Rom Wahlniederlage schwächt Berlusconi

Rom · Der skandalumwitterte Ministerpräsident Italiens hatte selbst die Kommunalwahlen zur Schicksalswahl erklärt – und verloren. In den Hochburgen seiner Partei wurden seine Kandidaten abgestraft. Noch kann sich Silvio Berlusconi im Amt halten. Die Frage ist nur, wie lange.

Am Tag der bitteren Niederlage ist Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi zu einem Staatsbesuch in Rumänien. "Ich habe keine Zeit, meine Beerdigung zu organisieren", sagt Berlusconi am Rande des Besuchs – eine Anspielung auf die Wahlschlappe seiner Partei "Volk der Freiheit" (PdL) bei den Kommunalwahlen.

Für einen Abgesang auf den wegen zahlreicher Skandale angeschlagenen Regierungschef ist es in der Tat noch zu früh, auch wenn Italiens Opposition bereits frohlockt. Denn Berlusconi wurde ausgerechnet in seiner Heimatstadt Mailand geschlagen. Die Wirtschaftsmetropole im Norden war 18 Jahre lang PdL-Hochburg. Ausgerechnet dort unterlag Berlusconis Kandidatin Letizia Moratti dem linksgerichteten Giuliano Pisapia.

Auch in Neapel, der größten Stadt im Süden, verlor Berlusconis Kandidat, ebenso wie in Cagliari, Triest und Novara. Zwar handelt es sich nur um Kommunal- und Provinzwahlen. Aber Berlusconi selbst hatte das Ergebnis zum nationalen Stimmungstest für die Parlamentswahl in zwei Jahren erklärt und sich selbst engagiert – auf seine Art. So hatte er bis zum Schluss noch mit populistischen Äußerungen vor einer Machtübernahme durch "linke Extremisten" gewarnt, die dann aus Mailand eine "islamische Stadt voller Zigeuner" machen würden.

Dass es seine persönliche Niederlage ist, daran zweifeln nicht mal ihm wohlgesonnene Beobachter wie Giulio Ferrara, Chefredakteur der rechtskonservativen und als intellektuell geltenden Zeitung "Il Foglio": Mit der Mailänder Niederlage sei Berlusconis "Mythos der Unbesiegbarkeit" zerstört, schreibt er. Im PdL grummele es. Namen möglicher Nachfolger kursieren bereits, etwa die von Justizminister Angelino Alfano und Finanzminister Giulio Tremonti.

Der Turiner Politikwissenschaftler und frühere Direktor des Historischen Instituts in Trient, Gian Enrico Rusconi, ist dennoch skeptisch: "Nein, Berlusconi ist noch nicht am Ende. Was viele nicht verstehen, ist, dass der Berlusconismus ja eine ganz neue Kaste von Politikern geschaffen hat. Und diese Kaste hat sich noch nicht von ihm emanzipiert." Rusconi glaubt nicht, dass sich jetzt schon ein möglicher Nachfolger durchsetzen kann. Auch nicht Tremonti. Sein zweites Argument: "Die Linke ist noch nicht so weit. Der Ausgang bei den Wahlen ist doch nicht der Sieg Pier Luigi Bersanis oder Romano Prodis. Es gibt keine ,neue Linke' oder eine neue Mitte-Links-Partei. Es gibt in Italien keine ernsthafte Alternative, die über Jahre gewachsen ist, wie beispielweise die Grünen in Deutschland."

Leoluca Orlando, Italiens berühmter Mafia-Jäger und langjähriger Bürgermeister von Palermo, ist heute Abgeordneter im italienischen Parlament für die Anti-Korruptionspartei IdV (Italien der Werte). Er ist anderer Meinung: "Dieses Wahlergebnis ist der beste Beweis dafür, dass die Wähler Berlusconis müde sind. Sie sind seiner überdrüssig. Wir haben mit diesen Wahlen eine kulturelle und ethische Revolution erlebt. Unser Ziel ist, dass daraus auch eine politische Revolution wird." Die Wähler haben getan, was die Oppositionsparteien noch nicht getan hätten. "Sie haben eine Einheit gebildet. Ich warte seit 17 Jahren auf einen Tag wie diesen. Wir müssen den Wählern jetzt beweisen, dass wir gemeinsam eine Regierung bilden können."

Ein bisschen Zeit wird die Oppositionsparteien noch haben. Die Lega Nord, Partei am rechten Rand, und ihr Chef Umberto Bossi stützen die Regierung noch. "Bossi hat die Koffer gepackt, aber die Allianz hält noch – im Moment", titelte gestern "La Stampa". Von Bukarest aus habe Berlusconi mit Bossi telefoniert. Danach verkündete der Regierungschef, die kriselnde Koalition setze ihre Arbeit fort. Derweil legten Berlusconis Anwälte in seiner Abwesenheit dem Mailänder Gericht Einsprüche, Anliegen und Fragen vor. Es war der zweite Tag im Verfahren wegen Sex mit minderjährigen Prostituierten und Amtsmissbrauch. Eine der Partys, um die es in diesem Verfahren geht, soll in der Villa des Cavaliere in Arcore bei Mailand gefeiert worden sein. Auch dort siegte bei der Stichwahl die Opposition.

Internet Chronik der Berlusconi-Skandale unter www.rp-online.de/politik

(RP)
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