Ein Besuch beim Training Die Wir-AG der Fechter

Dormagen/Düsseldorf · Ein Besuch bei den Dormagener Säbelfechtern beschreibt den Alltag im Leistungssport. Ein Ringen um Anerkennung und Platz im Kraftraum.

 Dormagener Europameister in der Düsseldorfer Messehalle (v.l.): Max Hartung, Benedikt Wagner, Björn Hübner (Werbach) und Matyas Szabo.

Dormagener Europameister in der Düsseldorfer Messehalle (v.l.): Max Hartung, Benedikt Wagner, Björn Hübner (Werbach) und Matyas Szabo.

Foto: imago images / Horstmüller/HORSTMUELLER GmbH / Schröder;via www.imago-images.de

Freitagabend. Kurz nach halb zwölf in der Düsseldorfer Mitsubishi Electric Halle. Max Hartung lächelt. NRW hat hier heute seine Sportler des Jahres geehrt. Hartung, der Dormagener Säbelfechter, stand auch zur Wahl. Gleich zweimal. Allein und mit der Mannschaft. Am Ende wurden andere geehrt, andere auf die Bühne geholt. Ins Rampenlicht. „Wenn man hier sitzt mit den Jungs, und sie blenden das Video vom EM-Titel im Juni in Düsseldorf ein, dann kribbelt es dann doch ein bisschen. Und man denkt, vielleicht klappt es ja doch mit der Ehrung. Unter dem Strich haben wir hier auf jeden Fall einen schönen Abend.“ Ein schöner Abend, halt vor der Bühne.

Ortswechsel. Zwei Tage zuvor. Morgens um zehn in der Fechthalle des TSV Bayer Dormagen. Neben dem Chempark. Hartung (30) und seine Teamkollegen Benedikt „Peter“ Wagner (29), Matyas Szabo (28) und Richard Hübers (26) trainieren am Olympiastützpunkt. Sie trainieren morgens, weil die Nachwuchstalente nachmittags anrücken. Die Halle ist hier und da ein bisschen in die Jahre gekommen. Es soll eine neue geben. Bald.

Heute ist die Halle morgens schon voller als sonst. Hartung hat Journalisten eingeladen. Sie sollen selbst mal fechten, um besser zu verstehen, worüber sie berichten. Öffentlichkeitsarbeit ist Teil des Leistungssports, wenn deine Sportart eine Randsportart ist. Szabo und Hartung betreiben auch einen Podcast. „Demaskiert“ heißt der. „Wir haben schon vor Jahren begriffen, dass wir Fechter nicht im Rampenlicht stehen. Und da kann man drüber meckern, aber unser Ding ist es halt eher, die Sache in die Hand zu nehmen“, sagt Hartung.

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Foto: afp, jk

Selfmademen, das sind sie. Die Dormagener Säbelfechter um Trainer Vilmos Szabo (54), Matyas’ Vater. Sie kennen sich seit vielen Jahren. Sie stellen quasi in Personalunion die Nationalmannschaft – inklusive des Werbachers Björn Hübner-Fehrer (33). Der ist an diesem Morgen auch da. Fechter müssen sich kümmern, wenn sie Leistungssport ausüben wollen. Um Sponsoren. Um Hallenzeiten. Um Anerkennung. Zum Krafttraining gehen sie in den Kraftraum der Judoka an der Sporthochschule in Köln. „Schüler müssen zur Schule gehen, Leistungssportler müssen Leistungssport wollen“, sagt Vilmos Szabo. Seine Schützlinge wollen, und sie blicken deswegen neidisch auf die paradiesischen Bedingungen, die Fechter in Südkorea vorfinden. Die stellen dann eben auch den Weltmeister.

Hartung hat die deutschen Fechter aus der vorübergehenden Versenkung geholt, seitdem er als Athletensprecher öffentlichkeitswirksam für die Rechte der Sportler im Lande eintritt und unbequeme Realitäten ausspricht. Das verschafft Schlagzeilen, die der Fechter Hartung so nicht bekommen würde. Fechten als Charakterschule – das erwog der Verband sogar als Werbeslogan. Werde Fechter, lerne unbequem zu sein. Aber er ist in erster Linie der Fechter Max Hartung. Der Weltklasse-Fechter. Olympia in Tokio werden seine dritten und wohl letzten Spiele. Dem ordnet er alles unter. Auch als Mannschaft wollen sie unbedingt dabei sein, die Dormagener. Denn ohne das Team sind sie auch im Einzel nichts. Die Überzeugung von der Wir-AG leben sie.

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Foto: dpa/Marius Becker

„Wenn ich mich nicht so gut mit den Jungs verstehen würde, dann würde ich heute schon gar nicht mehr fechten. Es macht vieles leichter, wenn man zusammen unterwegs ist“, sagt Hartung. Am Vorabend hat Wagner asiatische Nudelsuppe gekocht. Weltklasse sei die, sagt Lübers. Die Säbelfechter also auch als Mitstreiter mit Stäbchen. „Du willst bei jedem Weltcup im Einzel weit kommen, aber auch genug Körner für die Mannschaft haben“, sagt Matyas Szabo. Daran, dass sie am Freitag zur Mannschaft des Jahres in NRW gewählt werden, glaubt er an diesem Mittwoch nicht. „Die Ruderer werden wieder gewinnen. Wir könnten in einem Jahr alles gewinnen, was geht – es würde nicht reichen.“

Zurück in Düsseldorf am Freitagabend. Die Ruderer sind die Mannschaft des Jahres. Szabo hat recht behalten. Hartung lächelt trotzdem. Die Jungs und er hatten einen netten Abend. Mit ihren Partnerinnen. Mit anderen Sportlern. Sie hatten vorher diskutiert, ob sie eine Krawatte anziehen oder nicht. Sie können über sich selbst lachen, wie sie sich so gegenseitig finden, so fein gemacht. Sie waren positiv überrascht von Gladbachs Torhüter Yann Sommer. Der wurde auch geehrt, und er widerlegte mit seinem Auftritt das Klischee des blasierten Fußballprofis. Das honorieren die Fechter.

Sie sind auch nicht neidisch auf die Millionen und die Medienpräsenz eines Fußballstars. Sie wissen, es gibt als Fechter keine Garantie auf Rampenlicht. Nur eine Garantie auf harte Arbeit, die keiner sieht. „Mann kann aber auch nicht immer unter Hochspannung stehen. Das hält man nicht durch. Sonst knallt es. Es ist nicht leicht, aber es muss gelingen, den Kopf frei zu bekommen. Da arbeiten wir auch dran. Unter anderem mit Yoga. Du musst einfach lernen, dass du deinen Kalender aus Sport, Studium und Ehrenamt nicht wie mit Tetris-Steinen füllen kannst“, sagt Hartung.

Zu Weihnachten will Hartung mal innehalten. Und sich auch mal ein Plätzchen gönnen. Oder sogar zwei. Mehr aber ist schwierig im Leistungssport.

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