in diesen Monaten der Corona-Pandemie alles, um unserer Wirtschaft durch diese Zeit zu helfen. Meine Kollegen und ich sind uns einig: Bürokratische Hürden aus dem Hause Scholz wären aktuell absolut kontraproduktiv.“ Auch drei Monate nach dem Ablauf der ersten Frist wird also in NRW und den meisten anderen Ländern noch niemand belangt, wenn er eine entsprechende TSE noch nicht hat einbauen lassen.

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Im Handel hat sich der Unmut über das Bürokratiemonster, das Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) aus Sicht der Branche geschaffen hat, trotzdem noch nicht gelegt. Vor dem Start der Bonpflicht schwebten gedanklich schon Milliarden von Kassenzetteln wie ein Damoklesschwert über Bäckern, Metzgern und anderen. Immerhin wurde die Pflicht zum Beleg nicht an gedrucktes Papier gebunden. Wer Waren verkauft, kann den Kassenzettel auch mailen oder auf das Handy des Kunden schicken.

Dass auch eine solche elektronische Variante des Kassenzettels möglich sein soll, hat dazu geführt, dass viele Gründerunternehmen neue Marktchancen sahen. Mit so klangvollen Namen wie Anybill, Green bill, Epap und Wunderbon, letzterer aus dem rheinischen Monheim. Bei einigen dieser und anderer Start-ups haben Tausende die App heruntergeladen und Bons gespeichert. Aber der große Durchbruch ist bisher keinem wirklich gelungen. Dabei soll der Digitalbon unter anderem die Umwelt schonen und die Kosten senken.

Zumindest in der Theorie. In vielen Fällen gibt es den Zettel aber weiter auf Papier, und das wandert meist in den Papierkorb. „Immer noch werden viele Bons umsonst ausgedruckt, weil die Kunden sie gar nicht haben wollen“, sagt Henning Funke, Geschäftsführer beim Verband des Rheinischen Bäckerhandwerks. Höchstens drei Prozent der Kunden nähmen den Beleg mit, heißt es. Deren Interesse ist begrenzt, am Digitalbon wie an der Papiervariante. Und so verbraucht mancher Händler seit Einführung der Bonpflicht relativ nutzlos das Sechsfache an Kassenrollen. Zig Kilometer Papier. Dabei seien die digitalen Bons zulässig und einfach zu handhaben, so Funke: „Der Kunde muss ja nur den QR-Code scannen, und schon hat er den Bon auf seinem Smartphone. Kassensysteme zeichneten jede Transaktion auf, die dann auf Festplatte, USB oder in einer Cloud gespeichert werde, sagt Funke.

Der Handel hat zwar derzeit durch Corona weitaus größere Sorgen als die Bonpflicht, aber in der Krise ist sie natürlich ein zusätzliches Hemmnis. „Wer hätte noch vor elf Monaten geahnt, dass das Thema Bonpflicht aktuell im Handel zu den geringsten Problemen gehört? Wer jetzt noch an derartigen Bürokratismen hängt, dem ist nicht mehr zu helfen“, sagte Peter Achten, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes NRW, unserer Redaktion.

Die Argumentation des Bundesfinanzministers: Kassensysteme können manipulierbar sein. Gewerbetreibende könnten ihre Umsätze fälschen und so weniger Steuern zahlen. Immerhin wird der jährliche Schaden in Deutschland durch fehlende Buchungen, manipulierte Kassen und falsch rechnende Programme von den Finanzämtern einiger Länder und der Deutschen Steuer-Gewerkschaft bisher auf bis zu zehn Milliarden Euro geschätzt. Da kann ein Finanzminister schon mal ins Grübeln kommen.

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