Vor dem Bildungsgipfel Ein Gipfel gegen die Bildungsmisere

Berlin · An Deutschlands Schulen liegt vieles im Argen. Vertreter von Bund, Ländern, Kommunen, Wissenschaft und Zivilgesellschaft diskutieren über die Herausforderungen im Bildungssystem. Den „Bildungsgipfel“ hatte die Ampel im Koalitionsvertrag vereinbart, mit dem Ziel, sich auf eine bessere Kooperation zwischen Bund, Ländern und Kommunen zu verständigen. Was sind die Erwartungen an den Gipfel am Dienstag?

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) lädt zum Bildungsgipfel.

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) lädt zum Bildungsgipfel.

Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Ausgerechnet die Bundesbildungsministerin zeichnet ein düsteres Bild der aktuellen Lage: „Das deutsche Bildungssystem steckt in einer tiefen Krise, die uns alle betrifft“, sagte Bundesbildungsministerin  Bettina Stark-Watzinger (FDP) der „Bild am Sonntag“ und forderte tiefgreifende Reformen im Schul- und Bildungssystem. Ein Bildungsgipfel am Dienstag soll nun den Aufbruch schaffen. Vertreter von Ländern und Kommunen, Wissenschaft und Zivilgesellschaft kommen zum „Bildungsgipfel“ zusammen. Länder und Kommunen müssten endlich an einem Strang ziehen. „Ein Weiter-so darf es angesichts der dramatischen Befunde nicht geben“, forderte Stark-Watzinger.

Besonders bei der Digitalisierung an Schulen erwartet die Ministerin größere Anstrengungen: „Wir brauchen hier mehr Tempo.“ Von den fünf Milliarden Euro des Digitalpakts sei zwar schon viel verplant, aber noch zu wenig an den Schulen angekommen. Das liege auch an der zu bürokratischen Umsetzung, kritisierte die Bildungsministerin.

Zugleich bemängelte Stark-Watzinger, dass vielerorts Schulgebäude marode seien: „Es stimmt, dass die Schulen in Deutschland teilweise in einem schlimmen Zustand sind.“ Nicht nur bei der Digitalisierung gebe es Defizite, sondern auch in Bezug auf sanitäre Anlagen und Turnhallen. Der Investitionsstau müsse parallel zur Digitalisierung angegangen werden.

 Die Bundesregierung hatte einen solchen Bildungsgipfel bereits im Koalitionsvertrag vereinbart.  Verbesserungen im Bildungssystem werden oft wegen der verschiedenen Zuständigkeiten zwischen Bund, Ländern und Kommunen erschwert. Nach dem Treffen soll eine neue Arbeitsgruppe mit Vertretern aller Seiten und zusätzlichen Experten Vorschläge für eine bessere Zusammenarbeit erarbeiten.

SPD-Chefin Saskia Esken hat das Thema schon seit langem auf dem Zettel und verliert allmählich die Geduld. Sie erwarte von der Veranstaltung den „Startschuss“ für einen Bildungsaufbruch, sagte Esken unserer Redaktion. Die SPD-Vorsitzende hat auch gleich eine Botschaft im Gepäck für Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). „Kein Bekenntnis zwischen Bund, Ländern und Kommunen zur Kooperation kann aber überdecken, dass erhebliche Finanzmittel notwendig sind, um einen wirksamen und durchschlagenden Bildungsaufbruch zu organisieren“, betonte Esken. Und macht folgenden Vorschlag: Um der Größe und Bedeutung eines solchen gesamtstaatlichen Bildungsaufbruchs gerecht zu werden, könnte „beispielsweise ein Sondervermögen Bildung aufgelegt werden, im Volumen wären 100 Milliarden Euro durchaus angemessen und denkbar“, so die SPD-Vorsitzende. „Auf diesem Weg könnten Bund, Länder und Kommunen die Finanzierung der Gebäudesanierung, der zeitgemäßen Ausstattung über die Verstetigung des Digitalpakts, der Umsetzung des Rechtsanspruchs auf ganztägige Bildung in Betreuung in Kita und Grundschulalter sowie die Finanzierung der Daueraufgabe gleicher Startchancen organisieren.“

Das Sondervermögen für die Bundeswehr, im Rahmen der Zeitenwende-Rede zum Ukraine-Krieg von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) angekündigt, beträgt ebenfalls 100 Milliarden Euro. Diese Forderung aus der führenden Regierungspartei dürfte die Ampel-Koalition in ihrem aktuellen Haushaltsstreit sicher noch beschäftigten.

Esken betonte auch, dass sie den Bildungsgipfel nicht grundsätzlich institutionalisieren wolle. „Wir sind uns einig, dass es in der Bildung eine bessere Kooperation von Bund, Ländern und Kommunen braucht. Ein neues Gremium ist dafür aber nicht nötig. Stattdessen sollte die Zusammenarbeit in der Kultusministerkonferenz verbessert und reformiert werden“, erklärte die SPD-Politikerin.

Auch die Opposition fordert einen Neustart bei der Bildung und ein Sondervermögen. „Der Gipfel wird die Probleme bei der Bildung nicht lösen, wenn jetzt nicht endlich mal richtig Geld in die Hand genommen wird. Sollte Ministerin Stark-Watzinger glaubhaft die Interessen derer vertreten, die gerade unter dem maroden Bildungssystem leiden, dann sollte sie sich zuallererst gegenüber dem Finanzminister gerade machen. Mit einer vernünftigen Steuerpolitik muss die Bundesregierung dafür zu sorgen, dass die Länder ihren Aufgaben überhaupt nachkommen können“, sagte die Parteivorsitzende der Linken, Janine Wissler, unserer Redaktion. Die Linke fordere ein Sondervermögen für eine Bildungsoffensive. Damit könnten Schulen und Hochschulen saniert und vernünftig und auf dem aktuellen Stand der Technik ausgestattet werden, sagte Wissler weiter. Bundesweit müssten 100 000 neue Lehrkräfte und 200 000 Erzieherinnen und Erzieher zusätzlich ausgebildet und eingestellt werden. Wissler betonte, die Lage sei dramatisch und „die Ampel darf sich nicht weiter wegducken und auf die Zuständigkeit der Länder verweisen“.

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