Krise in Nahost Iran greift zwei US-Stützpunkte im Irak an

Teheran · Der Iran hat Raketen auf zwei von Amerikanern genutzte Stützpunkte im Irak abgefeuert. Der iranische Außenminister spricht von einem „Akt der Selbstverteidigung“, US-Präsident Trump twittert „Alles ist gut!“. Die Angst vor einer Eskalation wächst.

 Dieses Bild aus einem TV-Video zeigt nach iranischen Angaben Raketen, die vom Iran auf US-Ziele im Irak abgeschossen wurden.

Dieses Bild aus einem TV-Video zeigt nach iranischen Angaben Raketen, die vom Iran auf US-Ziele im Irak abgeschossen wurden.

Foto: AFP/HO

Ein iranischer Vergeltungsangriff auf US-Soldaten im Irak schürt die Angst vor einer weiteren Eskalation und einem möglichen neuen Krieg im Nahen Osten. Die vom US-Verteidigungsministerium bestätigten Attacken auf die amerikanisch genutzten Militärstützpunkte Ain al-Assad im Zentrum des Iraks und eine Basis in der nördlichen Stadt Erbil in der Nacht zum Mittwoch gelten als Revanche für die Tötung des iranischen Top-Generals Ghassem Soleimani durch einen US-Luftschlag. US-Präsident Donald Trump kündigte an, sich am Mittwochmorgen äußern zu wollen. „Alles ist gut!“, schrieb er auf Twitter. Derzeit würden mögliche Opfer und Schäden bewertet.

„So weit so gut!“, fügte Trump hinzu. „Wir haben das stärkste und am besten ausgestattete Militär überall auf der Welt, bei weitem!“. Zuvor waren im Weißen Haus die wichtigsten Minister von Trump zu einer Krisensitzung zusammengekommen. Trump hatte Teheran am Dienstag - vor den Attacken - für den Fall eines Angriffs mit „sehr starken“ Konsequenzen gedroht. Im Nordirak stationierte deutsche Soldaten blieben bei dem Raketenangriff laut der Bundeswehr unversehrt.

Am Mittwochmorgen wurde zudem bekannt, dass in der Nähe des Flughafens Teheran ein ukrainisches Passagierflugzeug abgestützt ist. Ein Zusammenhang besteht aber offenbar nicht. Sowohl iranische Behörden als auch die ukrainische Botschaft sprechen von einem Triebwerksschaden. Bei dem Unglück starben alle 176 Insassen.

Irans Außenminister Mohammed Dschawad Sarif sprach auf Twitter von einem „Akt der Selbstverteidigung“. „Wir streben nicht nach einer Eskalation oder Krieg, aber wir werden uns gegen jede Aggression verteidigen“. Der Iran habe „verhältnismäßige Maßnahmen zur Selbstverteidigung ergriffen und abgeschlossen“. Sarif bezog sich dabei auf Artikel 51 der UN-Charta. Dieser beschreibt das Recht auf Selbstverteidigung im Falle eines bewaffneten Angriffs auf ein Mitgliedsland der Vereinten Nationen.

Die iranischen Revolutionsgarden teilten mit, bei der „Operation Märtyrer Soleimani“ sei der mit 35 Raketen attackierte Luftwaffenstützpunkt Ain al-Assad „vollständig zerstört“ worden. Der Angriff mit ballistischen Boden-Boden-Raketen auf die „von den Amerikanern besetzte“ Basis sei „in jeder Hinsicht ein voller Erfolg“.

 Der amerikanisch genutzte Militärstützpunkte Ain al-Assad im Zentralirak (Archivbild).

Der amerikanisch genutzte Militärstützpunkte Ain al-Assad im Zentralirak (Archivbild).

Foto: dpa/Khalid Mohammed

Zwar hatten örtliche schiitische Milizen, die vom Iran unterstützt werden, die US-Stützpunkte im Irak zuletzt häufiger mit technisch einfacheren Raketen angegriffen. Ein direkter Angriff aus dem Iran markiert jedoch eine neue Eskalationsstufe im Konflikt zwischen den USA und dem Iran. Die amerikanische Luftfahrtbehörde FAA untersagte US-Flugzeugen die Nutzung des Luftraums in Teilen des Nahen Ostens „wegen erhöhter militärischer Aktivitäten“.

