Ausreise des Verdächtigen Politiker fordern Aufklärung im Mordfall Susanna

Wiesbaden/Berlin · Der Tatverdächtige im Fall Susanna ist auf der Flucht. Offenbar hat er sich in seine Heimat Irak absetzen können. Politiker fordern Aufklärung, wieso er Deutschland verlassen konnte, warnen aber vor Verallgemeinerungen.

Die Eisenbahngleise, an denen die Leiche von Susanna gefunden worden war.

Die Eisenbahngleise, an denen die Leiche von Susanna gefunden worden war.

Foto: dpa/Arne Dedert

Es müsse "rasch geklärt werden, wie der Tatverdächtige entkommen konnte und wie er möglichst schnell in Deutschland vor Gericht gestellt werden" könne, sagte der SPD-Fraktionsgeschäftsführer Carsten Schneider der "Bild"-Zeitung. Der CDU-Innenpolitiker Armin Schuster sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung", es stelle sich die Frage, warum der Tatverdächtige, der bereits polizeilich in Erscheinung getreten sei, "nicht längst in Untersuchungshaft war". Der CDU-Obmann im Innenausschuss des Bundestages forderte, dass Staatsanwaltschaften und Gerichte den Rechtsrahmen "offensiv ausschöpfen" müssten.

Die vor zwei Wochen vermisst gemeldete Susanna wurde vergewaltigt und getötet, wie die Ermittler in Wiesbaden am Donnerstag mitgeteilt hatten. Zunächst war von zwei mutmaßlichen Tätern die Rede. Ein zunächst festgenommener 35-jähriger Türke wurde am Abend wieder freigelassen.

Bei dem anderen Verdächtigen handelt es sich um einen 20-jährigen Iraker, der sich Anfang Juni mit seiner Familie von Düsseldorf aus erst nach Istanbul in der Türkei und von dort aus weiter nach Erbil im Nordirak abgesetzt haben soll. Die Flugtickets waren dabei laut Polizei auf andere Namen ausgestellt. Ein Abgleich mit den Namen auf den Aufenthaltsgenehmigungen fand demnach nicht statt.

Die Bundespolizei wehrt sich gegen den Vorwurf, dass die Familie am Düsseldorfer Flughafen nicht ausreichend kontrolliert worden sei. „Die Pässe waren nicht gefälscht“, sagte Ernst Walter, Vorsitzender der Deutschen Bundespolizeigewerkschaft (DPoLG), unserer Redaktion. „Die Kollegen an der Passkontrolle haben alles richtig gemacht“, sagte Walter.

„Nach dem Iraker wurde zu diesem Zeitpunkt auch nicht gefahndet. Er war zum Zeitpunkt der Ausreise kein Tatverdächtiger“, führte Walter weiter aus. „Offensichtlich hat die Familie unter falschem Namen Asylantrag in Deutschland gestellt. Die Ausreisedokumente haben sie dann bei ihrer Botschaft vermutlich mit ihren richtigen Namen beantragt“, sagte Walter.

„Der Skandal ist nicht, dass es ein Flüchtling gewesen ist“

Der nordrhein-westfälische Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) forderte einen Migrationsgipfel zwischen Bund, Ländern und Kommunen. „Ein solcher Gipfel sollte so lange vierteljährlich tagen, bis wir wirklich die Situation wieder im Griff haben“, sagte er am Freitag im ZDF-„Morgenmagazin“. „Wir brauchen insgesamt eine Neuordnung der Einwanderung- und Flüchtlingspolitik und ein wirklich konsistentes Einwanderungs- und Aufenthaltsgesetz.“

Die Politik müsse sich auf diejenigen Menschen konzentrieren, die problematisch seien, sagte Stamp weiter. „Der eigentliche Skandal ist ja nicht, dass es jetzt ein Flüchtling gewesen ist, sondern jemand, der straffällig gewesen ist.“ Solche Menschen müssten anders geahndet und des Landes verwiesen werden. Der FDP-Politiker betonte, die Parteien müssten bei einem Migrationsgipfel eigene Interessen zurückstellen. „Wir dürfen uns nicht fortlaufend vertagen. (...) Die Bevölkerung erwartet Lösungen.“

