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Alle Politik-Artikel vom 26. Juli 2003
Soldaten sollen irakische Kriegsgefangene misshandelt haben

US-Militär beschuldigt MilitärpolizistenSoldaten sollen irakische Kriegsgefangene misshandelt haben

Washington (rpo). Vier amerikanischen Soldaten wird vorgeworfen, irakische Kriegsgefangene misshandelt zu haben. Es könnte zu einem Prozess kommen. Den Militärpolizisten einer in Pennsylvania stationierten Reserveeinheit wird vorgeworfen, am 12. Mai irakische Soldaten in einem Gefangenenlager derart brutal geschlagen und getreten zu haben, dass es zu Knochenbrüchen gekommen sei. Die US-Soldaten sind die ersten im Irak-Konflikt, gegen die ein Prozess wegen der Misshandlung von Kriegsgefangenen eröffnet werden könnte. Die Ermittlungen dauerten noch an, sagte ein Sprecher des US-Oberkommandos Mitte. Die Soldaten beteuern, sie hätten aus Notwehr gehandelt, da sie in dem größten amerikanischen Gefangenenlager in Irak, Camp Bucca, attackiert worden seien. "Einige meiner Militärpolizisten wurden von Gefangenen angegriffen. Wir mussten Gewalt anwenden, um die Kontrolle wiederzuerlangen. Alles vertretbar", schrieb einer der Beschuldigten in einer E-Mail an einen Verwandten. Die Beschuldigten sind noch nicht in Haft, dürfen sich aber nicht frei bewegen. Sie wurden von ihrer Einheit getrennt und auf einen Stützpunkt in Kuwait versetzt.

Philippinen: Offiziere nach Putschgerücht gesucht

Bewaffnete besetzen GeschäftszentrumPhilippinen: Offiziere nach Putschgerücht gesucht

Manila (rpo). Auf den Philippinen wird nach Putschgerüchten nach zehn aufständischen Offizieren und Soldaten gefahndet. Zudem haben Bewaffnete ein Geschäftszentrum besetzt. "Dies ist kein Staatsstreich", sagte einer der bewaffneten Männer einem Rundfunkreporter. "Wir haben nicht vor, die Macht an uns zu reißen. Wir wollen lediglich unsere Beschwerden vorbringen. Wir gehören den Streitkräften an." Die etwa 20 bis 30 bewaffneten Männer hatten zuvor Wachmänner der noch geschlossenen Geschäfte entwaffnet. Außerdem legten sie nach Augenzeugenberichten offenbar Sprengsätze um ein Einkaufszentrum sowie andere Gebäude entlang der Hauptstraße im Finanzbezirk Makati. Vor dem Hintergrund von Putschgerüchten fahnden die Behörden in den Philippinen nach einer Gruppe von 10 aufständischen Offizieren und Soldaten. Präsidentin Gloria Macapagal Arroyo sagte am Samstag in einer vom Rundfunk verbreiteten Erklärung, Polizei und Militär hätten Befehl erhalten, die Fahnenflüchtigen aufzuspüren. Vor knapp einer Woche waren Gerüchte laut geworden, eine Gruppe von unzufriedenen Militärs plante ein Komplott zum Sturz der Regierung. Dazu sagte die Präsidentin am Samstag, obgleich sie den Klagen von Soldaten Gehör geschenkt habe, hätten "diese aufständischen Offiziere" das Gesetz verletzt. "Sie werden vor ein Militärgericht gestellt." Generalstabschef Narciso Abaya erklärte, vermutlich hätten sich bis zu 50 Rekruten den Gesuchten, die Waffen mitgenommen hätten, angeschlossen. Nach einem Treffen mit Arroyo, an dem auch Kabinettsmitglieder und Sicherheitsvertreter teilnahmen, sagte er weiter: "Eine solch kleine Gruppe kam Schlimmes anrichten, wenn sie unter Waffen steht." Um den Präsidentpalast bezogen schwer bewaffnete Soldaten in gepanzerten Fahrzeugen Stellung und riegelten die Zufahrten ab. Abaya sagte, zusätzliche Truppen seien nach Manila beordert worden. Die Präsidentin war Anfang 2001 in einer vom Militär unterstützten Volksbewegung an die Macht gekommen.

Zeitung: Saudi-Arabien gab Millionen für 11. September-Anschläge

Bericht der New York TimesZeitung: Saudi-Arabien gab Millionen für 11. September-Anschläge

