Beginn der Koalitionsverhandlungen Gegner Netanjahus wollen Regierung in Israel bilden

Jerusalem · Inhaltlich haben die Parteien nicht viel gemein, außer den unbedingten Wunsch, Netanjahu endlich von der Regierungsspitze zu vertreiben. Mit ihrem Bündnis würde eine fünfte Wahl innerhalb von etwas mehr als zwei Jahren abgewendet werden.

 Der israelische Oppositionsführer Jair Lapid bei einer Pressekonferenz in Tel Aviv (Archivbild).

Der israelische Oppositionsführer Jair Lapid bei einer Pressekonferenz in Tel Aviv (Archivbild).

Foto: AP/Oded Balilty

Die Gegner von Benjamin Netanjahu feilen an einer Koalition, die den Ministerpräsidenten nach zwölf Jahren das Amt kosten könnte. Naftali Bennett, Chef der nationalistischen Partei Jamina und ein ehemaliger Netanjahu-Vertrauter, kündigte am Sonntag an, er wolle sich einem Regierungsbündnis mit Oppositionsführer Jair Lapid von der Zukunftspartei (Jesch Atid) anschließen. Kommt die Koalition zustande, an der auch weitere Parteien beteiligt wären, würde das das Ende von Netanjahus Zeit als Regierungschef bedeuten.

Israel hat in den vergangenen zwei Jahren viermal ein neues Parlament gewählt, jedes Mal ohne klare Mehrheiten. Netanjahu, als Vorsitzender der stimmenstärksten Partei Likud, versuchte, auch nach der letzten Wahl am 23. März wieder eine Regierung zu bilden, scheiterte aber. Der Auftrag zur Regierungsbildung ging daraufhin an Lapid. Seine Frist endet am Mittwoch. Danach muss es binnen einer Woche zu einer Vertrauensabstimmung im Parlament kommen. Die Zeit drängt also und Lapids Partei kündigte an, noch am Sonntagabend die Koalitionsverhandlungen zu beginnen.

Lapid hatte die schwere Aufgabe ein Bündnis aus sehr unterschiedlichen Parteien aus dem linken und rechten Spektrum zu bilden, die vor allem die Ablehnung Netanjahus eint. Erschwert wurde ihm die Suche nach Koalitionspartnern auch noch durch den Gaza-Krieg.

Bennett sagte bei einer Pressekonferenz am Sonntag, er wolle alles tun, um mit Lapid eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden und eine fünfte aufeinanderfolgende Parlamentswahl zu verhindern. Zur Zeit sei eine Koalition allein mit rechtsgerichteten Parteien wie seiner Jamina nicht möglich, sagte der ehemalige Anführer der jüdischen Siedlerbewegung im Westjordanland zur Begründung. Jeder müsse zurückstecken, es könnten nicht die Vorstellungen eines jeden in der Koalition erfüllt werden. „Eine Regierung wie diese wird nur Erfolg haben, wenn wir als Gruppe zusammenarbeiten“, sagte Bennett.

Zuvor hatten die Jamina-Parteimitglieder den Weg frei gemacht für eine Koalition mit der eher liberal ausgerichteten Zukunftspartei von Lapid. Der Oppositionsführer schloss auch Übereinkünfte mit drei weiteren Parteien. Israelischen Medienberichten zufolge soll erst Bennett und dann Lapid für zwei Jahre das Amt des Ministerpräsidenten übernehmen.

Netanjahu warf Bennett am Sonntag vor, seine nationalistischen Prinzipien aufzugeben und seine Wähler zu täuschen, nur um „um jeden Preis Ministerpräsident zu werden“. In einem eigenen Auftritt im Fernsehen legte er noch einmal nach und forderte alle nationalistisch gesinnten Politiker in dem Bündnis auf, sich einer „linken Regierung“ nicht anzuschließen. „Eine solche Regierung ist eine Gefahr für die Sicherheit Israels und sie ist auch eine Gefahr für die Zukunft des Staates“, sagte Netanjahu.

Der Ministerpräsident hat in den vergangenen drei Jahrzehnten dem Land nicht nur politisch seinen Stempel aufgedrückt – er war auch schon in den 1990ern einmal Regierungschef –, er ist auch wegen der Korruptionsvorwürfe gegen ihn eine polarisierende Figur. Trotz der Anklagen gegen ihn blieb er Ministerpräsident und wehrte sich auch mit der Macht seines Amtes gegen die Anschuldigungen.

Netanjahu werde bis zum Ende versuchen, die Regierungsbildung zu untergraben, indem er an Hardliner appelliere, nicht mit dem gemäßigten Lapid zusammenzuarbeiten, sagte Johanan Plessner vom Israel Democracy Institute. Scheren nur ein oder zwei Abgeordnete aus dem fragilen Bündnis Lapids aus, könnte das schon deren Aus bedeuten. „Alles kann passieren. Ich würde darauf warten, bis die letzte Abstimmung durch ist.“ Aber auch als Oppositionsführer würde Netanjahu versuchen, die ideologischen Differenzen innerhalb der Koalition auszunutzen, um diese zu sprengen, sagte Plessner.

(c-st/dpa)
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