Kurden-Deal mit Assad Syrien schickt Truppen wegen türkischer Offensive in den Norden

Beirut · Nach dem Rückzug der USA aus Nordsyrien greift dort Chaos um sich. Der türkische Einmarsch treibt die Kurden in die Arme der Assad-Führung, die nun Truppen schickt. Und Hunderten IS-Anhängern gelingt offenbar die Flucht aus einem Lager.

 Ein Scharfschütze der syrischen Nationalarmee.

Ein Scharfschütze der syrischen Nationalarmee.

Foto: dpa/Anas Alkharboutli

Angesichts vorrückender türkischer Truppen in Nordsyrien sind die Kurden eine ungewöhnliche Allianz mit der Regierung von Präsident Baschar al-Assad eingegangen. Die Führung in Damaskus schickte im Rahmen der Einigung mit den Kurden bereits Truppen in die Region, um die türkische Offensive abzuwehren, wie das syrische Staatsfernsehen berichtete. Aus dem Norden ziehen sich unterdessen laut Pentagonchef Mark Esper auf Geheiß von Präsident Donald Trump die US-Soldaten zurück. Verschärft wurde die chaotische Lage im Norden Syriens durch den mutmaßlichen Ausbruch Hunderter IS-Anhänger und deren Familien aus einem Lager.

Trumps Rückzugsbefehl von vergangener Woche hatte ihm scharfe Kritik in den USA und aus dem Ausland eingetragen. Wiederholt wurde der Vorwurf des Verrats an den syrischen Kurden laut, die seit 2014 an der Seite der USA die Terrormiliz Islamischer Staat bekämpften. Sie sind mit einer Offensive der Türkei konfrontiert, die die Kurden als Terroristen ansieht.

In den vergangenen fünf Tagen rückten türkische Truppen und deren Verbündete in Städte und Dörfer in Nordsyrien vor und lieferten sich Gefechte mit kurdischen Kämpfern. Die Zahl der Toten stieg. Laut den Aktivisten der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte und Vertretern der syrischen Kurden kamen am Sonntag bei türkischen Luftangriffen auf einen Konvoi in der Grenzstadt Ras al-Ain neun Menschen um, darunter fünf Zivilisten. Auf Bildern waren auf Straßen liegende Leichen zu sehen, einige der Getöteten trugen offenbar Waffen.

Nach türkischen Angaben sind seit Beginn der Offensive am Mittwoch 440 kurdische Kämpfer getötet worden. Die syrisch-kurdischen Kräfte sprechen von 56 Toten in ihren Reihen. Ankara gab die Zahl ihrer getöteten Soldaten mit vier an, zudem seien 16 verbündete syrische Kämpfer umgekommen. Mehr als 130 000 Menschen wurden durch die türkische Offensive vertrieben.

Amerikanische Soldaten sind derweil auf dem Rückzug. Grund sei die wachsende Gefahr, dass sie ins Kreuzfeuer zweier rivalisierender und vorrückender Armeen geraten könnten, sagte Pentagonchef Esper im US-TV-Sender CBS. Dies sei eine „sehr untragbare Situation“. Wie viele Militärangehörige sich zurückziehen oder wo sie hingehen sollen, sagte Esper nicht. Doch gehörten sie den 1000 US-Soldaten an, die im Bürgerkriegsland stationiert sind.

Erst am Sonntag twitterte Trump: „Sehr klug, sich zur Abwechslung nicht in die intensiven Kämpfe entlang der türkischen Grenze einzumischen. Jene, die uns irrtümlich in die Kriege im Nahen Osten hineingezogen haben, dringen noch immer darauf, zu kämpfen. Sie haben keine Ahnung, was für eine schlechte Entscheidung sie getroffen haben.“

Nach dem Rückzug der USA aus der Region haben die kurdischen Kämpfer kaum Optionen, ihr Hilferuf an die Assad-Regierung kam daher nicht überraschend. Eine Rückkehr der syrischen Armee in den Norden dürfte die Gemengelage im langjährigen Bürgerkrieg dramatisch verändern und Assads Macht über das zerrüttete Land festigen. Die USA geben zudem ihre Präsenz in einer Gegend auf, in der nun Russland und vom Iran gestützte Milizen an Einfluss gewinnen dürften. Moskau gilt als enger Verbündeter der Assad-Führung, zuletzt hatten Vertreter Russlands Vorgespräche zwischen Kurden und Damaskus eingefädelt.

Offen ist mit dem US-Rückzug auch, was mit den kurdisch betriebenen Haftlagern geschieht, wo Tausende IS-Gefangene - darunter mehr als 2000 ausländische Kämpfer - einsitzen. Erst am Sonntag erreichten heftige Kämpfe ein mit rund 12 000 Menschen besetztes Camp für Vertriebene in Ein Eissa, rund 35 Kilometer südlich der Grenze zur Türkei. 785 IS-Anhänger hätten Wächter attackiert, die Tore gestürmt und seien geflohen, teilte die kurdische Regionalregierung mit. Die Angaben ließen sich zunächst nicht bestätigen.

(lukra/dpa)
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