Washington (rpo). Wichtige Mitglieder der saudi-arabischen Führung sollen Organisationen mit Geld unterstützt haben, die den Anschlag vom 11. September mitfinanziert haben. Das berichtet die "New York Times" in einem Artikel. Dies werde aus den bislang geheim gehaltenen Teilen des Kongress- Untersuchungsberichts über die Anschläge in New York und Washington vor knapp zwei Jahren deutlich, berichtet die Zeitung am Samstag. Am Donnerstag war der Report im Kongress vorgelegt worden. Auf Anweisung des Weißen Hauses waren 28 der 900 Seiten für die Veröffentlichung - begründet mit "Sicherheitsinteressen der USA" - gestrichen worden. In dem veröffentlichten Teil des Kongressberichts werden dem Geheimdienst CIA und dem Bundeskriminalamt FBI schädliche Rivalitäten untereinander sowie gravierende Fehler und Kommunikationsprobleme im Vorfeld der Anschläge vom 11. September vorgeworfen. Der Bericht war von einer gemeinsamen Kommission des Abgeordnetenhauses und Senats erarbeitet worden. Laut der "New York Times" wirft der Report führenden Saudis vor, die Gelder an Wohltätigkeitsorganisationen und andere Gruppen gezahlt zu haben, die damit den Terror unterstützen. Informelle Netze saudischer Staatsbürger, von denen einige auch in den USA lebten, seien zur Verteilung von Geldern an Terroristen genutzt worden. US- Beamte hätten den Angaben zufolge außerdem die mangelnde Kooperationsbereitschaft der saudischen Regierung im Kampf gegen terroristische Gruppen beklagt. Der demokratische Senator Bob Graham hatte am Donnerstag wegen des geschwärzten Teils des Reports von einem Vertuschungsmanöver des Weißen Hauses gesprochen, um sich "Peinlichkeiten" zu ersparen. Der Botschafter Saudi-Arabiens hatte auch ohne die Veröffentlichung der verbotenen Passagen vehement gegen eine Verunglimpfung der saudischen Führung protestiert und eine Verwicklung seiner Regierung in die Terroranschläge als "absurd" und "empörend" zurückgewiesen.

Ermittlungsrichter besucht Angehörige Kellys

Nach Selbstmord des britischen RegierungsberatersErmittlungsrichter besucht Angehörige Kellys

London (rpo). Richter Lord Hutton hat am Samstag die Familie des ehemaligen britischen Regierungsberaters David Kelly besucht, der Mitte Juli Selbstmord begangen hatte. Auskünfte über den Inhalt der "privaten Gespräche" wollte ein Justizsprecher nicht geben. Der Fernsehsender Sky News protestierte derweil gegen die Entscheidung des Lordrichters, Rundfunk und Fernsehen von den Anhörungen im Fall Kelly auszuschließen. Hutton will nach Aussage seines Sprechers nur bei den Eröffnungen sowie den abschließenden Stellungnahmen Kameras und Mikrofone zulassen. Der Waffenexperte Kelly stand im Mittelpunkt eines bitteren und anhaltenden Streits zwischen dem Sender BBC und der britischen Regierung. Der Sender hatte unter Berufung auf eine nicht genannte Quelle berichtet, die Regierung habe ein Geheimdienstdossier über das irakische Waffenpotenzial aufgebauscht, um den Krieg zu rechtfertigen. Drei Tage nach seinem Selbstmord am 17. Juli identifizierte die BBC Kelly als ihren Hauptinformanten.

Annan nennt Regimewechsel in Teheran "Sache der Iraner"

Irak als warnendes BeispielAnnan nennt Regimewechsel in Teheran "Sache der Iraner"

Prag/Teheran (rpo). UN-Generalsekretär Kofi Annan hat darauf hingewiesen, dass die Frage eines Regimewechsels in Teheran allein eine Angelegenheit der Iraner ist. Er reagierte damit auf vereinzelte Aussagen, die sich für eine Einmischung von außen ausgesprochen hatten. "Die eine oder andere Stimme hat (im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg) die Frage eines Regimewechsels in Iran aufgeworfen. Ich hoffe nur, dass das nicht Ernst gemeint war, denn ein Regimewechsel wird Sache der Iraner", sagte Annan der tschechischen Tagezeitung "Pravo" (Samstagsausgabe). "Abgesehen davon ist ein Regimewechsel nicht so einfach, wie wir unter anderem im Irak erkennen", unterstrich er. In Teheran mahnte der Vorsitzende des Außenpolitischen Ausschusses im Parlament, Mohsen Mirdamadi, Umsicht im Umgang mit der nuklearen Frage an. Wenn Iran im Hinblick auf seine Nuklearprogramme keine kluge Politik verfolge, werde es sich ernst zu nehmenden Problemen gegenübersehen, sagte er der studentischen Nachrichteanagentur ISNA am Samstag. Die iranische Nuklearpolitik könne sich auch nachhaltig auf die Beziehungen zur Europäischen Union auswirken meinte Mirdamadi der Agentur zufolge, offenbar mit Blick auf die Kritik der EU- Außenminister am Atomprogramm Teherans vom vergangenen Montag. Bezüglich eines möglichen UN-Mandats für eine internationale Stabilisierungstruppe im Irak sagte Annan "Pravo" zufolge, er denke, man sei "einer Entscheidung noch nicht nahe". Unabhängig davon werde es "weiter Fragen und Zweifel" geben, falls keine Massenvernichtungswaffen im Irak gefunden würden. "Wenn sich aber Arsenale finden, würde ich persönlich empfehlen, dass UN-Inspektoren die Rückkehr ermöglicht wird und die Tatsache dem Sicherheitsrat bestätigen", betonte Annan.

