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Altkanzler empfiehlt Vertrauensfrage Merkel hat laut Schröder „ihren Zenit überschritten“

Berlin · Vor 13 Jahren drängte Angela Merkel ihren Rivalen Gerhard Schröder aus dem Amt. Exklusiv äußert sich der Altkanzler jetzt bei uns zur Situation der Regierungschefin nach dem geplanten Rückzug von der Parteispitze. Merkels Machtverlust sei dramatisch.

 Gerhard Schröder und Angela Merkel (Archiv).

Gerhard Schröder und Angela Merkel (Archiv).

Foto: afp, jd/bb

„Die Vertrauensfrage ist für jeden Kanzler eine Möglichkeit, Gefolgschaft zu erzwingen. Ich würde es an ihrer Stelle heute machen“, sagte Schröder unserer Redaktion.Die Kanzlerin habe „ihren Zenit überschritten“. Sie sei in der Europapolitik kaum noch in der Lage, für einen Aufbruch zu sorgen. „Die Kanzlerin hat ihre Verdienste, aber die Reform Europas traue ich ihr nicht mehr zu. Man weiß ja auch nicht, wie lange sie noch im Amt ist.“

Auch die Dinge in ihrer Partei habe Merkel nicht mehr im Griff, sagte der Altkanzler weiter. Der Verzicht auf das Parteiamt sei ein Fehler. Die Arbeitsteilung zwischen Bundeskanzleramt und Parteivorsitz könne in der SPD sinnvoll sein, in der CDU aber nicht. „Die CDU ist eine Partei, die auf Machterhalt setzt und sich danach ausrichtet. Da ist für einen Regierungschef der Parteivorsitz wichtig.“ Es bestehe nun „eine Gefahr von Neuwahlen“. Die Vertrauensfrage wäre auch ein Weg, die CSU in die Koalitionsdisziplin einzubinden.

Am Montagabend legte Schröder auf einer Podiumsdiskussion nach. „Ich sage ganz offen, dass ich davon ausgehe, dass wir im nächsten Jahr, spätestens im Frühsommer, Wahlen haben werden.“ Er rechne damit, dass Friedrich Merz der Nachfolger von Angela Merkel an der CDU-Spitze werde und Merkel ihre Kanzlerschaft unter einem CDU-Vorsitzenden Merz nicht fortführen könne. Damit sei aber auch die große Koalition am Ende. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass - naja - meine Partei alles aushalten kann." Er rechne daher mit Neuwahlen "spätestens im Frühsommer" nächsten Jahres.

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Foto: dpa, Patrick Seeger

Die Kandidatur von Merz für den CDU-Vorsitz halte er aber für rückwärtsgewandt. „Diese Kandidatur scheint ein bisschen aus der Zeit gefallen zu sein. Das wäre ja eine Rückkehr zur alten CDU mit rückwärtsgewandten Antworten auf die aktuellen Herausforderungen. Für die SPD wäre das gut. Wenn die CDU nach rechts rückt, ist Platz in der Mitte. Nur muss die SPD diesen Platz dann auch politisch ausfüllen wollen“, so Schröder.

Unterdessen haben die Spitzen von Union und SPD am Montag bekräftigt, dass sie die große Koalition fortsetzen wollen. Mit welchen Konzepten dies gelingen soll, ist bei der SPD offen. Bei der CDU ist unklar, welcher Parteichef künftig das fragile Bündnis zusammenhalten soll.

Nach Angaben von SPD-Chefin Andrea Nahles wird es zunächst keinen vorzeitigen Ausstieg ihrer Partei aus der großen Koalition geben. Dies sei bei einer zweitägigen Klausur der SPD-Führung kein Thema gewesen, sagte Nahles. Demonstrativ hatten sich  die Präsidiumsmitglieder für die Bilder der Fotografen hinter der angezählten Parteichefin versammelt. Man wolle Zusammenhalt in schwierigen Zeiten demonstrieren, hieß es. „Wir haben uns untergehakt“, sagte Nahles und erklärte, dass es keinen vorgezogenen Parteitag oder einen Sonderparteitag geben werde. Dies hatte zuletzt der linke Parteiflügel gefordert.

Die zunächst angekündigte beschleunigte Erneuerung der Partei ist damit wieder vom Tisch. Nahles konnte auch die aufkeimende Debatte um ihre Person als Parteichefin ersticken. Es soll nun beim bisherigen Zeitplan der SPD bleiben, erst im Herbst 2019 sowohl über die Halbzeitbilanz der großen Koalition zu entscheiden als auch die Parteispitze neu zu wählen.

Auch der Fahrplan, mit dem die SPD der Union Bedingungen für die Fortsetzung der großen Koalition stellen will, soll nun erst am 14. Dezember verabschiedet werden - also nach der Wahl des oder der neuen CDU-Vorsitzenden.

Nahles sagte, man wolle es jetzt wissen. Die SPD sei die politische Kraft, die wie keine andere für gesellschaftlichen Zusammenhalt stehe. Geht es nach Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil, wird seine Partei das Schlagwort des „gesellschaftlichen Zusammenhalts“  als Grundlage für das künftige Programm nehmen. Als konkrete Themen, bei denen die Sozialdemokraten gebraucht würden, nannte Nahles den Kampf gegen Kinderarmut, eine bessere Bezahlung von Pflegekräften, die Wohnungsnot in Großstädten und die Mindestrente. „Wir haben viel zu tun“, sagte sie. Die SPD müsse klarer in ihren Botschaften werden.

Zwei Stunden zuvor hatte Kanzlerin Angela Merkel bekräftigt, dass sie die Koalition fortführen möchte - unabhängig davon, wer künftig die CDU führt. Während der Vorstandsklausur habe man sich die Frage gestellt, ob die CDU die Koalition noch fortführen wolle. Diese Frage sei „einhellig mit Ja“ beantwortet worden, betonte die Kanzlerin.

Auf ihr Verhältnis zu Friedrich Merz angesprochen, der einst im Streit mit Merkel die Politik verlassen hatte, sagte die noch amtierende Parteichefin: „Ich habe keinen Zweifel daran, dass, wenn es sich ergibt, ich auch mit Friedrich Merz wie mit jedem andren Kandidaten oder Kandidatin gut zusammenarbeiten kann.“

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Foto: dpa/Michael Kappeler

Bislang gibt es mit CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer, Gesundheitsminister Jens Spahn und dem früheren Unionsfraktionschef Merz drei prominente Kandidaten für den Chefsessel in der CDU-Parteizentrale. Alle Kandidaten, die offiziell von einem CDU-Gremium nominiert werden, sollen sich zwischen Mitte November und Anfang Dezember bei insgesamt acht Regionalkonferenzen den CDU-Mitgliedern vorstellen können.

(mit Material der Nachrichtenagentur dpa)

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