Kolumne „Anstoß“ Und sie haben doch ein soziales Gewissen

Meinung | Düsseldorf · In der großen Krise gibt es viele warme Worte, aber auch Aufsehen erregende Taten - zum Beispiel die Spenden von Goretzka, Kimmich, Messi und Ronaldo.

 FC Barcelonas Lionel Messi.

FC Barcelonas Lionel Messi.

Foto: dpa/Miguel Morenatti

Cristiano Ronaldo ist kein armer Mann, Lionel Messi schon gar nicht. Und weder Leon Goretzka noch Joshua Kimmich muss sich trotz augenblicklich ausbleibender Punktprämien Gedanken darüber machen, wie er die nächste warme Mahlzeit finanziert. Messis Jahreseinkommen aus seinem Vertrag mit dem FC Barcelona schätzen Experten auf rund 40 Millionen Euro, Ronaldo verdient danach 31 Millionen bei Juventus Turin, Goretzka bekommt vom FC Bayern München zehn Millionen, sein Kollege Kimmich neun Millionen Euro überwiesen - jeweils pro Jahr, versteht sich.

Die Großverdiener können es sich also erlauben, auch mal großzügig zu sein. Niemand aber hat sie dazu verpflichtet. Es war allein das soziale Gewissen, das die Fußballstars veranlasst hat, in der Corona-Krise namhafte Summen zu spenden. Die Bayern-Profis Goretzka und Kimmich stellten eine Million Euro für ihre Aktion „We kick Corona“ zur Verfügung, flugs traten die Kollegen Mats Hummels (Borussia Dortmund), Leroy Sané (Manchester City), Julian Draxler (Paris St. Germain) und Jonas Hector mit nicht genannten Beträgen bei.

Messi überwies je 500.000 Euro an eine spanische und argentinische Organisation, Ronaldo spendete einem Krankenhaus eine ganze Notfallabteilung. Und alle beteuern mehr oder weniger wortreich ihre soziale Verantwortung. Bei der Formulierung helfen gewiss die Berater. Das ist in zweierlei Hinsicht prima: Erstens geht es um eine gute Sache, zweitens tun die Berater damit mal etwas Sinnvolles.

Goretzka und Kimmich beweisen in einer schweren gesellschaftlichen Krise, dass sie über den goldenen Zaun schauen, der den Fußballzirkus umgibt. Das ist eine sehr erfreuliche Feststellung. Und das passt zum Bild, das sie bislang in ihrer Karriere abgegeben haben.

Beide gelten nicht als stromlinienförmige Sprechblasen-Produzenten. Das hebt sie bereits im fußballerischen Alltag von zahlreichen anderen in vielen Waschvorgängen der früh begonnenen Laufbahn weichgespülten Wegbegleitern ab.

Nun geht es um weit mehr als eine selbstbewusste und beredte Einschätzung von Spielgeschehen und eigenen Leistungen auf dem Sportplatz, um mehr als einen Vortrag zur Weiterentwicklung des Fußballs im Kleinen wie im Großen, um mehr als eine Stellenbeschreibung der Bayern in Europa oder der Bundesliga. All das liefern Goretzka und Kimmich zuverlässig. Es geht um die Gesellschaft, und es geht um die Rolle privilegierter Sportler in der Gesellschaft.

Beide haben wirklich verstanden, dass ihre herausgehobene Stellung nicht unabhängig sein kann von der (Fußball-)Gesellschaft, die ihnen diese herausgehobene Stellung verschafft hat. Indem sie sich verantwortlich fühlen und verantwortlich zeigen, zahlen die Spieler zurück. Das ist in schwierigen Zeiten ein außerordentlich gutes Zeichen.

Die Fußballer zeigen, dass es ein Gewissen nicht nur in den warmen Worten von Sonntagsreden gibt, sondern im Alltag. Deshalb muss natürlich noch niemand wegen seiner Spenden für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen oder mit einem Denkmal in der Ortsmitte gewürdigt werden. Es reicht schon die Anerkennung für großzügige Gesten, die mehr sind als Symbolpolitik. Wie sagt Goretzka so richtig: „Corona schlagen wir nur gemeinsam.“ Viele Fußballer haben das offenbar begriffen. Nicht nur Leon Goretzka. Der aber vor allem.

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