Kanzlerin telefoniert mit türkischem Präsidenten Merkel fordert sofortigen Stopp der Syrien-Offensive

Istanbul/Berlin · Während es vonseiten der Türkei massive Kritik an der deutschen Entscheidung gibt, die Waffenexporte einzuschränken, hat die Kanzlerin in einem Telefonat mit Erdogan die "umgehende Beendigung der Militäroperation" in Nordsyrien gefordert.

 Recep Tayyip Erdogan und Bundeskanzlerin Angela Merkel gehen nicht nur in der Syrien-Frage „getrennte Wege“ (Archivbild).

Recep Tayyip Erdogan und Bundeskanzlerin Angela Merkel gehen nicht nur in der Syrien-Frage „getrennte Wege“ (Archivbild).

Foto: dpa

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat Deutschland wegen der Einschränkung der Waffenexporte scharf attackiert. "Steht ihr auf unserer Seite oder auf jener der Terrororganisation?", fragte Erdogan am Sonntag in einer Rede in Istanbul. Er habe in einem Telefonat mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eine Erklärung zu den Äußerungen von Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) vom Samstag zu den Waffenexporten gefordert, sagte Erdogan.

Von der Bundesregierung hieß es, die Kanzlerin habe in dem Telefonat auf die "umgehende Beendigung der Militäroperation" der Türkei in Nordsyrien gedrungen. "Ungeachtet berechtigter türkischer Sicherheitsinteressen drohe diese zur Vertreibung größerer Teile der lokalen Bevölkerung, zur Destabilisierung der Region und zur Wiedererstarkung des IS zu führen", habe Merkel gesagt.

Maas hatte am Samstag gesagt, die Bundesregierung werde keine neuen Genehmigungen für Rüstungsgüter erteilen, die durch die Türkei in Syrien eingesetzt werden könnten. Auch Frankreich und weitere EU-Staaten schränkten wegen der umstrittenen türkischen Offensive gegen die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) in Nordsyrien ihre Rüstungsexporte ein oder legten sie ganz auf Eis.

Erdogan reagierte empört auf die Einschränkung der Waffenexporte durch die Europäer. "Sind wir nicht Verbündete in der Nato, oder ist die Terrorgruppe in die Nato aufgenommen worden, ohne dass ich informiert wurde?", fragte er mit Blick auf die kurdische YPG-Miliz, die Ankara wegen ihrer engen Verbindungen zur verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) als Terrororganisation betrachtet.

Zugleich betonte Erdogan, kein Waffenembargo und keine Sanktionen würden die Türkei bei ihrem Vorgehen in Nordsyrien stoppen. "Seitdem wir unsere Operation gestartet haben, werden uns Wirtschaftssanktionen oder Waffenembargos angedroht. Jene, die glauben, uns mit solchen Drohungen zwingen zu können zurückzuweichen, irren sich", sagte er.

Derweil liefern sich die türkische Armee und verbündete syrische Rebellen fünf Tage nach Beginn ihres Angriffs in Nordsyrien erbitterte Gefechte mit der Kurdenmiliz YPG. Im Fokus der Kämpfe standen am Sonntag die Grenzstädte Ras al-Ain und Tall Abjad, die bislang zum Herrschaftsgebiet der von der der YPG angeführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) gehören.

Ras al-Ain liegt direkt an der türkischen Grenze entlang einer wichtigen Versorgungsroute zwischen Tall Abjad im Westen und der Stadt Kamischli im Osten.

Die SDF hätten die meisten Stadtteile von Ras al-Ain nach einem Gegenangriff zurückerobert, teilte die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sagte dagegen am Sonntag, das Zentrum der Stadt sei unter türkischer Kontrolle. Der TV-Sender CNN Türk berichtete, türkische Truppen suchten in Ras al-Ain nach Verstecken kurdischer Kämpfer.

In Tall Abjad lieferten sich die kurdischen Milizen schwere Gefechte mit pro-türkischen Rebellen, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete. Die Rebellen hätten Teile des Zentrums eingenommen. Zuvor hatte das türkische Militär die Stadt mit Artillerie beschossen. Rauchwolken stiegen aus Tall Abjad auf, wie auf Bildern bei CNN Türk zu sehen war.

Gegen 15.15 Uhr sollen die türkische Armee und ihre syrischen Verbündeten nach Angaben von Aktivisten Tal Abjad von den kurdischen Volksverteidigungseinheiten erobert haben. Es sei die größte Stadt, die sie seit Beginn der Offensive am Mittwoch eingenommen hätten, erklärte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Auch die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu meldete die Einnahme des Stadtzentrums.

Am Sonntag schlugen auch wieder Mörsergranaten aus Syrien in türkischen Grenzstädten ein, wie die Nachrichtenagentur DHA berichtete. Eine Person sei verletzt worden.

(felt/AFP)
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