Debatte um mögliche Koalition Was Schwarz und Grün verbindet

Berlin · Nach der Urwahl der Grünen kommt auch wieder die Frage nach einem möglichen schwarz-grünen Bündnis auf. Auf vielen Feldern könnten Union und Grüne Kompromisse finden. Bei den Themen haben sich die Parteien angenähert. Kulturell liegen sie weiter auseinander.

Grüne sprechen Claudia Roth Mut zu
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Foto: dpa, Carsten Rehder

Dieter Salomon war der erste Grüne, der als Oberbürgermeister an die Spitze einer Stadt gelangte. Der Freiburger gibt sich auch in der Frage Schwarz-Grün als Vorreiter seiner Partei. Er rät seinen Parteifreunden in Berlin, sie mögen sich hüten, eine schwarz-grüne Koalition nach der Bundestagswahl 2013 auszuschließen. "Es gibt nichts, was ein Zusammengehen grundsätzlich unmöglich machen würde", sagt er.

Die Grünen in Berlin schließen nichts aus, hüten sich aber eher davor, Schwarz-Grün zu bewerben. Sie fürchten, dass dies SPD und Linken Wähler bescheren könnte. "Wir wollen vielmehr Wählerschichten erobern, die auch Schwarz wählen", sagt die stellvertretende Fraktionschefin Ekin Deligöz.

Bei den Grünen bestreitet aber kaum einer, dass sich die beiden Parteien angenähert haben, die sich in den 80er Jahren noch als feindliche Lager gegenüberstanden. Die Union hat sich in vielen Fragen wie Familienpolitik, Mindestlohn und Integrationsfragen geöffnet. Die Grünen wiederum sind bürgerlich geworden. Mittlerweile gibt es eine Reihe von Schnittmengen.

Energie Die größte Hürde für ein schwarz-grünes Bündnis, die Atomenergie, ist weggefallen. Beim Tempo des Ausbaus der erneuerbaren Energien werden die Grünen gerade von der Realität überholt. Für Diskussionsstoff würde zwischen Schwarz und Grün die Frage sorgen, wie viele Ausnahmen man der Industrie genehmigen sollte.

Gesellschaft Die kulturellen Unterschiede zwischen den Parteien und ihren Anhängern sind nach wie vor groß. Ein wichtiger Knackpunkt ist das Betreuungsgeld. Sollte die Union in möglichen Koalitionsverhandlungen darauf bestehen, dass die Familienleistung bleibt, müsste sie sicherlich einen hohen Preis dafür zahlen: zum Beispiel die Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft oder das Adoptionsrecht für homosexuelle Paare. Über Kreuz liegen die Parteien auch bei der Frage des steuerlichen Ehegattensplittings, das die Grünen am liebsten streichen und in den weiteren Ausbau von Ganztagsbetreuung stecken würden. Dabei geht es den Grünen nicht nur darum, Steuern anders einzusetzen, sondern auch um ihr Gesellschaftsbild: Sie wollen der Institution Ehe ihre Privilegien nehmen.

Innere und äußere Sicherheit In der Außen- und Verteidigungspolitik sind Union und Grüne konsensfähig. Kniffelig ist eher die Innenpolitik. Bei der Organisation von Verfassungsschutz und Polizei fordern die Grünen insbesondere nach der NSU-Mordserie einen Umbau und radikalen Neuanfang. Andererseits attestieren sie der Union durchaus mit Respekt, dass diese in der Frage, wie Integration gelingen kann, dazugelernt habe. Die Grünen wiederum verkünden schon lange nicht mehr, dass Multikulti selig macht. Und bei den Grünen glaubt auch kaum einer, dass ein Innenminister der Union schwieriger im Umgang sein könnte, als es zu rot-grünen Zeiten Otto Schily war.

Soziales Die Pläne für eine Zuschussrente, wie Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sie ursprünglich durchsetzen wollte, hätten die Grünen sicherlich weniger zerpflückt, als dies der aktuelle Koalitionspartner FDP getan hat. Sie hätten Basis für einen Kompromiss sein können. Auch auf einen Mindestlohn könnten sich Union und Grüne verständigen. In der Gesundheitspolitik gibt es große Differenzen. Die Grünen fordern wie die SPD eine Bürgerversicherung. Auf diesem Feld darf man sich ein schwarz-grünes Bündnis ähnlich konfus vorstellen, wie es die große Koalition seinerzeit war.

Wirtschaft Die Grünen gewinnen inzwischen Wahlen mit dem Versprechen, dass sie mit grüner Technologie schwarze Zahlen schreiben wollen. Den Spruch kann die Union auch unterschreiben. Zudem forderte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin, schon lange bevor die Entscheidung für ihn als Spitzenkandidat gefallen war, dass die Grünen alle ihre Wahlversprechen auf Realitätstauglichkeit und Bezahlbarkeit testen müssten. Vorschläge aus Wolkenkuckucksheim sollen bei ihnen nicht mehr auf den Tisch kommen. Während es in der Industriepolitik weiterhin große Unterschiede zwischen Union und Grünen gibt, könnte man sich am gemeinsamen Projekt Frauenquote wärmen.

Finanzen Die Grünen fordern eine deutliche Regulierung der Finanzmärkte. In diesem Punkt würde die Union gerne weiter gehen, als dies mit den Liberalen möglich ist. Bei den wichtigen Abstimmungen zur Euro-Rettung im Bundestag haben die Grünen ohnehin mit der Kanzlerin gestimmt. Zwar üben die Grünen viel Kritik am Krisenmanagement der Kanzlerin. In der Substanz der Politik gibt es aber Übereinstimmung. Gewichtige Differenzen bestehen zwischen Union und Grünen, wie besonders wohlhabende Bürger belastet werden sollen.

(qua)
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