Analyse Frauen in der Teilzeit-Falle

Berlin · Fast jede zweite erwerbstätige Frau in Deutschland hat einen Teilzeitjob. Viele Frauen begründen das mit der Versorgung von Kindern oder Pflegebedürftigen, doch immer mehr von ihnen würden künftig gerne mehr arbeiten.

Wenn etwas gesellschaftlich wichtig wird, dann veranstaltet die Bundesregierung dazu einen Gipfel. So war das auch gestern, als die Bundeskanzlerin Spitzenvertreter der Wirtschaft und der Gewerkschaften zum "Familiengipfel" lud. Das Arbeitsleben müsse familienfreundlicher werden, die Unternehmen bei Arbeitszeiten flexibler auf die Wünsche von Eltern eingehen, erklärte die Kanzlerin. Künftig werde die Bundesregierung einmal im Jahr berichten, wie sich Arbeitszeiten und Teilzeitangebote entwickeln und wie es um die Kinderbetreuung bestellt sei, sagte Angela Merkel (CDU).

Die Politik hat erkannt, dass sie die Erwerbsbeteiligung und die Karrieren von Frauen fördern muss, wenn in Zukunft der Arbeitskräfte- und vor allem, der Fachkräftemangel zum drängendsten volkswirtschaftlichen Problem wird. Die Erwerbsquote von Frauen konnte zwar schon deutlich auf etwa 70 Prozent gesteigert werden, doch fast die Hälfte aller erwerbstätigen Frauen arbeitet nur Teilzeit. Bei Frauen mit minderjährigen Kindern im Haushalt liegt die Teilzeitquote sogar bei zwei Dritteln, während nur etwa fünf Prozent der Väter einem Teilzeitjob nachgehen.

Teilzeit in Deutschland ist weiblich — mit allen Vor- und Nachteilen, die damit für die Familien und die Frauen selbst verbunden sind. Wer etwa im Erwerbsleben über lange Phasen lediglich einen sozialversicherungspflichtigen Teilzeitjob innehatte, wird als Rentnerin eine eher geringe gesetzliche Rente beziehen — und damit stärker wirtschaftlich abhängig sein vom (Ehe-)Partner, den Kindern oder vom Staat, der die zu geringe Rente aufstocken muss. Zum Phänomen Teilzeit hier die wichtigsten Fragen und Antworten:

Warum entscheiden sich trotz der persönlichen wirtschaftlichen Nachteile so viele Frauen für Teilzeitjobs?

Traditionell sind es in Deutschland die Mütter, die nach der Geburt eines Kindes in Teilzeit wieder in den Job einsteigen. Kinderlose Frauen erreichen dagegen im Alter zwischen 33 und 37 Jahren die höchste Erwerbsquote von 81 Prozent, wie aus dem jüngsten Familienmonitor 2011 des Bundesfamilienministeriums hervorgeht. Bei den Müttern liegt die höchste Erwerbsquote bei nur 72 Prozent — diese erreichen sie aber erst im Alter von 48 bis 49 Jahren.

In Umfragen bezeichnet eine deutliche Mehrheit der jüngeren Frauen die Kombination aus Familie und Kindern mit einem Teilzeit-Job als ihr ideales Lebensmodell. Eine Mehrheit der Frauen geht also freiwillig einem Teilzeitjob nach, um eine Balance zwischen Familie und Beruf zu finden. Allerdings wächst die Zahl der Frauen, die ihre Stundenzahl gerne erhöhen würde. So würde laut dem Familienmonitor jede fünfte Mutter in Teilzeit mehr arbeiten. Bei den teilzeitbeschäftigten Müttern mit schulpflichtigen Kindern ist es sogar jede Dritte, die länger arbeiten würde. Und von den bisher nichtberufstätigen Müttern mit schulpflichtigen Kindern würden 37 Prozent gerne einem Job nachgehen. Dramatisch ist die Lage bei Alleinerziehenden: Mehr als die Hälfte der Alleinerziehenden ohne Job wünscht sich eine Erwerbstätigkeit.

Warum können Betroffene oft ihre Arbeitszeiten nicht ausweiten?

Der wichtigste Grund, warum Mütter (oder Väter) ihren Job nicht in dem Umfang machen können, wie sie es sich wünschen, sind fehlende Kinderbetreuungsmöglichkeiten — vor allem in Westdeutschland. Sehr viele Eltern beklagen aber auch eine Klippe, wenn die Kinder eingeschult werden: Während immer mehr Kindergärten Ganztagsbetreuung anbieten, fehlen in vielen Kommunen Horte oder Ganztagsunterricht an Schulen.

Zunehmend wird auch die Pflege von Familienangehörigen zuhause zum Hindernis für eine Vollzeittätigkeit. Auch hier sind es vor allem die Frauen, die freiwillig — oder gezwungenermaßen, weil ihr Partner mehr verdient — zu Hause bleiben.

Die Politik hat aber auch noch einen weiteren Grund für das Verharren der Frauen in Teilzeitjobs ausgemacht: Der Wechsel von einer Teilzeitstelle zurück in die Vollzeit ist in vielen Unternehmen schwierig. Die Ministerinnen Kristina Schröder und Ursula von der Leyen (beide CDU) fordern daher in seltener Einmütigkeit einen Rechtsanspruch auf eine Rückkehr vom Teilzeit- in einen Vollzeitjob. Das werde "sicherlich ein großes Thema im Bundestags-Wahlkampf", sagte Schröder im ARD-Morgenmagazin. Auch die SPD macht sich für einen Rechtsanspruch auf eine Rückkehr in einen Vollzeitjob stark. Wirtschaftsverbände hielten dagegen, vor allem in kleineren Unternehmen ließen sich Arbeitszeiten nicht einfach beliebig hin- und herschieben.

Welche zusätzlichen staatlichen Anreize steigern Teilzeitbeschäftigung?

Das steuerliche Ehegattensplitting ist für Familien umso vorteilhafter, je höher der Einkommensunterschied zwischen den Partnern ist. Arbeitet die Mutter in einem Teilzeitjob, fällt die Steuerersparnis für die eheliche Gemeinschaft proportional höher aus als bei einer Vollzeittätigkeit. Auch Mini-Jobs sind für Familien attraktiv, da sie steuer- und abgabenfrei bleiben. Zudem fördern auch die Hinzuverdienstregeln im Hartz-IV-System Teilzeit- und Mini-Jobs. So bleiben bei einem 450-Euro-Mini-Job die ersten 100 Euro Zuverdienst steuerfrei, danach steigt die Belastung deutlich. 70 Prozent all derer, die ihre Einkünfte mit Arbeitslosengeld II aufstocken, arbeiten in Teilzeit.

Wie wirkt die Teilzeitarbeit auf Karrieren und Einkommen von Frauen?

"Wer Teilzeit arbeitet, steigt in der Regel nicht zur Führungskraft auf", sagt Holger Schäfer, Arbeitsmarktexperte am Kölner Institut der deutschen Wirtschaft. Ein Grund für die geringe Präsenz von Frauen in Top-Positionen liege in der hohen Teilzeitquote der Frauen. Auch die vielbeklagte Lohn-Lücke zwischen Männern und Frauen lasse sich zum Teil so erklären. Frauen verdienen nach den Daten des Statischen Bundesamtes durchschnittlich 22 Prozent weniger in der Stunde als Männer. Nicht nur die Unterbrechung der Erwerbsphase nach Geburten oder die Wahl schlechter bezahlter Berufe seien dafür verantwortlich, meint Schäfer. "Eine Teilzeit-Arbeitsstunde wird auch tendenziell schlechter bezahlt als eine Vollzeit-Stunde", sagt der Forscher. Vollzeit-Arbeitende hätten höhere Stundenlöhne, weil Arbeitgeber davon ausgingen, dass deren persönlicher Einsatz für das Unternehmen größer sei.

(mar / qua)
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