Abbas geht gestärkt aus Treffen mit Bush hervor

Informationsminister Amr spricht von ErfolgAbbas geht gestärkt aus Treffen mit Bush hervor

Jerusalem (rpo). Der palästinenische Ministerpräsident ist offenbar gestärkt aus seinem Treffen mit US-Präsident George W. Bush hervorgegangen. Mit dem Rücken zur Wand war Abbas nach Washington gereist, und konnte mit zahlreichen Zugeständnissen den Rückweg antreten.Vor Abbas' Washington-Visite hatte das Parlament in Ramallah ihm mit Abwahl gedroht, sollte er keine Fortschritte erzielen. Am Samstag nannte der palästinensische Informationsminister Nabil Amr das Treffen zwischen Bush und Abbas vom Freitag einen Erfolg. "Es ist nicht einfach, alle Probleme bei einem Besuch zu lösen", sagte Amr. "Beide Seiten müssen hart an der Umsetzung des Nahost-Friedensplanes arbeiten." An Israel appellierte er, den Palästinensern zu zeigen, dass es grundlegende Verbesserungen in ihrem Alltagsleben geben werde. Der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon wird am kommenden Dienstag in Washington erwartet. Der amerikanische Präsident hatte am Freitag neue Finanzhilfen für die palästinensischen Gebiete angekündigt und eine Direkthilfe von 20 Millionen Dollar bereitgestellt. Israel kündigte an, drei Straßensperren im Westjordanland aufzuheben und die Verbindung zwischen Nablus und Dschenin wiederherzustellen. Ferner sollen der Autonomiebehörde bislang eingefrorene Guthaben in Höhe von 72 Millionen Schekel (rund 14 Millionen Euro) überwiesen werden. Zudem hieß es, zwei weitere Städte im Westjordanland sollten unter palästinensische Kontrolle gestellt werden. Ein Termin für den israelischen Truppenabzug werde jedoch nicht im Voraus bekannt gegeben, sagte ein Armeesprecher am Samstag.

Wieder drei US-Soldaten im Irak getötet

Schiiten fordern eigene ArmeeWieder drei US-Soldaten im Irak getötet

Bakuba/Kairo (rpo). Bei einem Granaten-Angriff haben Iraker am Samstag erneut drei US-Soldaten getötet. Vier weitere GI's wurden bei der Attacke verletzt. Indes ist die Villa niedergerissen worden, in der vor vier Tagen zwei Söhne von Saddam Hussein getötet wurden.Die getöteten US-Soldaten gehörten zur 4. Infanteriedivision und bewachten das Kinderkrankenhaus in Bakuba nordöstlich von Bagdad. Wie die US-Streitkräfte mitteilten, wurden vier ihrer Kameraden bei dem Granatbeschuss verletzt. Damit erhöhte sich die Zahl der seit Beginn des Irak-Kriegs am 20. März getöteten US-Soldaten auf 161. Zudem wuchs der Widerstand der Schiiten: Einer ihrer führenden Geistlichen rief zur Bildung einer eigenen Armee auf, die die Koalitionsmächte vertreiben solle. Die "Imam-Armee" werde die Amerikaner aus Nadschaf und anderen Heiligen Städten vertreiben und den moralischen Verfall des Landes stoppen, sagte der schiitische Scheich Muktada el Sadr beim Freitagsgebet vor 50.000 Menschen in der südlich von Bagdad gelegenen Stadt Kufa. Mehrere zehntausend Menschen hätten sich bereits für die Mitgliedschaft in der Religionsarmee gemeldet, sagte der Geistliche der Nachrichtenagentur AP. Die Organisation wolle ihre Ziele aber mit friedlichen Mitteln erreichen. Die US-Truppen errichteten unterdessen neue Straßensperren zwischen Bagdad und Kufa sowie dem benachbarten Nadschaf. Es gebe Berichte, dass Anhänger von El Sadr Waffen nach Nadschaf geschmuggelt hätten, sagte ein US-Offizier. Allerdings habe der Geistliche nur eine begrenzte Anhängerschaft und könne nicht für die Mehrheit der irakischen Schiiten sprechen. In Bagdad wurde am Samstagmorgen bei einem Einsatz gegen mutmaßliche Entführer der Leiter der irakischen Polizeiakademie, Brigadegeneral Ahmed Kadhim, angeschossen. Fünf weitere Polizisten wurden mit ihm verwundet, einer davon schwer. Indes haben US-Soldaten der 101. Luftlandedivision die Villa in Mossul niedergerissen, in der vor vier Tagen zwei Söhne von Saddam Hussein getötet wurden. Nachbarn berichteten, das bei den stundenlangen Kämpfen am Dienstag schwer beschädigte Haus habe Scheik Nauaf el Saidan Muhhamad gehört, der sich nun in Schutzhaft befinde. Die US-Armee bestätigte die Angaben bislang nicht. Den Nachbarn zufolge gab Muhhamad auch den entscheidenden Hinweis, dass sich Odai und Kusai Hussein in seinem Haus versteckten. Die US-Regierung hatte zuvor eine Belohnung von 15 Millionen US-Dollar für Informationen ausgesetzt, die zur Ergreifung von einem der beiden Söhne führen würde. Für Hinweise auf das Versteck ihres Vaters winkt eine Belohnung von 25 Millionen Dollar. Rau für deutsche Beteiligung bei WiederaufbauBundespräsident Johannes Rau befürwortet eine deutsche Beteiligung am Wiederaufbau Iraks. "Da werden wir uns als Deutsche sicher auch nicht verschließen, unabhängig von der unterschiedlichen Beurteilung des Krieges", sagte das Staatsoberhaupt der "Welt am Sonntag". Nun gehe es um humanitäre Hilfe und den Aufbau einer stabilen Demokratie, und daran müssten alle ein großes Interesse haben. Wenn die Vereinten Nationen oder eine neue irakische Regierung zur Hilfe auffordere, werde Deutschland gewiss helfen. "Da können viele staatliche und nicht-staatliche Organisationen einen Beitrag leisten, und natürlich auch viele deutsche Unternehmen", sagte Rau.