Pistorius warnt vor „falschen Schlüssen“

Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius warnte vor Verallgemeinerungen. „Das ist ein schreckliches Verbrechen, die Tat eines Einzelnen“, sagte der SPD-Politiker am Freitag in Quedlinburg am Rande eines Treffens mit seinen Länderkollegen. „Und wir müssen uns davor hüten, daraus eine gesellschaftliche Spaltpilzdebatte entstehen zu lassen, weil das gefährlich ist für unser Zusammenleben.“ Man dürfe nicht „falsche Schlüsse auf ganze Bevölkerungs- oder Flüchtlingsgruppen“ ziehen. Gleichwohl gebe es Aufklärungsbedarf, so Pistorius. „Wie konnte es passieren, dass dieser Iraker, der mutmaßliche Tatverdächtige, einfach so ausreist, mit einem Namen, der nicht mit dem auf dem Ticket übereinstimmt - wenn das denn stimmt“, fragte Pistorius. Er zweifelte daran, dass die Sicherungssysteme an den Flughäfen funktionierten.

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Burkhard Lischka, sagte der "Bild"-Zeitung, Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) müsse "dafür sorgen, dass die vorhandenen Kontrollmechanismen bei Ein- und Ausreisen auch genutzt werden". Bei "solch fragwürdigen Papieren" wie im Fall des Tatverdächtigen "und angesichts des Reiseziels hätte die Bundespolizei mit einem einfachen Fingerabdruck-Vergleich feststellen können, dass hier ein Krimineller auf der Flucht ist".

„Warum konnte der Täter offenbar ausreisen?“

AfD-Fraktionschefin Alice Weidel forderte in einer Videobotschaft auf Twitter den Rücktritt der gesamten Bundesregierung. Susannas Tod sei „kein blinder Schicksalsschlag“, sagte Weidel. „Susanna ist ein weiteres Opfer der heuchlerischen und egoistischen Willkommenspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel.“

Grünen-Chefin Annalena Baerbock sagte der „Bild“-Zeitung: „Der oder die Täter müssen mit der ganzen Härte des Rechtsstaats bestraft werden. Niemand sollte sich aber anmaßen, den Tod dieses Mädchens zu missbrauchen, um Hass zu säen.“ Es brauche Aufklärung in jeglicher Hinsicht. FDP-Chef Christian Lindner sagte derselben Zeitung, dass das Verbrechen zahlreiche Fragen aufwerfe. „Wieso werden abgelehnte Asylbewerber nicht konsequenter zurückgeführt? Warum konnte der
Täter samt Familie offenbar unter falschem Namen ausreisen?“

„Diese Tat darf nicht ungesühnt bleiben“

Auch der SPD-Politiker Karl Lauterbach sagte der "Bild"-Zeitung, es müsse "schnellstens geklärt werden, wieso ein Verdächtiger ins Flugzeug steigen kann, obwohl seine Identität nicht klar ist". Die deutschen Behörden müssten "alles tun, damit der Mann ausgeliefert und nach Deutschland zurückgebracht wird". Die Tat dürfe "nicht ungesühnt bleiben". Ähnlich äußerte sich der Grünen-Politiker Omid Nouripour. Der Mann müsse ausgeliefert, ihm müsse "hier der Prozess gemacht werden", forderte er in der "Bild".

Der FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff sagte dem Blatt: "Das ist typisch für unsere deutschen Sicherheitsbehörden. Es gibt einfach zu viele Lücken in diesem System." Dies sei "seit langem verantwortet von der CDU". Der CDU-Haushaltspolitiker Eckhardt Rehberg sagte der "Bild" vor dem Hintergrund des Mordfalls, Seehofer habe seine "volle Unterstützung, jetzt das gesamte Asylverfahren grundlegend umzugestalten". Dafür werde das Geld bereitgestellt.

(wer/csh/dpa/AFP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort