Claudia Roth nach der Urwahl-Niederlage Eine Gedemütigte macht sich selbst Mut

Düsseldorf · Nach dem für Claudia Roth katastrophalen Ergebnis bei der Grünen-Urwahl wurde über ihren Rücktritt spekuliert. Die Parteivorsitzende macht weiter, wie sie am Montagmorgen mitteilte. Und doch hat das Ergebnis Spuren hinterlassen.

Gedemütigt, verbittert und doch kämpferisch - Grünen-Chefin Claudia Roth macht weiter.

Gedemütigt, verbittert und doch kämpferisch - Grünen-Chefin Claudia Roth macht weiter.

Foto: dpa, Kay Nietfeld

Es war kurz nach acht Uhr am Montagmorgen, als Claudia Roth vor das einzige Mikro in der Berliner Parteizentrale der Grünen trat. Ähnlich einsam dürfte sich die Parteichefin in diesem Moment gefühlt haben, als sie ihre Entscheidung über die Zukunft verkündete.

Für die einen ist sie das stets freundliche Gesicht der Grünen, für die anderen die Verkörperung einer rückwärtsgewandten, realitätsfernen Politik. Keine Frage, Claudia Roth ist eine streitbare Politikerin. Und seit der Urwahl zur Kür der Spitzenkandidaten für den anstehenden Bundestagswahlkampf scheint sie auch angreifbar.

Nur 26,2 Prozent der Stimmen

Seit dem für sie desaströsen Ergebnis mit nur 26,2 Prozent der Stimmen wurde offen über ihren Rücktritt spekuliert. Oder würde sie doch weiter machen und sich trotz scheinbar mangelnder Rückendeckung aus der Partei-Basis in den Dienst der Grünen stellen? Um kurz nach acht Uhr morgens war klar: Roth macht weiter. Und sie wird erneut für den Grünen-Vorsitz kandidieren. Sie ist eine Kämpferin. Nach außen zumindest.

Ihr Auftritt am Montagmorgen offenbarte indes das Gefühlsleben einer geknickten, gedemütigten Parteichefin. So kleinlaut hatte man die sonst so fröhliche, redegewandte Grünen-Politikerin selten erlebt.

Im schwarzen Sakko trat sie vor die wartenden Journalisten. Noch vor dem ersten Wort musste sie tief durchatmen. Luft und Kraft holen für eine ihrer schwierigsten und wichtigsten Reden ihrer politischen Laufbahn.

Emotional aufgewühlt

Mit zittriger Stimme und emotional aufgewühlt rang sie sichtlich um Fassung. Sie sprach von "Licht" und "Schatten". Licht, weil die Urwahl der Grünen gezeigt habe, was Demokratie leisten könne und wie wichtig eine solche direkte Urabstimmung sei.

Natürlich habe es auch Schatten gegeben. Für sie persönlich. Auf diesen Teil der Erklärung hatten die Pressevertreter gebannt gewartet. Roth senkte in diesem Moment den Kopf. Der Ausgang der Urwahl sei für sie "eine herbe Klatsche" und ein "bitteres Ergebnis" gewesen.

Von "schweren Stunden", Zweifeln" und "großer Zerrissenheit" sprach die Parteichefin anschließend. Sie hätte diese Worte nicht aussprechen müssen, all das ließ sich deutlich in ihren Gesichtszügen ablesen.

"Ablösung von Schwarz-Gelb"

Sie müsse sich "natürlich die Frage stellen, ob für das Amt der Parteivorsitzenden in der Partei noch das nötige Vertrauen für mich da ist". Darüber sollten nun die Delegierten auf dem Parteitag am nächsten Wochenende entscheiden.

Schließlich gehe es "in erster Linie nicht um mich und es geht in erster Linie nicht um meine Enttäuschung", so Roth. Wichtiger sei die "Ablösung von Schwarz-Gelb, es geht um ein starkes grünes Ergebnis bei dieser wichtigen Bundestagswahl". Die Grünen wählen am kommenden Wochenende auf einem Parteitag in Hannover einen neuen Bundesvorstand.

Ein Grund für ihre Entscheidung, die Brocken nicht hin zu schmeißen, war nach eigenen Worten der Candystorm. Anders als beim Shitstorm erhält der Betroffene viel Zuspruch. Im Fall von Claudia Roth war es offensichtlich sehr viel Zuspruch. So viel, dass Roth mit nun kräftiger Stimme und erhobenem Haupt sprach.

Zuspruch ist ehrlich gemeint

Alle hätten deutlich gemacht, dass die Urwahl nicht mit einer Abwahl der Parteivorsitzenden gleichzusetzen sei. Sie kenne die Partei lange und wisse, dass der Zuspruch ehrlich gemeint sei.

Die Parteivorsitzende fügte hinzu, trotz ihrer Schlappe würde sie "immer wieder für eine Urwahl eintreten". Dabei waren neben Roth, Trittin, Göring-Eckardt und Ko-Fraktionschefin Renate Künast elf weitgehend unbekannte Kandidaten angetreten.

Spitzenkandidat Trittin zeigte sich erleichtert über Roths Entschluss. Er habe sich gefreut, "dass sie sich zu dieser für sie sicherlich existenziell schwierigen Entscheidung durchgerungen hat", sagte Trittin im ZDF-"Morgenmagazin". Er sei "ziemlich zuversichtlich", dass sie auf dem Parteitag sehr gutes Ergebnis bekommen werde. Roth hofft es auch.

(rpo)
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