Parlamentswahl in Schweden Linksbündnis nach ersten Prognosen knapp vorn

Stockholm · Bei der Parlamentswahl in Schweden liegt das linke Wahlbündnis von Ministerpräsidentin Magdalena Andersson laut ersten Prognosen mit äußerst knappem Vorsprung in Führung. Die rechtspopulistischen Schwedendemokraten werden zweitstärkste Kraft.

Magdalena Andersson kurz vor Schließung der Wahllokale.

Magdalena Andersson kurz vor Schließung der Wahllokale.

Foto: AFP/JONAS EKSTROMER

Schwedens Ministerpräsidentin Magdalena Andersson segelt bei der Reichstagswahl zwar Richtung Wahlsieg, muss aber noch auf stabile Mehrheitsverhältnisse zu ihren Gunsten hoffen. Ersten Prognosen zufolge bleiben ihre Sozialdemokraten nach der Wahl vom Sonntag mit mehr als 29 Prozent klar stärkste Kraft. Sie und ihre bisherigen Unterstützerparteien lagen gemeinsam nur knapp vor einem konservativen Parteienblock einschließlich der rechtspopulistischen Schwedendemokraten. Die Rechtspopulisten waren auf dem Weg, mit einem Rekordergebnis von mehr als 20 Prozent erstmals zweitstärkste Kraft im Reichstag in Stockholm zu werden.

Die Moderaten von Anderssons Herausforderer Ulf Kristersson, die hinter den Sozialdemokraten bislang traditionell zweitstärkste Kraft waren, müssen damit rechnen, auf Rang drei abzurutschen. Sie erreichten in einer ersten Prognose des Rundfunksenders SVT weniger als 19 Prozent - das wäre ihr schlechtestes Ergebnis seit 2002.

Die acht Parlamentsparteien teilen sich in Schweden derzeit in zwei Vierergruppen auf - einen linksgerichteten und einen konservativen Block. Anderssons Seite verfügt momentan über die minimale Mehrheit von 175 der 349 Parlamentssitze, Kristerssons Block über 174. Die SVT-Prognose sah das linksgerichtete Lager bei 49,8 Prozent, das konservative Lager bei 49,2 Prozent. In Sitze umgerechnet steht es damit 176 zu 173. Mit anderen Worten: Es bleibt sehr knapp.

„Ein unerhört spannender Wahlabend liegt vor uns“, sagte ein Wahlexperte nach der Veröffentlichung der Prognose. Nur etwa 40 000 Stimmen trennten die beiden Lager nach SVT-Angaben.

Viele Spitzenpolitiker hielten sich deshalb am Abend zunächst zurück, vorschnelle Aussagen zu treffen - auch vor dem Hintergrund, dass die ersten Prognosen bei der Wahl 2018 teils um mehrere Prozentpunkte vom finalen Wahlergebnis abgewichen waren. „Nichts ist klar“, sagte der sozialdemokratische Parteisekretär Tobias Baudin bloß.

Mehr Klarheit könnten Teilergebnisse liefern, die die Wahlbehörde am Abend nach und nach veröffentlichte. Bis 21.45 Uhr waren jedoch erst die Stimmen aus rund 23 Prozent der 6578 Wahlbezirke ausgezählt.

Unabhängig vom Wahlausgang dürfte Schweden wie schon nach der Parlamentswahl vor vier Jahren eine langwierige Regierungsbildung bevorstehen. Denn auch innerhalb der beiden Blöcke sind sich die Parteien bei mehreren Angelegenheiten uneins. Andersson müsste beispielsweise äußerst unterschiedliche Standpunkte der Linken und der liberalen Zentrumspartei unter einen Hut bringen. Nicht ausgeschlossen ist, dass sich bei der Regierungsbildung auch andere Koalitionsmodelle über die beiden Blöcke hinweg finden könnten.

Andersson wurde erst im November 2021 als Nachfolgerin ihres Parteikollegen Stefan Löfven und als erste Frau überhaupt zur Ministerpräsidentin von Schweden gewählt. Die frühere Finanzministerin führte seitdem eine rein aus Sozialdemokraten bestehende Minderheitsregierung, die im Reichstag bisher auf die Unterstützung der liberalen Zentrumspartei, der Linken und der Grünen angewiesen ist. Kristersson setzt derweil auf Moderate, Christdemokraten und Liberale - und die Unterstützung der zuvor lange Zeit komplett außen vor stehenden Schwedendemokraten.

Unter Andersson hat Schweden Mitte Mai im Zuge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine einen Antrag auf Nato-Mitgliedschaft gestellt. Im Wahlkampf waren aber vor allem die stark gestiegenen Energiepreise sowie die in dem skandinavischen EU-Land grassierende Bandenkriminalität die wichtigsten Themen.

Der Fokus auf den Kampf gegen Kriminelle spielte offenbar vor allem den Rechten in die Hände. Andersson machte am Wahltag erneut klar, dass sie zur Zusammenarbeit mit allen Parteien bereit sei - außer mit den Schwedendemokraten. Sie sei sehr enttäuscht, dass sich andere Parteien in der Hinsicht anders entschieden hätten. Auch die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg warnte am Wahltag vor Populismus. „Antidemokratische und populistische Winde wehen stark. Wir müssen uns dem entgegenstellen“, schrieb sie auf Twitter.

(felt/AFP)
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