Zivilisten im Kriegseinsatz Ukrainer spionieren russische Truppen mit Hobby-Drohnen aus

New York · In der Ukraine gibt es eine große Gemeinde von Privatleuten, die sich mit Drohnen auskennt. Viele wollen damit nun bei der Verteidigung ihres Landes helfen. Doch bei solchen Einsätzen besteht die Gefahr einer Ortung.

 Blick auf die Kamera einer Drohne des Herstellers DJI.

Blick auf die Kamera einer Drohne des Herstellers DJI.

Foto: dpa-tmn/Alexander Prautzsch

 In besseren Zeiten ließen ukrainische Fans von Drohnen ihre Geräte in den Himmel steigen, um Hochzeiten zu fotografieren, Sojafelder zu düngen oder um zum Spaß gegen andere Drohnen anzutreten. Jetzt riskieren einige ihr Leben, indem sie eine freiwillige Drohnentruppe bilden. Sie wollen ihrem Land bei der Abwehr der russischen Invasion helfen.

„Kiew braucht dich und deine Drohne in diesem Moment des Zorns“, hieß es Ende vergangener Woche in einem Facebook-Post des ukrainischen Militärs, in dem die Bürger aufgerufen wurden, Hobbydrohnen zu spenden und sich als erfahrene Piloten für den Betrieb der Drohnen zur Verfügung zu stellen. Taras Troiak, der in der Hauptstadt ein Einzelhandelsgeschäft für Drohnen betreibt, sagte, dass er seinen gesamten Bestand von etwa 300 Drohnen darauf zur Verfügung gestellt habe. Andere arbeiten daran, weitere Drohnen von Freunden und Kollegen in Polen und anderen europäischen Ländern über die Grenze zu bringen.

„Warum tun wir das? Wir haben keine andere Wahl. Dies ist unser Land, unser Zuhause“, sagte Denis Suschko, Leiter des Kiewer Unternehmens für industrielle Drohnentechnologie DroneUA, das vor dem Krieg Landwirten und Energieunternehmen Drohnendienste anbot. Vergangene Woche floh Suschko aus seinem Haus, nachdem seine Familie vor einer Explosion in der Nähe Schutz suchen musste. Er sprach am Freitag per Telefon und SMS mit der Nachrichtenagentur AP. Für einen besseren Empfang war er zuvor auf einen Baum geklettert. „Wir versuchen alles zu nutzen, was zum Schutz unseres Landes beitragen kann, und Drohnen sind ein großartiges Instrument, um Echtzeitdaten zu erhalten“, sagte er. „In der Ukraine bleibt niemand gleichgültig. Jeder tut, was er kann.“

Im Gegensatz zu den viel größeren Kampfdrohnen aus türkischer Produktion, die die Ukraine in ihrem Arsenal hat, sind handelsübliche Drohnen als Waffen nicht viel wert - aber sie können ein leistungsfähiges Aufklärungsinstrument sein. Zivilisten haben die Luftkameras eingesetzt, um russische Konvois zu verfolgen und die Bilder und GPS-Koordinaten an die ukrainischen Truppen weiterzuleiten. Einige der Geräte verfügen über Nachtsichtgeräte und Wärmesensoren.

Aber es gibt eine Kehrseite: Die chinesische Firma DJI, der führende Anbieter von Verbraucherdrohnen in der Ukraine und auf der ganzen Welt, kann den Standort eines unerfahrenen Drohnenführers leicht ermitteln, und niemand weiß, was das Unternehmen mit diesen Daten anfangen könnte. Das macht einige Freiwillige unruhig. DJI hat es abgelehnt, Einzelheiten darüber zu erörtern, wie das Unternehmen auf den Krieg reagiert hat. „DJI stellt seine Produkte ausschließlich für den zivilen Gebrauch her, und wir bedauern jegliche Verwendung unserer Produkte, um Schaden anzurichten“, schrieb Unternehmenssprecher Adam Lisberg in einer Email. „Aber genau wie die Hersteller von Pickups oder Mobiltelefonen können wir nicht kontrollieren, wie sie letztendlich genutzt werden.“

In der Ukraine gibt es eine florierende Gemeinde von Drohnenexperten, von denen einige an der Nationalen Luftfahrtuniversität oder an der Polytechnischen Universität Kiew ausgebildet wurden und anschließend lokale Drohnen- und Robotik-StartUps gründeten. Diese Experten haben nun erklärt, dass sie alles tun, um Besitzern von Drohnen beizubringen, wie sie ihren Aufenthaltsort schützen können. „Es gibt eine Reihe von Tricks, mit denen man das Sicherheitsniveau bei der Verwendung von Drohnen erhöhen kann“, sagt Denis Suschko.

Eine von Taras Troiak verwaltete öffentliche Facebook-Gruppe, die sich mit Drohnen beschäftigt, zählt mehr als 15.000 Mitglieder. Sie tauschen jetzt Tipps zur Unterstützung der ukrainischen Truppen aus. Ein Fotograf erklärte der AP, er habe beschlossen, seine Drohne dem Militär zu spenden anstatt sie selbst zu fliegen. Er und andere baten darum, nicht namentlich genannt zu werden, da sie um ihre Sicherheit fürchten.

„Das Risiko für zivile Drohnenbetreiber in der Ukraine ist immer noch groß“, sagte Mike Monnik, ein australischer Sicherheitsexperte für Drohnen. „Wenn man den Standort des Betreibers ausfindig macht, könnte es zu einem gezielten Raketenbeschuss kommen.“ Einige in der Szene hätten bereits Erfahrung mit dem Einsatz in Konfliktgebieten, da das Land seit langem im Konflikt mit den von Russland unterstützten Separatisten in der Ostukraine steht. Monniks Firma DroneSec hat allein im vergangenen Jahr mehrere Fälle verfolgt, in denen beide Seiten des Konflikts kleine Drohnen mit Sprengstoff bewaffnet haben.

Kleine zivile Drohnen sind der russischen Kampfkraft nicht gewachsen, werden aber in einem langwierigen Krieg wahrscheinlich immer wichtiger werden, wie PW Singer schreibt, Autor eines Buchs über Kriegsroboter. „Wir werden sehen, dass diese kleinen zivilen Drohnen ad-hoc bewaffnet werden, so wie wir es in Konflikten auf der ganzen Welt gesehen haben, von Syrien bis Irak, Jemen und Afghanistan“, sagte Singer. „Genau wie ein IED oder ein Molotow-Cocktail werden sie den Verlauf der Schlacht nicht verändern, aber sie werden es den russischen Soldaten definitiv schwer machen.“

(peng/dpa)
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