Durch die Raketenangriffe im Irak sind nach Angaben der irakischen Armee keine ihrer Soldaten getötet worden. Insgesamt seien in der Nacht zum Mittwoch 22 Raketen in zwei internationalen Truppenstützpunkten eingeschlagen, teilte das Militär mit. Zwischen 1.45 Uhr und 2.15 Uhr (Ortszeit, 23.45 und 0.15 Uhr) seien 22 Raketen im Irak eingeschlagen, "17 auf der Luftwaffenbasis Ain a-Assad und fünf in Erbil". "Es gab keine Opfer unter den irakischen Soldaten", fügte die Armee hinzu. Zu möglichen Opfern unter den internationalen Truppen äußerte sie sich nicht.

Die Basis in Ain al-Assad ist die größte Luftwaffenbasis im Irak, auf der US-Soldaten stationiert sind. Nach US-Angaben gab es zunächst weder in Ain al-Assad noch in Erbil Hinweise auf Todesopfer unter den US-Streitkräften.

Die in Erbil stationierten Bundeswehrsoldaten blieben unverletzt. Den dortigen deutschen Soldaten "geht es gut", sagte ein Sprecher des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr.

Großbritanniens Außenminister Dominic Raab brachte unterdessen seine Sorge angesichts von "Berichten über Opfer" zum Ausdruck. Er verurteilte die Attacke auf internationale Militärstützpunkte im Irak, auf denen auch britische Kräfte stationiert seien.

Reaktion der Bundesregierung

Die Bundesregierung verurteilte den iranischen Vergeltungsangriff auf US-Stützpunkte im Irak scharf. „Ich kann nur sagen, sicherlich im Namen der Bundesregierung, dass wir diese Aggression auf das Schärfste zurückweisen“, sagte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) am Mittwoch im ARD-„Morgenmagazin“. Jetzt müsse alles getan werden, um die Lage zu beruhigen.

„Es wird jetzt entscheidend darauf ankommen, dass wir diese Spirale sich nicht weiter nach oben drehen lassen“, betonte Kramp-Karrenbauer. Die Bundesregierung werde dazu alle Möglichkeiten auf allen Kanälen nutzen. „Es ist jetzt vor allem an den Iranern, keine zusätzliche Eskalation zu betreiben, deswegen geht der Appell insbesondere noch einmal nach Teheran.“

Die Ministerin bestätigte, dass bei den iranischen Raketenangriffen auf US-Stützpunkte im Irak keine deutschen Soldaten verletzt wurden. Nach ihren Angaben stand die Bundesregierung während der ganzen Nacht im Kontakt mit dem US-Verteidigungsministerium. „Das hat sehr gut funktioniert“, sagte sie. Am Mittwochmorgen seien die zuständigen Abgeordneten im Bundestag informiert worden.

Das Bundesverteidigungsministerium werde nun beantragen, dass die 13 Rahmennationen der internationalen Koalition schnellstmöglich zusammenkämen, um über die weitere Situation zu beraten.

Warnung vor Gegenangriffen

Die Revolutionsgarden warnten direkt nach den Attacken den „großen Satan“ USA vor Gegenangriffen. Jede US-Reaktion werde mit einer härteren Reaktion erwidert, teilte die Eliteeinheit der iranischen Streitkräfte in einer Presseerklärung mit. Außerdem sollten die Verbündeten der USA wissen, dass auch ihre den Amerikanern zur Verfügung gestellten Stützpunkte Ziel iranischer Angriffe werden könnten, falls von dort aus Angriffe auf den Iran erfolgen sollten, hieß es in der Erklärung weiter. Die USA sollten ihre Truppen abziehen, damit deren Leben nicht gefährdet werde.

