Griechenland droht der Staatsbankrott Euro-Entscheidung fällt im September

Berlin · Selbst im Urlaub kämpfen Kanzlerin und Finanzminister gegen die Krise. Nach der Sommerpause stehen zentrale Entscheidungen an. Im September droht Griechenland der Staatsbankrott, in Deutschland urteilt das Verfassungsgericht über die Europa-Politik der Kanzlerin.

Es ist die Ruhe vor dem Sturm. Bundeskanzlerin Angela Merkel wandert in diesen Tagen mit ihrem Ehemann Joachim Sauer durch die Berge Südtirols, Finanzminister Wolfgang Schäuble fährt Handbike auf Sylt. Es ist wie jedes Jahr. Merkel im Süden, Schäuble im Norden. Doch die Euro-Krise macht keinen Urlaub — und so müssen beide immer wieder eingreifen. Am Samstag telefonierte die Kanzlerin mit Italiens Ministerpräsident Mario Monti. Heute empfängt Wolfgang Schäuble den amerikanischen Finanzminister Timothy Geithner auf Sylt.

Und wenn die beiden wichtigsten deutschen Protagonisten der Euro-Krise Ende August zurück nach Berlin kommen, stehen sie vor den wohl schwierigsten Entscheidungen ihrer bisherigen Amtszeit. Die Zukunft der Euro-Zone könnte sich in wenigen Tagen im September entscheiden.

So wollen Anfang September die Finanzkontrolleure von EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank ("Troika") letztmals die Fortschritte der griechischen Regierung bei der Umsetzung der Reformen prüfen und abschließend bewerten. Von dem Votum der Vertreter der Geldgeber hängt es ab, ob das überschuldete Land die dringend nötige Finanzspritze von 12,5 Milliarden Euro bekommt, um eine Staatspleite abzuwenden. Sollte die Troika — wie in EU-Kreisen erwartet wird — ein negatives Urteil fällen, bleibt Athen wohl nur der Austritt aus der Euro-Zone. Eine zehnköpfige Task-Force der Europäischen Union unter Beteiligung des Bundesfinanzministeriums arbeitet bereits einen Plan aus, wie die Umstellung der griechischen Währung vollzogen werden könnte. Kanzlerin Merkel soll das Auseinanderbrechen der Euro-Zone zwar weiterhin ablehnen, weil sie die Wetten der Finanzmärkte auf die Pleite weiterer europäischer Krisenstaaten fürchtet. Doch sowohl Finanzminister Schäuble als auch die Koalitionspartner CSU und FDP haben die Geduld mit Griechenland verloren. Ein erneutes Milliardenhilfspaket für Griechenland, so viel weiß auch die CDU-Kanzlerin, würde in ihrer Koalition keine Mehrheit finden.

Zu wenig hat Athen bislang von den Reform- und Sparvorgaben der Geldgeber umgesetzt. Das Vertrauen der Bundesregierung in den konservativen Ministerpräsidenten Antonis Samaras ist zudem überschaubar. Sollte Athen aus dem Euro aussteigen — das Land müsste selbst einen Antrag stellen — erwarten Experten einen massiven Wirtschaftseinbruch und neue Armut. Auch soziale Unruhen sind möglich. In einem solchen Fall plant die EU, Athen mit Milliarden aus den Struktur- und Regionalfonds zu stützen, um den Konjunktureinbruch abzudämpfen. Linken-Chef Berrnd Riexinger spricht schon von Nahrungspaketen, die die EU nach Griechenland schicken müsste. Die dortige Wirtschaft schrumpft aktuell um sechs Prozent, jeder vierte Grieche ist ohne Job. Die Wohlhabenden haben ihre Vermögen, oft unversteuert, ins Ausland geschafft. In EU-Kreisen wird bereits offen von einem "failed state" — einem gescheiterten Staat ohne Verwaltung und Ordnung — gesprochen.

Die Konsequenzen für Deutschland halten manche Ökonomen indes für überschaubar. Deutschland müsste auf die Rückzahlung der Hilfskredite in Höhe von etwa 80 Milliarden Euro warten. Doch die meisten Banken und Unternehmen haben ihre Griechenland-Engagements in den vergangenen eineinhalb Jahren abgeschrieben. Selbst die Bundesbank hält einen Austritt Athens ("Grexit") für verkraftbar.

Ob die Hellas-Operation überhaupt gelingt, hängt aber von zwölf Richtern in Karlsruhe ab. Das Verfassungsgericht will am 12. September über den permanenten Rettungsschirm ESM entscheiden. Mehrere Kläger, darunter die Freie Wählergemeinde, Ex-Justizministerin Herta Däubler-Gmelin und der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler haben Klage gegen den mit 500 Milliarden Euro an Hilfskrediten für Krisenländer ausgestatteten Fonds eingelegt. Sie bemängeln, dass der Fonds die Budgethoheit und Souveränität der nationalen Parlamente bricht. Aber nur wenn Karlsruhe den ESM billigt und der Rettungsfonds in Kraft tritt, wäre ein Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone überhaupt denkbar, heißt es in Regierungskreisen. Der ESM könnte die möglichen Turbulenzen nach einem Ausscheiden Athens abfangen. Spanien gilt als erster Anwärter für die Milliardenhilfen aus dem ESM.

Als wenn das nicht genug wäre, steht abseits der Euro-Zone noch ein anderes europäisches Land am Rande des Bankrotts. Die öffentlichen Kassen Serbiens sind leer, so dass im September Renten- und Gehaltszahlungen nicht mehr möglich sein könnten, warnte unlängst der Finanzminister. Der Währungsfonds soll ebenso wie bei den Euro-Krisenstaaten einspringen. Es scheint fast, als stünde das Überleben Europas im September auf der Tagesordnung.

(brö)
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