ARD-Interview Putin warnt Deutschland vor Folgen der Sanktionen

Berlin/Moskau · Beim G20-Gipfel in Australien nehmen westliche Staats- und Regierungschefs Kremlchef Putin wegen der Ukraine-Krise in die Mangel. Im ARD-Interview kritisiert der russische Präsident einseitige Sichtweisen und warnt vor schweren Folgen der Sanktionen.

"Wir haben sehr allgemein und grundsätzlich noch einmal über den gesamten Konflikt gesprochen", sagte Angela Merkel über ihr Gespräch mit Wladimir Putin. (Archiv-Foto von einem Treffen in Rio im Juli 2014)

"Wir haben sehr allgemein und grundsätzlich noch einmal über den gesamten Konflikt gesprochen", sagte Angela Merkel über ihr Gespräch mit Wladimir Putin. (Archiv-Foto von einem Treffen in Rio im Juli 2014)

Foto: dpa, ms jak kde

Der russische Präsident Wladimir Putin hat im Ukraine-Konflikt vor einseitigen Schuldzuweisungen gewarnt. In einem Interview für die ARD-Sendung "Günther Jauch" wies Putin außerdem darauf hin, dass Sanktionen gegen Russland auch für Deutschland ernste Folgen haben könnten.

Der Ukraine-Konflikt war das dominierende Thema der Staats- und Regierungschefs beim G20-Gipfel im australischen Brisbane.

Langes Treffen mit Merkel und Juncker

Die Ukraine-Krise stand zwar nicht auf der Tagesordnung, dennoch überschattete sie das Treffen. Vor dem Gipfel attackierte US-Präsident Obama Putin heftig: Die "russische Aggression" in der Ukraine sei eine "Bedrohung für die Welt", sagte Obama. Ein Gespräch zwischen den beiden kam erwartungsgemäß nicht zustande.

Überraschend lange sprach Putin dafür mit Kanzlerin Angela Merkel, die ohnehin in ihrer Rolle als Vermittlerin von den Amerikanern geschätzt wird.

Sie hat seit langem einen Draht zu dem Russen, auch wenn sie sich bereits im Vorfeld wenig aus dem Gespräch versprach: "Ich verspreche mir jetzt keine qualitativen plötzlichen Veränderungen", sagte Merkel im Vorfeld. Das Gespräch diene dazu, einen Eindruck zu bekommen, wie Putin die Lage einschätze. Später kam EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zum Gespräch dazu.

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Putins Sprecher Peskow erklärte im Anschluss, es sei um "Feinheiten" der Krise in der Ukraine gegangen. Nach nicht einmal 48 Stunden in Australien beim G20-Gipfel hoffe der Kremlchef, dass Moskaus Politik vielleicht nun mehr Verständnis entgegengebracht wird. Merkel wollte das Gespräch nicht kommentieren: "Die Gespräche waren vertraulich", betonte sie. "Wir haben sehr allgemein und grundsätzlich noch einmal über den gesamten Konflikt gesprochen", sagte sie lediglich.

Am Rande des Gipfels einigten sich die USA und die EU, keine neuen Sanktionen gegen Russland wegen des Konflikts zu verhängen.

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Der Kreml hatte bereits vor Ausstrahlung des Interviews in der ARD am Sonntagabend Gesprächsauszüge veröffentlicht. Demnach forderte Putin, in der Ukraine-Krise das Gesamtbild im Auge zu behalten. "Das Wichtigste ist, dass man das Problem nicht einseitig betrachten darf", sagte er. Das ukrainische Militär setze im Kampf mit prorussischen Separatisten Raketen ein, aber dies werde nicht erwähnt, kritisierte der Kremlchef. Russland weist eine Beteiligung an dem Konflikt entschieden zurück.

Putin warnte außerdem vor den Folgen der Strafmaßnahmen gegen sein Land. Durch eine Einschränkung russischer Banken am internationalen Finanzmarkt könnten diese weniger Kredite an russische Unternehmen vergeben, die mit deutschen Partnern arbeiteten. "Früher oder später hat das nicht nur für uns Auswirkungen, sondern auch für Sie", meinte Putin. Er verwies auf Schätzungen, wonach in Deutschland Tausende Arbeitsplätze von der wirtschaftlichen Kooperation mit Russland abhängen sollen.

"Denken Sie überhaupt nach, was Sie tun?"

Auch für die Ukraine seien die Sanktionen gefährlich, meinte der Kremlchef. Russische Banken hätten Kredite über 25 Milliarden Dollar (20 Milliarden Euro) im Nachbarland vergeben. Mit Sanktionen treffe der Westen russische Banken und damit auch die Ukraine. "Denken Sie (der Westen) überhaupt nach, was Sie tun?" fragte Putin.

Die EU- und US-Sanktionen hätten Russland zwar geschadet, sagte Putin. Als Chance für die Entwicklung bewertete Putin aber, dass Russland durch westliche Exportverbote nun selbst bestimmte Waren herstellen müsse.

Die russische Wirtschaft steht infolge der Ukraine-Krise und der Sanktionen massiv unter Druck. Der Rubelkurs brach in den vergangenen Monaten stark ein: Lag der Wechselkurs zu Jahresanfang noch bei etwa 45 Rubel für einen Euro, waren es Anfang November bis zu 60 Rubel. Die Zentralbank erwartet für 2014 einen Kapitalabfluss aus Russland von 129 Milliarden US-Dollar.

(dpa)
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