Den in Erbil stationierten deutschen Bundeswehr-Kräften ist einem Sprecher zufolge dabei nichts passiert. „Wir stehen in Kontakt mit den Soldaten. Den Soldaten geht es gut“, sagte ein Sprecher des Einsatzführungskommandos in Potsdam am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. Zu den weiteren Folgen der iranischen Raketenangriffe konnte der Bundeswehrsprecher keine Angaben machen. „Uns geht es zunächst um die Sicherheit der Soldaten“, sagte er. Im Zentral-Irak sind nach dem jüngsten Abzug keine deutschen Soldaten mehr stationiert.

In dem nordirakischen Kurdengebiet sind noch mehr als 100 deutsche Soldaten im Einsatz. Sie haben ihre Sicherheitsmaßnahmen verschärft. Die Bundeswehr ist im Irak als Teil der internationalen Koalition gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Insgesamt sind etwa 400 Soldaten im Einsatz, die meisten davon auf der jordanischen Luftwaffenbasis Al-Asrak. Von dort wird auch das deutsche Kontingent geführt.

In den USA warnte die Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, unterdessen vor einer kriegerischen Eskalation: „Amerika und die Welt können sich keinen Krieg leisten“, schrieb sie. Der einflussreiche US-Senator und Trump-Verbündete Lindsey Graham sprach derweil von einem „kriegerischen Akt“ des Iran.

Im Irak sind rund 5000 US-Soldaten stationiert, die ein internationales Militärbündnis zum Kampf gegen die Terrormiliz IS anführen. „Wir arbeiten an ersten Einschätzungen der Schäden“, erklärte das Pentagon nach den Angriffen. Zu möglichen Opfern machte das US-Militär zunächst keine Angaben. „Diese Stützpunkte sind wegen Hinweisen auf geplante Angriffe des iranischen Regimes auf unsere Truppen und Interessen in der Region in hoher Alarmbereitschaft gewesen“, hieß es aus Washington.

Soleimani war in der Nacht zum Freitag von US-Drohnen in der irakischen Hauptstadt Bagdad getötet worden. Washington erklärte danach, der Chef der Al-Kuds-Einheiten habe Angriffe auf US-Bürger geplant. Soleimani war der wichtigste Vertreter des iranischen Militärs im Ausland. Er galt als Architekt der iranischen Militärstrategie in den Nachbarländern. Im Iran wird er nun als Märtyrer verehrt.

Mehrere Fluggesellschaften überfliegen Iran und Irak nicht mehr

Die Lufthansa überfliegt den Iran und den Irak aufgrund der aktuellen Spannungen bis auf weiteres nicht mehr. Entsprechende Routenumleitungen werden sich auf die Dauer betroffener Flüge auswirken, sagte ein Sprecher am Mittwoch, Details stünden noch nicht fest. Die Airline strich außerdem ihren für Mittwoch geplanten Flug von Frankfurt nach Teheran sowie eine für Samstag angesetzte Verbindung nach Erbil.

"Wir müssen natürlich in den nächsten Stunden entscheiden, wie wir dann morgen verfahren", sagte der Sprecher mit Blick auf die tägliche Verbindung in die iranische Hauptstadt Teheran und andere Flüge in der Region. Nach den iranischen Raketenangriffen auf Militärstützpunkte im Irak strich am Mittwoch auch die französische Fluggesellschaft Air France als "Vorsichtsmaßnahme" bis auf weiteres Überflüge des Iran und des Irak.

Auch KLM fliegt nach Angaben niederländischer Medien nicht mehr über den Irak und den Iran. KLM meide den Luftraum „bis auf Weiteres“, sagte ein Airline-Sprecher der Zeitung „NRC Handelsblad“. Die Entscheidung sei nach dem iranischen Raketenangriff auf eine von US-Truppen genutzte Luftwaffenbasis im Irak gefallen. Flüge mit Zielen in Südost-Asien und dem Mittleren Osten, die normalerweise über diese Länder fliegen, würden umgeleitet. Das verursache zehn bis zwölf Minuten Verspätung, zitierte der Rundfunksender NOS einen KLM-Sprecher.

(jco/dpa/AFP)
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