Horst Mahler darf nicht nach Auschwitz

Brandenburger Innenministerium verbietet ReiseHorst Mahler darf nicht nach Auschwitz

Potsdam (rpo). Dem früheren NPD-Mitglied Horst Mahler ist es nicht gestattet, ins ehemalige Konzentrationslager Auschwitz zu reisen. Das brandenburgische Innenministerium forderte den umstrittenen Rechtsanwalt auf, Pass und Personalausweis umgehend abzugeben.Mahler habe die Nazi-Verbrechen herunterspielen und die Opfer beleidigen wollen, begründete Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) am Freitagabend den Schritt. Sein Auftritt hätte massiven Schaden für die Belange der Bundesrepublik angerichtet. Mahler hatte eine "Tatortbesichtigung" in Auschwitz "mit einer feierlichen symbolischen Handlung" angekündigt. Bei dem Besuch, der für den kommenden Mittwoch geplant war, habe er zudem eine grundsätzliche Erklärung zum Holocaust abgeben wollen, hieß es in einer Erklärung Mahlers. Der einzige Weg für eine Versöhnung zwischen Juden und Deutschen sei der Weg der Wahrheit, erklärte der frühere RAF-Terrorist. Er führt derzeit nach eigenen Angaben einen "Feldzug gegen die Offenkundigkeit des Holocaust". Nach Erkenntnissen mehrerer Verfassungsschutzbehörden hatte Mahler mit Gesinnungsfreunden beabsichtigt, den Holocaust an sechs Millionen Juden öffentlich zu leugnen, wie die "Märkische Allgemeine" (Samstagausgabe) berichtet. Der Zeitung zufolge wurde Mahler am Freitag aufgefordert, Pass und Personalausweis umgehend abzugeben. Zudem sei das Bundesinnenministerium gebeten worden, Sorge dafür zu tragen, dass Mahler Deutschland nicht illegal verlassen kann. Mahler galt als Unterstützer der RAF und saß zehn Jahre in Haft. Später wechselte er ins rechtsextremistische Lager, wurde NPD-Mitglied und vertrat die Partei im Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht. Nachdem der Prozess eingestellt worden war, verließ Mahler die NPD. Er sei nur eingetreten, um seine Solidarität zu bekunden, begründete der frühere Linksextremist seinen Schritt.

