NPD-Verbotsverfahren bleibt riskant Innenminister stimmen für NPD-Verbotsantrag

Rostock · Die Innenminister und -senatoren der Länder sprechen sich für die Einleitung eines neuen NPD-Verbotsverfahrens aus. Die Ressortchefs beschlossen auf ihrer Konferenz in Rostock-Warnemünde am Mittwoch, eine entsprechende Empfehlung an die Ministerpräsidentenkonferenz zu richten.

NPD-Verbotsantrag - ein riskantes Unterfangen
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Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Lorenz Caffier (CDU), hat sich sicher gezeigt, dass ein neues NPD-Verbotsverfahren Erfolg haben wird. "Die Demokratie in Deutschland ist wehrhaft", sagte er am Mittwoch nach dem einstimmigen Beschluss der Ressortchefs, erneut vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. "Wir können mit öffentlich zugänglichen Beweismitteln belegen, dass die NPD eine verfassungsfeindliche Partei ist."

Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) forderte Bundestag und Bundesregierung auf, sich zügig zu einem Verbotsverfahren zu positionieren. "Ein Herumwackeln in der Mitte kann es dabei nicht mehr geben", sagte er. "Wir haben jetzt eine sehr dichte Materialsammlung, so dicht wie vielleicht nie." Experten warnen jedoch zur Vorsicht, denn ein solches Verbotsverfahren birgt hohe politische Risiken.

Als die Mordserie der rechtsextremen Terrorzelle NSU aufgedeckt wurde, war die Öffentlichkeit schockiert. Zudem gab es Hinweise darauf, dass es Verbindungen zwischen dem Neonazi-Trio und der rechtsextremen Partei NPD gegeben haben könnte. Anlass genug für Bund und Länder, über ein neues NPD-Verbotsverfahren nachzudenken — und vor allem Beweise zu sammeln.

Diese sind inzwischen zusammengetragen worden, auf etwa 1000 Seiten 2649 Belege. Und doch gibt sich die Bundesregierung in Bezug auf einen Verbotsantrag skeptisch, während die Länder nun voranschreiten wollen.

Die Innenminister planen, sich auf ihrem Treffen an diesem Mittwoch in Rostock-Warnemünde auf eine entsprechende Empfehlung an ihre Ministerpräsidenten zu einigen. Die Regierungschefs wollen dann am Donnerstag entscheiden. Und derzeit sieht es so aus, als könnte es eine einstimmige Entscheidung für einen Verbotsantrag werden. Im Bund aber bleibt Skepsis.

Die zweifelhaften Spuren der V-Leute

Denn schon einmal ist die Bundesregierung mit einem NPD-CVerbotsverfahren gescheitert. Das war im Jahr 2003. Damals waren Informanten des Verfassungsschutzes (V-Leute) auch in der NPD-Führung tätig. Die Verfassungsrichter in Karlsruhe konnten damals nicht überblicken, welche Spuren sie im Beweismaterial hinterlassen haben.

Das soll diesmal anders, die V-Leute inzwischen abgeschaltet sein. Auch sollen die gesammelten Belege keinerlei Informationen der Spitzel beinhalten. Allerdings waren die Länder bislang nicht bereit, das selbst zu bestätigen, schickten teils lieber ihre Verfassungsschutzchefs vor. Denn jedem dürfte bewusst sein, dass ein Scheitern des Antrages gewiss ist, sollten sich doch Spuren der V-Leute in den gesammelten Beweisen befinden.

Daneben gibt es aber auch noch eine Menge anderer Fallstricke, die einem Verbot der rechtsextremen Partei in die Quere kommen könnten — so wie etwa den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Dort könnte die NPD gegen ein Verbot klagen, sollten die Richter in Karlsruhe dies befürworten. Und die Maßstäbe für ein Parteiverbot sind an dem europäischen Gericht wesentlich höher als es im Grundgesetz bzw. in der früheren deutschen Rechtssprechung der Fall ist und war. Entsprechend skeptisch sind auch die Experten für ein solches Verbotsverfahren.

"Ich habe große Zweifel, ob es vernünftig ist, dieses Risiko einzugehen, sagte etwa der ehemalige Bundesverfassungsrichter Hans-Joachim Jentsch der "Mitteldeutschen Zeitung". Jentsche war 2003 Teil des Senats, an dem der erste Verbotsversuch scheiterte.

Soziologe: Es gibt bereits Ersatzstrukturen

Auch der Soziologe Klaus Dörre von der Universität Jena sieht ein Verbot zwiespältig. Einerseits sei dadurch zwar zu begrüßen, dass ein Rückzugsraum für militante Neonazis verschwinde, andererseits hätten sich bereits Ersatzstrukturen gebildet. Er verwies etwa auf die im Frühjahr gegründete Partei Die Rechte. Zudem bezweifelt Dörr, dass ein solches Verbot etwas daran ändern würde, dass der eine oder andere die NPD als normale Partei wahrnehme.

Der Düsseldorfer Rechtsextremismus-Experte Fabian Virchow warnt vor allem vor einem Alleingang der Länder. "Als politisches Signal ist es aber schon erheblich, ob der Vorstoß nur vom Bundesrat kommt oder auch von Bundesregierung und Bundestag. Innenminister Hans-Peter Friedrich sieht zudem die Gefahr, dass eine Partei wiederbelebt werde, die ohnehin am Boden liege. Zumal auch immer wieder davor gewarnt wird, dass es der Partei zugute käme, wenn man erneut in Karlsruhe scheitern würde.

Virchow allerdings sagt auch, dass der Druck hinsichtlich eines solchen Verfahrens inzwischen enorm sei. Denn in der Außenwirkung wäre es fatal, wenn man nach einem Jahr der Vorbereitung und Materialsammlung nun einen Rückzieher machen würde. "Die NPD würde das als vermeintlichen Belege für ihre Verfassungsfestigkeit nutzen." So, wie sie es wohl auch bei einem Scheitern eines Verbotsverfahrens täten.

mit Agenturmaterial

(das)
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