Zurück zu alter Stärke Die Gesichter des grünen Neuanfangs

Berlin · Die Union setzt darauf, dass mit einer neuen Grünen-Führung ein Bündnis möglich sein könnte. Doch die muss sich erst sortieren.

Die Grünen wollen mit einer personellen Erneuerung zurück zu alter Stärke finden. Wohin die einstige Öko-Partei inhaltlich steuert, ist aber noch offen. In den eigenen Reihen melden sich immer mehr Stimmen, die den Linkskurs im Wahlkampf für den entscheidenden Fehler halten und die Rückbesinnung auf Umwelt und Energie fordern.

Solche Vorstöße kommen vor allem aus dem realpolitisch geprägten Südwesten. "Wir haben den fatalen Fehler gemacht, uns politisch zwischen SPD und Linken zu platzieren", sagte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann. "Wir brauchen jetzt eine ehrliche inhaltliche Ursachenanalyse über das Wahlergebnis. Erklärungen, dass es eine Pädophilen-Kampagne gegen uns gegeben habe, der politische Gegner unfair gewesen sei oder dass es am ,Veggie Day' gelegen habe, reichen nicht aus", sagte Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer. "Wir müssen vielmehr zur Kenntnis nehmen, dass wir alle unsere Stimmen an die Mitte abgegeben haben. Wir haben fast so viele an die Union verloren wie an die SPD." Aus Palmers Sicht sind die Steuerbeschlüsse "die beste Erklärung für dieses Wahlergebnis". Baden-Württembergs Agrarminister Alexander Bonde forderte eine stärkere Hinwendung zum wirtschaftlichen Mittelstand.

Zahlreiche Grüne kritisieren zudem, dass die Partei im Wahlkampf die Kernthemen Umweltschutz und Energiewende vernachlässigt habe. Da die Grünen nun ein neues Gesicht suchen, das für diese Kernkompetenz in der Partei steht, hat die frühere saarländische Umweltministerin Simone Peter gute Chancen, beim nächsten Parteitag zur Chefin gewählt zu werden. Konkurrenz hat sie in der Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke. Zudem wird aller Voraussicht nach Cem Özdemir wiedergewählt. Er steht für einen realpolitischen und wirtschaftsfreundlichen Kurs der Partei. In den letzten Monaten beugte er sich dem Linkskurs.

In der Union mehren sich Stimmen, die darauf setzen, dass sich mit neu aufgestellten Grünen möglicherweise koalieren lasse. Allerdings kündigten die Grünen bereits an, dass im Fall einer Gesprächseinladung die beiden Spitzenkandidaten Jürgen Trittin und Katrin Göring-Eckardt sowie die noch amtierenden Parteichefs Claudia Roth und Cem Özdemir kämen.

Bei den Grünen ist die Neigung, eine Koalition mit der Union einzugehen, gering, Gesprächsbereitschaft ist aber vorhanden. "Wir sollten Schwarz-Grün sehr ernsthaft sondieren", sagte Bonde. Die Vize-Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Eveline Lemke, plädierte dafür, offen in Gespräche mit der CDU zu gehen: "Wenn man in Sondierungsgespräche geht, kann man eine Koalition nicht vorher komplett ausschließen", sagte sie. Die Union müsste sehr deutlich auf die Grünen zugehen. Merkel habe ja schon früher "erstaunliche Entscheidungen getroffen".

Die Grünen in NRW hingegen geben einem schwarz-grünen Bündnis auf Bundesebene keine Chance. "Wir haben zwar die Wahl verloren, aber nicht unsere inhaltlichen Überzeugungen", sagte Parteichef Sven Lehmann. "Außerdem haben wir nicht vergessen, mit wie viel Schmutz uns die Union im Wahlkampf beworfen hat", betonte er. Ähnlich sehen dies die Grünen-Minster Sylvia Löhrmann und Johannes Remmel. Union und Grüne würden Welten trennen, betonte Löhrmann. "Für mich ist die Debatte um Schwarz-Grün eine Scheindebatte, mit der die CDU vor allem die SPD in eine große Koalition drängen und den Preis dafür drücken will", sagte Remmel.

Die Grünen werden sich morgen in Berlin mit den Spitzen von Bund und Ländern treffen. Bei einem kleinen Parteitag am Samstag soll es eine Entscheidung über mögliche Sondierungen mit der Union geben. Die Fraktionschefs werden am 8. Oktober gewählt.

(rl, mar, qua, )
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