Stoiber droht mit Haushaltsblockade im Bundesrat

"Betrugsmanöver im großen Stil"Stoiber droht mit Haushaltsblockade im Bundesrat

Berlin (rpo). Der CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber hat den Haushaltentwurf der Bundesregierung für 2004 erneut scharf kritisiert und eine Blockadehaltung im Bundesrat angedroht. Die Regierung wies die Vorwürfe als "Wahlkampfgetöse" zurück. Und auch Wolfgang Schäuble warnte vor einer Blockadepolitik. Er sagte der "Welt am Sonntag", "wegen des bisher nie da gewesenen Ausmaßes an Unseriosität im Bundeshaushalt" könnte der Bundesrat "erstmals in der Geschichte des Landes" Einspruch gegen den Etat einlegen. Der Entwurf von Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) enthalte nach Berechnungen seiner Staatskanzlei "Luftbuchungen in zweistelliger Milliardenhöhe". Der Sprecher des Finanzministeriums, Jörg Müller, warf Stoiber am Samstag "durchsichtiges Wahlkampfgetöse" vor. Der CSU-Vorsitzende setze sich nicht inhaltlich mit den im Bundeshaushalt vorgesehenen Einnahmemöglichkeiten für die Länder auseinander. Allein durch Veränderungen bei der Entfernungspauschale und der Eigenheimzulage sowie mit der Öffnungsklausel für die Beamtenbesoldung könnten Länder und Kommunen mit 8,9 Milliarden Euro Mehreinnahmen rechnen. Stoiber wolle die vorgesehenen Einschnitte aber wohl nicht vor der bayerischen Landtagswahl am 21. September umsetzen, meinte Müller. Der Ministeriumssprecher fügte hinzu, die Länder könnten nur gegen die Teile des Bundeshaushalts Einspruch erheben, die sie beträfen. Die Bundesregierung könne den Etat auch so planen, dass eine Zustimmung der Länderkammer nicht notwendig sei. Den Bundesanteil der Steuerentlastung im kommenden Jahr will Finanzminister Eichel bislang über zusätzliche Kredite in Höhe von knapp 5 Milliarden Euro finanzieren. Der Rest der annähernd 7,5 Milliarden Euro Mindereinnahmen beim Bund soll durch Subventionsabbau und Privatisierungserlöse ausgeglichen werden. Für seine Forderung, auf Bundesebene maximal ein Viertel der erwarteten Steuerausfälle durch neue Schulden zu finanzieren, stieß Stoiber erneut auf Kritik. Unions-Fraktionsvize Wolfgang Schäuble lehnte in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" eine derartige Festlegung ab: "Wir machen nicht die Arbeit der Regierung." Es sei "Unsinn, wenn wir jetzt für die Neuverschuldung Sätze zwischen 0 und 100 Prozent nennen und damit die Debatte wieder in die eigenen Reihen hineintragen". SPD-Fraktionschef Franz Müntefering bezeichnete im Berliner "Tagesspiegel am Sonntag" Stoibers Vorstoß als "Willkür". "Ich weiß nicht, wo da die wissenschaftliche Begründung ist." Der nordrhein- westfälische Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) forderte, mehr als 50 Prozent der Steuersenkungen über Kredite zu finanzieren. Wenn die Bürger auf der einen Seite entlastet würden, auf der anderen Seite aber staatliche Transfers gekürzt würden, verpuffe der Impuls für Wachstum und Beschäftigung. Der Bund der Steuerzahler (BdSt) forderte CDU/CSU auf, eigene Vorschläge zur Gegenfinanzierung der vorgezogenen Steuerreform zu machen. Die Union könne nicht immer mit dem Finger auf die Regierung zeigen und selbst untätig bleiben, sagte Präsident Karl Heinz Däke der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Samstag). Laut "Focus" bleiben die Belastungen der Arbeitnehmer auch beim Vorziehen der Steuerreform weit über dem internationalen Niveau. Der BdSt habe errechnet, dass ein lediger Durchschnittsverdiener (27 060 Euro Jahresbrutto) trotz Reform noch immer mit 49,3 Prozent Steuern und Abgaben belastet werde. Damit verringere sich die Gesamtbelastung um einen Prozentpunkt, zitiert das Nachrichtenmagazin aus einer bisher unveröffentlichten BdSt-Studie. Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) forderte in der "Bild am Sonntag", dass die CDU/CSU-geführten Länder bei der Steuerreform "mitziehen". Die Bereitschaft zur Zusammenarbeit sei ein "psychologisch wichtiger Beitrag, um das Vertrauen in unsere weitere wirtschaftliche Entwicklung zu festigen". Müntefering äußerte sich optimistisch zu den Kompromiss-Chancen: "Wir werden das hinkriegen." Er rechtfertigte die geplante Schuldenaufnahme von 5 Milliarden Euro: "Wir dürfen nicht alleine auf das Ziel der Haushaltskonsolidierung setzen. Wir müssen in dieser Phase antizyklisch handeln." Schäuble warnte vor einer Blockade-Politik und signalisierte unter bestimmten Bedingungen eine Zustimmung der Union zu einer vorgezogenen Steuerreform: "Wenn es eine einigermaßen vertretbare Finanzierung gibt, wird es von der Union nicht blockiert." Die CDU/CSU-Opposition leiste "ihren Beitrag durch Kritik und Kontrolle - nicht durch Blockade". Man könne keine Strategie nach dem Motto betreiben: "Je schlechter es dem Land geht, desto besser für die Union".

Trotz Kelly-Affäre: Blair will dritte Amtszeit

Laut englischen ZeitungsberichtenTrotz Kelly-Affäre: Blair will dritte Amtszeit

London (rpo). Der britische Premierminister Tony Blair will die Downing Street trotz der aktuellen Affäre um den Selbstmord des Waffenexperten David Kelly noch lange nicht verlassen. Britische Zeitungen berichten, der Regierungschef strebe stattdessen eine dritte Amtszeit an.So habe sich Blair gegenüber Freunden geäußert, berichtete am Samstag die Zeitung "The Daily Telegraph". Blair will demnach noch bis zum Ende des Jahrzehnts weiterregieren. Dies sei eine herbe Enttäuschung für seinen Rivalen, Schatzkanzler Gordon Brown. Nach der Irak-Krise und der Affäre um den Selbstmord des Waffenexperten David Kelly war Blair in den vergangenen Wochen auch von Parteifreunden zum Rücktritt aufgefordert worden. Nach Informationen des "Daily Telegraph" will Blair nach dem erwarteten Rücktritt seines Kommunikationsdirektors und engsten Vertrauten Alastair Campbell ein neues Image für sich aufbauen. Dabei solle auf eine aggressive PR- und Medienpolitik im Stile Campbells verzichtet werden, damit Blair das Vertrauen der Öffentlichkeit wiedergewinnen könne. Der stellvertretende Chef der oppositionellen Konservativen, David Davis, sagte jedoch, Campbells Verschwinden werde nicht viel ändern: "Die wirkliche treibende Kraft hinter der PR-Kultur im Herzen dieser Regierung ist Tony Blair", sagte er. Medienministerin Tessa Jowell drohte in einem "Times"-Interview erneut damit, den Rundfunksender BBC unter eine stärkere staatliche Kontrolle zu stellen. Möglicherweise müsse der Rundfunkvertrag "radikal" überholt werden, sagte Jowell. Der Vertrag, der die Finanzierung der BBC durch Rundfunkgebühren gewährleistet, läuft 2006 aus und wird von diesem Herbst an neu verhandelt.

