Interview mit NRW-FDP-Chef Christian Lindner "Ich bleibe im NRW-Landtag"

Düsseldorf · Der nordrhein-westfälische FDP-Chef Christian Lindner spricht im Interview mit unserer Redaktion über die schwarz-gelbe Koalition, den schweren Stand der Liberalen und über mögliche neuen Bündnisse.

FDP-Chef Porträt: Das ist Christian Lindner
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Christian Lindner – der Überflieger

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Foto: dpa/Focke Strangmann

In Berlin hat die Koalition einige Streitfragen aus dem Weg geräumt: Das Betreuungsgeld kommt, eine Mini-Zuschussrente kommt, es gibt Millionen für die Infrastruktur. Ist das Ihre FDP?

Lindner Den wichtigsten Punkt haben Sie nicht genannt, nämlich dass die Bemühungen zur Entschuldung der öffentlichen Haushalte beschleunigt werden. 2014 soll auf Initiative der FDP der strukturelle Haushaltsausgleich erreicht werden. Damit ist Schwarz-Gelb im Bund der klarste Kontrast zu Rot-Grün in NRW, und das entspricht der Prioritätensetzung, die wir hier im Landtagswahlkampf vertreten haben.

Kommt die FDP nicht relativ spät auf den Gedanken, dass sie Konsolidierungspartei sein will? Das hätte man doch auch 2009, 2010 machen können: sparen und konsolidieren.

Lindner Gerade die Haushaltspolitik ist eines der erfolgreichsten Felder der Koalition in Berlin. Im Vergleich zu den Zahlen, die der heutige Kanzlerkandidat Steinbrück als Finanzminister zu verantworten hatte, sind wir nahezu bei 100 Milliarden Euro weniger Neuverschuldung, die der Bund aufgenommen hat in den letzten Jahren. Gerade in dem Bereich muss die Koalition in Berlin den Vergleich insbesondere zu SPD und Grünen in NRW nicht scheuen.

Schauen wir uns das Ziel Haushaltsausgleich 2014 an. Sie könnten es doch leicht erreichen, indem die FDP auf die Steuersenkung, die in der mittelfristigen Finanzplanung eingestellt ist, verzichtet.

Lindner Was im Bundesrat zur Beratung vorliegt, ist der Verzicht auf sich sonst vollziehende automatische Steuererhöhungen. Der Staat profitiert von guten Tarifabschlüssen der IG Metall für die Beschäftigten, die das Wachstum in Deutschland mit ihrem Fleiß erarbeitet haben. Das sind zusätzliche Staatseinnahmen, die dem Staat nicht zustehen, und deshalb sollte diese kalte Progression, ein großes Ärgernis im Steuersystem, beseitigt werden. Für mich ist es ein Rätsel, dass die Partei, die für sich reklamiert, Arbeitnehmerinteressen wahrzunehmen, dieses Vorhaben so torpedier

Ein anderer Beschluss ist das Betreuungsgeld. Sie haben im Sommer gesagt, das sei eine soziale Wohltat, die niemand will.

Lindner Das Betreuungsgeld ist 2007 mit den Stimmen der SPD in der großen Koalition ins Gesetzblatt gekommen. Es hat also schon vor dieser Regierung Kompromisse gegeben. Ich habe davor gewarnt, eine neue staatliche Leistung auf Pump einzuführen. Jetzt gibt es das Ziel der Beschleunigung der Entschuldung des Bundes. Vor diesem Hintergrund halte ich das Betreuungsgeld für vertretbar, auch wenn ich familienpolitisch nicht zu den Unterstützern zähle.

Helfen die Beschlüsse der FDP in den Umfragen?

Lindner Die sind zunächst gut für Deutschland. Und alles was gut für unser Land und die Menschen in der Mitte des Landes ist, hilft auch einer Regierungspartei FDP.

Kann die FDP in Niedersachsen das erreichen, was Sie in NRW erreicht haben?

Lindner Das hoffe ich, und das wäre auch gut für Niedersachsen. Da geht es nicht um die Karrieren einzelner, sondern darum, dass das Land seine erfolgreiche Politik fortsetzt. Ich erinnere daran, dass die Aufnahme der Schuldenbremse in die niedersächsische Landesverfassung erst vor wenigen Wochen am Widerstand der SPD gescheitert ist.

