Kooperation mit Behörden Richter verschiebt Urteil gegen Trumps Ex-Sicherheitsberater Flynn

Washington · Die Staatsanwälte hatten dafür plädiert, dass Flynn trotz seiner Lüge nicht ins Gefängnis muss, weil er bei den Russland-Ermittlungen geholfen hat. Doch der Richter deutet an: Trumps Ex-Berater muss mehr tun, um straffrei davonzukommen.

Es war ein dramatischer Tag vor Gericht, und er endete mit einer Überraschung. Wäre es nach Robert Mueller gegangen, dem Sonderermittler der Russlandaffäre, wäre Michael Flynn eine Haftstrafe definitiv erspart geblieben. Nun aber muss Donald Trumps einstiger Sicherheitsberater noch einmal zittern: Statt wie erwartet eine Entscheidung zu treffen, ließ der zuständige Richter am E. Barrett Prettyman Courthouse in Washington das Verfahren am Dienstag in die Verlängerung gehen. Frühestens in drei Monaten ist nun mit der Urteilsverkündung zu rechnen.

Flynn habe eine „sehr schwere“ Straftat begangen, befand Emmet Sullivan und fügte hinzu, dass er seine Abscheu nicht verbergen wolle. Während Flynn als Nationaler Sicherheitsberater gedient habe, habe er zugleich einer ausländischen Macht als Agent gedient. „Dies untergräbt alles, wofür diese Flagge hier steht. Offenbar haben Sie ihr Land verkauft“, sagte der Richter mit Blick auf das Sternenbanner unter Anspielung auf Lobbydienste, für die sich Flynn von der Türkei fürstlich bezahlen ließ, auch dann noch, als er bereits zum Kreis der engsten Vertrauten um den Wahlsieger Trump gehörte. Mueller hatte empfohlen, den ehemaligen Dreisternegeneral nicht mit Gefängnis zu bestrafen. Flynn habe die Nachforschungen zu der Frage, ob Trump 2016 geheime Absprachen mit der russischen Regierung traf, durch seine Aussagen so wesentlich unterstützt, dass von Freiheitsentzug abgesehen werden sollte, lautete seine Empfehlung. Sullivan sah das anders. Er könne ein Urteil ohne Freiheitsstrafe nicht garantieren, betonte er, bevor er nach Absprache mit Flynns Anwälten einen Aufschub um mindestens 90 Tage verfügte. Der 60-Jährige hat mit bis zu sechs Monaten Haft zu rechnen.

Wie auch immer der Richter am Ende urteilt, der Absturz eines einst zum Helden verklärten Generals ist ein denkwürdiges Kapitel. In Afghanistan und im Irak hatte sich Flynn den Ruf erworben, ein einfallsreicher, hochintelligenter Stratege des Kampfes gegen Terroristen zu sein. Er verstand sich darauf, extremistische Netzwerke aufzuspüren und aufzudröseln. Zurückgekehrt in die USA, gefeiert als Genie, wurde er 2012 von Barack Obama zum Direktor der Defense Intelligence Agency, des Militärgeheimdiensts, befördert. Und zwei Jahre darauf bereits wieder entlassen, da er ständig bei seinen politischen Vorgesetzten im Weißen Haus aneckte.

Es war wohl das Schlüsselerlebnis, das aus dem nüchternen Analytiker einen Anhänger abstruser Verschwörungstheorien werden ließ. Barack Hussein Obama sei nicht als Amerikaner aufgewachsen, palaverte er nach seinem Rauswurf und warf dem Präsidenten vor, den Kampf gegen Islamisten zu hintertreiben. Offenbar aus Verbitterung verbündete er sich mit der „Birther“-Bewegung, die – eine Zeit lang angeführt von Donald Trump - das Gerücht in die Welt setzte, Obama sei nicht auf Hawaii geboren, sondern in Kenia oder Indonesien, weshalb er gar nicht im Oval Office sitzen dürfte. 2015 traf sich Flynn erstmals mit Trump. Während das konservative Establishment zunächst einen Bogen um den schrillen Immobilientycoon machte, gehörte er zu jener überschaubaren Riege einstmals anerkannter Experten, die das Getöse des Reality-TV-Stars mit inhaltlicher Substanz untermauern sollten. Doch statt Trump zu bremsen, spitzte er dessen populistische Rhetorik bisweilen noch zu.

Einmal behauptete Flynn, an der mexikanischen Grenze arabisch beschriftete Schilder gesehen zu haben, die radikalisierten Muslimen den Weg nach Texas weisen sollten. Auf dem Parteitag in Cleveland, wo die Republikaner Trump offiziell zu ihrem Präsidentschaftskandidaten kürten, führte er den Chor derer an, die Hillary Clinton wegen ihres Umgangs mit dienstlichen E-Mails hinter Gittern sehen wollten. „Sperrt sie ein!“, rief er, ein ums andere Mal, am Rednerpult. Es war, moralisch betrachtet, der Tiefpunkt seiner Karriere. Zugleich war es der Moment, in dem er seine Position im Umfeld Trumps untermauert haben dürfte.

Flynn nutzte wiederum sein Comeback, um viel Geld zu verdienen. Mit dem kalifornischen Geschäftsmann Bijan Rafiekian gründete er die Flynn Intel Group, darauf spezialisiert, Lobbyarbeit für ausländische Kunden zu betreiben. Von Ekin Alptekin, einem eng mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan verbandelten Unternehmer, kassierte die Firma 530 000 Dollar für einen Publicity-Feldzug, der die Auslieferung Fethullah Gülens erreichen sollte. Nachdem Erdogan dem seit 1999 im Exil lebenden Geistlichen vorgeworfen hatte, einen Putsch gegen ihn angezettelt zu haben, griff Flynn die Forderung in wortstarken Meinungsbeiträgen auf. Gülen, schrieb er in „The Hill“, einer Insider-Zeitung, die zur Pflichtlektüre amerikanischer Kongressabgeordneter gehört, sei ein „zwielichtiger islamischer Mullah, der in Pennsylvania residiert“. Auch die russische Regierung schien sich einiges zu versprechen von Flynns Kontaktnetzwerk. 2015 zahlte sie ihm 33 750 Dollar, damit er zu einer Gala des Senders Russia Today nach Moskau reiste. Dort saß er im Smoking neben dem Präsidenten Wladimir Putin.

   Nach dem Wahlsieg belohnte Trump den Generalleutnant a.D. für seine Dienste, indem er ihn als Nationalen Sicherheitsberater ins Weiße Haus holte. Schon nach 24 Tagen allerdings musste Flynn zurücktreten, nachdem bekannt geworden war, dass er unter anderem das FBI über seine Gespräche mit dem russischen Botschafter in Washington belogen und damit eine Straftat begangen hatte. Danach bedrängte Trump den damaligen FBI-Direktor James Comey, er möge von Nachforschungen gegen Flynn absehen. Comey weigerte sich, worauf er bald seinen Hut nehmen musste. Daraufhin erst wurde Mueller als Sonderermittler der Russlandakte eingesetzt.

(mja/ap)
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