Friedenstruppen in Kabul mangelhaft geschützt?

Heimgekehrte Soldaten erheben VorwürfeFriedenstruppen in Kabul mangelhaft geschützt?

Hamburg (rpo). Nach Medieninformationen sind die Bundeswehr-Soldaten in Afghanistan nicht ausreichend gegen Angriffe geschützt. Heimgekehrte Soldaten sollen sich über gravierende Sicherheitsmängel beklagt haben, berichtet "Der Spiegel". Eine Expertengruppe des Heeres bezeichne das Feldlager der Bundeswehr ("Camp Warehouse") in Kabul als "eklatantes Beispiel" für Lücken bei der Sicherung etwa gegen die häufigen Angriffe mit Raketen. Laut "Spiegel" wird in internen Vermerken der Bundesregierung der Verdacht geäußert, hinter den Angriffen auf die Isaf-Friedenstruppen könnten "Teile der afghanischen Übergangsregierung" unter Präsident Hamid Karsai sowie der afghanische Geheimdienst stecken. Bei einem Selbstmordattentat auf einen Bundeswehr-Konvoi waren Anfang Juni in Kabul vier Soldaten getötet und 29 teils schwer verletzt worden. Der "Spiegel" berichtet, damals seien interne Richtlinien für die Sicherung von Fahrzeugkonvois missachtet worden. Heimgekehrte Soldaten erheben laut "Spiegel" zudem den Vorwurf, dass deutsche Einheiten auf Erkundungsfahrten außerhalb des eigentlichen Einsatzgebietes der Isaf-Truppen geschickt worden sind. Entgegen den Sicherheitsvorschriften seien Spähtrupps sogar in ungepanzerten Fahrzeugen in minengefährdete Gebiete entsandt worden.Das Bundesverteidigungsministerium hat dem Bericht inzwischen widersprochen. Ein Sprecher des Ministeriums sagte: "Der Bericht der Expertengruppe ist vom Herbst des vergangenen Jahres. Die aufgezeigten Mängel wurden alle beseitigt."

Irakische Schiiten rufen zur Bildung von eigener Armee auf

El Sadr will Amerikaner aus Nadschaf vertreibenIrakische Schiiten rufen zur Bildung von eigener Armee auf

Bagdad (rpo). Die Schiiten im Irak wollen offenbar eine eigene Armee aufbauen. Das forderte einer ihrer führenden Geistlichen. Die Truppen sollten in erster Linie dazu dienen, die US-Streitkräfte aus den Heiligen Stätten der Schiiten zu vertreiben. In Bagdad kam es erneut zu Schusswechseln und Explosionen.Die "Imam-Armee" werde die Amerikaner aus Nadschaf und anderen Heiligen Städten vertreiben und den moralischen Verfall des Landes stoppen, sagte Scheich Muktada el Sadr beim Freitagsgebet vor 50.000 Menschen in der südlich von Bagdad gelegenen Stadt Kufa. In der Hauptstadt waren auch am Samstag wieder Schüsse und Explosionen zu hören. Mehrere zehntausend Menschen hätten sich bereits für die Mitgliedschaft in der Religionsarmee gemeldet, sagte der Geistliche der Nachrichtenagentur AP. Die Organisation wolle ihre Ziele mit friedlichen Mitteln erreichen. El Sadr ist der Sohn eines schiitischen Geistlichen, der zusammen mit zwei anderen Söhnen 1999 einem Attentat zum Opfer fiel. Die US-Truppen errichteten am Freitag neue Straßensperren zwischen Bagdad und Kufa sowie dem benachbarten Nadschaf. Es gebe Berichte, dass Anhänger von El Sadr Waffen nach Nadschaf geschmuggelt hätten, sagte ein US-Offizier. Allerdings habe El Sadr nur eine begrenzte Anhängerschaft und könne nicht für die Mehrheit der irakischen Schiiten sprechen. Muslime fordern Beerdigung von Udai und KuseiDie Lage in der irakischen Hauptstadt war am Samstag weiter gespannt. Bei einem Einsatz gegen mutmaßliche Entführer wurde am Morgen der Leiter der irakischen Polizeiakademie, Brigadegeneral Ahmed Kadhim, angeschossen. Fünf weitere Polizisten wurden mit ihm verwundet, einer davon schwer. Die Debatte um den Tod der Söhne des gestürzten irakischen Staatschefs Saddam Hussein, Odai und Kusai, dauerte unterdessen an. Kritik gab es dabei vor allem an der Zurschaustellung der Leichen durch die US-Truppen. Die USA erklärten, sie wollten die Iraker davon überzeugen, dass die beiden wirklich tot seien und dass ihre Herrschaft damit beendet sei. Muslime kritisierten aber, dass ihre Körper von Bestattern präpariert worden seien und dass sie nicht unverzüglich beigesetzt wurden. Bei der Fahndung nach Saddam Hussein wurden am Freitag 13 Personen festgenommen, darunter sollen auch einige frühere Leibwächter sein.