Die Partei ist seit einem Jahr bei nur rund drei bis fünf Prozent in den Umfragen. Welchen Anteil hat der Bundesvorsitzende Rösler?

Lindner Die FDP wird im Team geführt. Für mich entscheidend ist, dass es für die FDP im nächsten Jahr eine große Chance gibt, die wir nutzen müssen. Alle anderen Parteien orientieren sich wesentlich stärker wieder auf den Staat. Eine Partei sollte es geben, die zuerst den Bürgern vertraut. Die anderen sprechen wieder stärker über die Verteilung des Wohlstands, eine Partei sollte es geben, die sich um die Erwirtschaftung des Wohlstands kümmert. Hier in NRW werde ich Zeuge einer tiefgreifenden grünen Bevormundungspolitik. Eine Partei muss es geben, die darauf achtet, dass die Menschen selbst über ihr Leben bestimmen dürfen. Dieses Wächteramt hat die FDP. Es gibt viele Menschen, die die FDP darin bestärken wollen. Die müssen wir wieder abholen.

Noch mal: Wackelt der Stuhl des Vorsitzenden?

Lindner Ich führe keine Personaldiskussionen. Ich wünsche Philipp Rösler allen Erfolg.

Sind Sie definitiv raus aus dem Rennen für die Spitzenkandidatur 2013?

Lindner Was heißt raus? Ich war nie drinnen.

Das bleibt auch dabei?

Lindner Selbstverständlich. Da gibt es überhaupt kein Wackeln. Für mich ist klar, dass ich hier in NRW von den Bürgern Vertrauen geschenkt bekommen habe, und ich werde meine Aufgabe als Landes- und Fraktionsvorsitzender wahrnehmen.

Wie viele Parteifreunde haben Sie in den letzten Wochen angerufen und gesagt: "Christian, du musst den Parteichef im Bund machen"?

Lindner Über solche Dinge wird viel weniger gesprochen, als Sie von außen glauben.

Sie gelten als jemand, der die FDP in eine Ampel-Koalition führen könnte. Das scheint nicht mehr machbar zu sein, wenn man Ihnen zuhört.

Lindner Es ist kein Geheimnis, dass ich in der SPD genauso viele Gesprächspartner habe wie in der CDU. Und dass ich mich nicht scheue, dann Gemeinsamkeiten zu betonen, wenn es sie gibt. Ich habe über die Unterschiede zur SPD in der Haushaltspolitik gesprochen, es gibt mit Blick auf die Energiepolitik durchaus Berührungspunkte. Bei einer Ampel reden wir nicht über eine Zusammenarbeit von SPD und FDP, da kommen die Grünen dazu. Und die Grünen, besser das gründe Denken, ist der Antagonismus zu meinem liberalen Gesellschaftsverständnis. Die Grünen haben ein ganz monolithisches Gesellshafts- und Werteverständnis. Der gerade gewählte Oberbürgermeister Stuttgarts Fritz KUhn sprach davon, gründes Denken sei hegemonial. Der marxistische Philosoph Antonio Gransci versteht unter Hegemonie den Versuch, das eigene Interesse als allgemeines Interesse zu definieren und durchzusetzen. Wie entlarvend Herr Kuhn, der ja begrifflich geschult ist, bewusst diesen Begriff verwendet, das ist das Gegenteil von meinem liberalen Verständnis. Bei mir ist der Staat Diener und nicht Instrument eigener Interessen und eigener gesellschaftspolitischer Vorstellungen. Da lässt man den anderen sein Leben leben, getreu dem Motto: leben und leben lassen. Und zwingt ihn nicht in die Schablone dessen, was man selbst für gutes Leben hält. Da sind die Grünen eben anders als wir.

Sollte die FDP im Bund eine Koalitionsaussage generell vermeiden?

Lindner Wir sind in einer erfolgreich arbeitenden Koalition, wenn Sie Wachstum, Beschäftigung, Entschuldung sehen. Diese Koalition ist für Deutschland ein Gewinn. Die Steuererhöhungs-Umverteiler-Bevormundungs-Koalition, die sich auf der linken Seite aufbaut, wäre für unser Land nicht gut. Ich empfehle der FDP eine klare Koalitionsaussage zugunsten der Union.

(brö)
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