Flüchtlingspolitik Deutsche Regierungskrise beschäftigt auch Macron und Conte

Paris · Das Drama um das Flüchtlingsschiff „Aquarius“ hat schwere Verstimmung zwischen Frankreich und Italien ausgelöst. Ein Besuch des neuen italienischen Ministerpräsidenten in Paris brachte nun Entspannung – und einen Seitenhieb auf Horst Seehofer.

 Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (r.) mit Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte im Elysée-Palast.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (r.) mit Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte im Elysée-Palast.

Foto: AP/Michel Euler

Nach außen hin scheint der Streit zwischen Frankreich und Italien um das Flüchtlingsschiff „Aquarius“ beigelegt. Präsident Emmanuel Macron bemühte sich am Freitag sichtlich um einen freundlichen Ton gegenüber dem italienischen Regierungschef Guiseppe Conte. „Ich liebe Italien“, versicherte er bei der gemeinsamen Pressekonferenz. Conte sagte, er habe eine „perfekte Verständigung“ mit seinem „Freund Emmanuel“. Der hatte während des Mittagessens, das eine gute Stunde länger dauerte als vorgesehen, offensichtlich versucht, den Ministerpräsidenten in der heiklen Flüchtlingsfrage auf eine europäische Lösung einzuschwören. „Die richtige Antwort ist europäisch“, sagte Macron: „Ich will, dass Frankreich und Italien Hand in Hand arbeiten, um zusammen mit ihren Partnern wie Spanien und Deutschland eine Lösung vorzuschlagen.“

Der Präsident nannte gleich zu Beginn Zahlen, die dem Konflikt die Brisanz nehmen sollten. Danach kamen im ersten Halbjahr 74 Prozent weniger Menschen aus Nordafrika nach Italien. Frankreich habe in den ersten Monaten 26.000 Asylanträge verzeichnet – mehr als Italien. „Frankreich hat genauso wie Italien die Flüchtlingskrise in den Griff zu bekommen.“ Der italienische Ministerpräsident war trotz der Kritik aus Frankreich an seiner Flüchtlingspolitik zu seinem ersten Besuch nach Paris gekommen. Die Visite stand auf der Kippe, nachdem der französische Präsident Rom „eine Form des Zynismus und eine gewisse Unverantwortlichkeit“ vorgeworfen hatte, weil Italien seine Häfen für die „Aquarius“ geschlossen hatte. „Italien kann keine scheinheiligen Lektionen von Ländern akzeptieren, die es in Fragen der Migration immer vorgezogen haben, ihren Partnern den Rücken zuzukehren“, hatte Conte entgegnet. Auf seine Äußerung angesprochen erklärte der Ministerpräsident am Freitag den Schlagabtausch für beendet. „Die Tatsache, dass ich da bin, ist die beste Antwort.“

Zwischen den Zeilen deutete Conte allerdings Unterschiede zur französischen Position an. So wolle sein Land einen eigenen Vorschlag zur Änderung des Asylrechts einbringen. Eine Maßnahme enthüllte der Regierungschef bereits: Die EU solle in den Herkunftsländern Zentren für Asylbewerber einrichten. „Wir müssen das Konzept der europäischen Grenzen stärken“, forderte er. Auf die Frage, wer denn in der Flüchtlingspolitik in Rom das Sagen habe – Conte selbst oder der Chef der rechten Lega, Matteo Salvini –, antwortete Macron anstelle des Italieners mit deutlichen Worten, die er wohl auch an Bundesinnenminister Horst Seehofer richtete: „Italien hat einen Regierungschef und Deutschland auch. Wenn die Länder sich einigen, dann geschieht das auf dieser Ebene.“ In den vergangenen Tagen hatte sich vor allem Salvini geäußert. Der fremdenfeindliche Politiker, der als starker Mann der italienischen Regierung gilt, hatte eine Absage von Contes Besuch gefordert, falls Macron sich nicht entschuldige. Die beiden Politiker telefonierten daraufhin am Donnerstag miteinander, und der Elysée teilte mit, dass der Präsident Italien nicht beleidigen wollte.

Auf Druck von Salvini, einem Verbündeten der französischen Rechtspopulistin Marine Le Pen, soll Wirtschaftsminister Giovanni Tria am Mittwoch in letzter Minute seine Begegnung mit seinem französischen Kollegen Bruno Le Maire abgesagt haben. Salvini hatte auch die „Aquarius“ abgewiesen, die von der französischen Hilfsorganisation SOS Mediterranée gechartert worden war. Das Schiff mit 629 Menschen an Bord ist nun nach Spanien unterwegs. Auf ein Angebot der französischen Ferieninsel Korsika, die Flüchtlinge aufzunehmen, ging die Zentralregierung nicht ein.

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