Rau ist von Aufschwung 2004 überzeugt

Entscheidung über zweite Amtszeit nach Bayern-WahlRau ist von Aufschwung 2004 überzeugt

Hamburg (rpo). Bundespräsident Johannes Rau glaubt, dass es mit der deutschen Wirtschaft im Jahr 2004 wieder bergauf geht. Allerdings seien auch noch schmerzhafte Reformen nötig, sagte das Staatsoberhaupt in einem Interview.Im Gespräch mit der "Welt am Sonntag" sagt Rau: "Ich bin ganz optimistisch." Die Zahl der Arbeitsplätze werde wieder zunehmen. Seine Sorge sei aber, dass der Sockel von Langzeitarbeitslosen bleibe oder gar steige. Deswegen sei es richtig, die Programme gegen Langzeitarbeitslosigkeit fortzusetzen oder sogar zu intensivieren. Hier seien aber auch die Unternehmen gefragt. Rau rief auf, Reformen auch dann entschlossen anzupacken, wenn diese schmerzhaft seien: "Dabei werden wir auch auf manches verzichten müssen, an das wir uns in vielen guten Jahren gewöhnt haben." Nach seinem Eindruck hätten die Menschen verstanden, dass Veränderungen notwendig seien, wenn der Sozialstaat erhalten werden solle. Deshalb appelliere er an Politik und Bürger gleichermaßen: "Die, die entscheiden, brauchen Mut, Verantwortungsbewusstsein und Sensibilität. Die Bürgerinnen und Bürger brauchen Realitätssinn und die Einsicht in das Machbare." Wichtig sei, dass die Menschen die Diskussionen nachvollziehen könnten, sagte der Bundespräsident. Es müsse klar sein, wer wem welche Veränderungen auferlegen wolle und warum er das wolle. Deshalb habe er auch immer gefordert, dass der Bundestag der Ort sein müsse, an dem Argumente ausgetauscht und Standpunkte deutlich gemacht würden. "Ich weiß, dass es Situationen gibt, in denen man nur in kleinen Verhandlungsgruppen weiterkommt", erklärte Rau. Aber die Bürger dürften nicht den Eindruck gewinnen, dass Politik nur in Geheimzirkeln oder Kommissionen stattfinde. Wenn die Transparenz fehl, nehme auch die Akzeptanz ab. Die Entscheidung über eine zweite Amtszeit wird Rau aller Voraussicht nach erst nach der bayerischen Landtagswahl im September bekannt geben: "Nach der Wahl in Bayern wird jedenfalls klar sein, wie die Bundesversammlung zusammengesetzt sein wird, die den Bundespräsidenten wählt. Ab dann können sich also auch die Parteien mit diesem Thema seriös beschäftigen und dann wird auch jeder wissen, was ich für mich entschieden habe. Meine Entscheidung über die Frage nach einer zweiten Amtszeit habe ich zwar längst gefällt, aber ich will sie erst zum geeigneten Zeitpunkt bekannt geben. Ich habe nicht die Absicht, das Sommerloch mit einer wilden Debatte über das Amt und die Person des Bundespräsidenten zu füllen." Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle dementierte, dass seine Partei Fraktionschef Wolfgang Gerhardt als eigenen Kandidaten in die Wahl zum Bundespräsidenten schicken will. Die "Bild"-Zeitung (Samstag) hatte berichtet, die engste FDP-Spitze habe sich auf Gerhardt verständigt. Diese Entscheidung sei bereits vor geraumer Zeit gefallen. Westerwelle teilte am Samstag in Berlin mit, die FDP werde Ende des Jahres über eine eigene Kandidatur oder die Unterstützung des Kandidaten einer anderen Partei entscheiden. "Es gibt keinerlei Vorfestlegungen." Anfang Juni war Westerwelle Spekulationen entgegengetreten, seine Partei wolle Ex-Außenminister Klaus Kinkel ins Rennen um die Nachfolge von Johannes Rau als Bundespräsident schicken. Damals wie heute betonte Westerwelle die Schlüsselstellung seiner Partei in der Bundesversammlung.

Bürgerversicherung: Verstärkte Kritik aus der Union

Rürup hält Diskussion für verfrühtBürgerversicherung: Verstärkte Kritik aus der Union

Berlin (rpo). In der Union hat sich der Widerstand gegen eine allgemeine Bürgerversicherung im Gesundheitswesen verstärkt. Mehrere Vorstandmitglieder der CDU lehnten das Modell als zu teuer ab und sprachen sich für eine Kopfpauschale aus. Die Diskussion sei zwar noch nicht abgeschlossen, "aber die Tendenz gehe eher in Richtung Kopfpauschale", sagte das CDU-Präsidiumsmitglied Hildegard Müller der "Berliner Zeitung" (Samstag). Unter der Kopfpauschale wird ein fester Betrag verstanden, den alle Bürger monatlich zahlen müssten, unabhängig von ihrem Einkommen. Dafür hatten sich zuletzt vor allem Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) sowie der Sozialexperte Bert Rürup ausgesprochen. Der CSU- Gesundheitsfachmann Horst Seehofer ist dagegen Anhänger der Bürgerversicherung ebenso wie zahlreiche Politiker in der SPD und bei den Grünen. Die CDU-Politikerin Müller warnte, die Bürgerversicherung würde teurer als derzeit diskutiert. Die Einbeziehung von Beamten, Selbstständigen und Freiberuflern sei populär, führe aber nicht zu einer Senkung der Beitragssätze. Denn für diese Gruppen müssten dann auch Ansprüche erfüllt werden. CDU-Vorstandsmitglied Tanja Gönner lehnte die Bürgerversicherung ebenso ab. Der "Stuttgarter Zeitung" (Samstag) sagte sie, eine solche Versicherung löse keine der aktuellen Schwierigkeiten. Sie erhöhe lediglich das Risiko, dass immer mehr Geld in das Gesundheitssystem gezahlt werde, während der eigentlich notwendige Wettbewerb verhindert werde.Rürup hält Diskussion für verfrühtRegierungsberater Bert Rürup hält die Debatte um eine Bürgerversicherung hingegen für verfrüht. Sie beruhe mehr auf Wunschvorstellungen als auf Analyse und Fakten, sagte er der "Sächsischen Zeitung" (Samstagausgabe). Unstrittig sei, dass die gegenwärtige, ausschließlich auf den Löhnen bis zur Beitragsbemessungsgrenze basierende Finanzierung des Gesundheitssystems an ihre Grenzen gestoßen ist. Diese Art der Finanzierung sei eine Beschäftigungs- und Wachstumsbremse. "Die Bürgerversicherung hat auf den ersten Blick viel Charme", sagte Rürup. "Aber es wird nur sehr begrenzt das eigentliche Problem, nämlich die Abkopplung der Gesundheitsausgaben von den Arbeitskosten gelöst." Dazu gebe es "eine Unsumme nicht gelöster technischer Probleme der Umsetzung", so der Leiter der nach ihm benannten Kommission zur nachhaltigen Finanzierung der Sozialsysteme. "Bei der Bürgerversicherung bleibt dieser soziale Ausgleich innerhalb der Versicherung, beim Gesundheitsprämienkonzept wird diese Umverteilungsfunktion dorthin verlagert, wo sie meines Erachtens hingehört - in das staatliche Steuer- und Transfersystem", sagte Rürup. Dort sei die Umverteilung "viel zielgenauer, sprich gerechter", zu machen ist als über die Versicherung.

Clement: Gesundheitsreform "noch lange nicht am Ende"

Wirtschaftsminister kündigt weitere Reformen anClement: Gesundheitsreform "noch lange nicht am Ende"

Hamburg (rpo). Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement sieht den Umbau des deutschen Gesundheitswesens noch lange nicht abgeschlossen. In einem Interview forderte Clement weitere Reformschritte. Sozialministerin Ulla Schmidt hat angekündigt, die nächste Reform müsse spätestens 2010 stehen."Wir sind nicht mehr in der Lage, das Gesundheitssystem wie bisher zu finanzieren", sagte Clement in einem Interview der "Bild am Sonntag". "Deshalb befinden wir uns in einem gravierenden Umbau, bei dem der Einzelne wieder mehr Eigenverantwortung - und mehr eigene Lasten - übernehmen muss. Und wir sind mit diesem Prozess noch lange nicht am Ende. Auch Kassen, Ärzte, Apotheker und Pharmaindustrie müssen sich auf weitere Veränderungen einstellen. Wir brauchen auch in diesen Bereichen noch wesentlich mehr Bewegung, mehr Markt und Wettbewerb und weniger Bürokratie." Der Minister verteidigte die in den Konsensgesprächen getroffenen Vereinbarungen. Man habe rasch handeln müssen, "um die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft durch eine Trendwende bei den Lohnnebenkosten zu sichern", sagte Clement. "Die Reformdiskussion wird aber nach diesen ersten Schritten weitergehen müssen. Um es klar zu sagen: Mir geht es dabei um mehr Wettbewerb in unserem Gesundheitssystem und die Überwindung überkommener Strukturen." Neue Antworten auf die demographische VeränderungBundessozialministerin Ulla Schmidt (SPD) hat unterdessen eingeräumt, dass ihre jüngste Reform das bestehende Gesundheitssystem nicht retten kann. "Die nächste große Reform muss spätestens 2010 stehen", sagte Schmidt im Interview des Nachrichtenmagazin "Focus". "Dann werden wir neue Antworten auf die demographische Veränderung in der Bevölkerung gefunden haben müssen." Schmidt hofft, dass ihre eigene Reform "wenigstens bis 2007 hält". Von "Abzocke kann keine Rede sein", verteidigte die Ministerin den Kompromiss. Die Menschen seien "in punkto Reformbereitschaft weiter als Lobbyisten und Verbändesprecher". Offen steht die Ministerin einem kompletten Systemwechsel gegenüber: "Meine Sympathie gilt der Bürgerversicherung. Denn sie kann gesellschaftlich integrierend wirken." Der Streit zwischen Ministerin Schmidt und Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) um die Gesundheitsreform spitzt sich laut "Focus" zu. Eichel habe massive Bedenken gegen den Plan der Gesundheitsministerin, die Schulden der Krankenkassen von aktuell sieben Milliarden Euro per Gesetz ins neue Jahr zu schieben. In diesem Fall befürchten Experten im Finanzministerium einen Verstoß gegen den europäischen Stabilitätspakt.