Seehofer setzt auf BürgerversicherungBürgerversicherung entzweit Union und SPD
Berlin (rpo). Die Dabatte um eine sogenannte Bürgerversicherung kocht in der SPD wie in der Union. Der Streit um Für und Wider eines Systemwechsels in der Krankenkasse-Finanzierung entzweit die großen Parteien. Unterdessen plant die Regierung schon für die Zukunft.Dagegen forderte die Grünen- Fraktionsvorsitzende Krista Sager, die Bürgerversicherung noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg zu bringen. Ein unterschiedliches Echo fand die Forderung bei Kassenvertretern und Wissenschaftlern. Der Verhandlungsführer der Union bei den Gesundheits- Konsensgesprächen, Horst Seehofer, kündigte an, er werde in den eigenen Reihen heftig für die umstrittene Bürgerversicherung kämpfen. Ihre Einführung steht für den CSU-Politiker so gut wie fest: "Da gehe ich jede Wette ein", sagte er dem "Spiegel". Auch Sager gab sich überzeugt: "An der Bürgerversicherung führt kein Weg vorbei. Noch in dieser Legislaturperiode muss die Entscheidung über die Ausgestaltung der Bürgerversicherung fallen", sagte sie der "Bild am Sonntag". Seehofer erntete WiderspruchWiderspruch erntete Seehofer aus der CDU, so von Partei-Vize Jürgen Rüttgers: Sicherlich müsse man über eine Bürgerversicherung diskutieren. "Ich habe aber erhebliche Bedenken gegen eine solche Einheitsversicherung. Wir müssen überlegen, wie wir mehr Wettbewerb im Gesundheitswesen schaffen können", sagte Rüttgers der "Bild am Sonntag". Baden-Württembergs Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) warnte davor, die Bürgerversicherung als Zauberformel zu sehen. Für CDU-Präsidiumsmitglied Hildegard Müller ist die Diskussion zwar noch nicht beendet, die "Tendenz" gehe aber "eher in Richtung Kopfpauschale", sagte sie der "Berliner Zeitung". Die Einbeziehung von Beamten, Selbstständigen und Freiberuflern sei zwar populär. Sie führe aber nicht zur Senkung der Beitragssätze. Auch in der SPD gibt es keine klare LinieAuch in der SPD gibt es keine klare Linie. Bundessozialministerin Ulla Schmidt (SPD) ließ erneut Sympathie für eine Bürgerversicherung erkennen. Diese werde "gesellschaftlich integrierend wirken", wie sie dem "Focus" sagte. Während sich SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler als Befürworter des Systemwechsels zu erkennen gab, äußerte sich SPD- Fraktionschef Franz Müntefering "skeptisch". Er kritisierte das Vorpreschen der Grünen und warnte im "Tagesspiegel am Sonntag" vor Schnellschüssen. Auf Distanz zu einer allgemeinen Umfinanzierung war auch die SPD-Gesundheitsexpertin Gudrun Schaich-Walch gegangen. Sie warnte ihre Partei vor "Vorfestlegungen". Regierungsberater Bert Rürup hält die Debatte für verfrüht. Sie beruhe mehr auf Wunschvorstellungen als auf Analyse und Fakten, sagte er der "Sächsischen Zeitung". Die Umsetzung der Bürgerversicherung berge "eine Unsumme nicht gelöster technischer Probleme". Der Chef der Kaufmännischen Krankenkasse KKH, Ingo Kailuweit, befürwortet den System-Wechsel: Diese Bürgerversicherung löse "zwar nicht alle Probleme, aber sie verteilt die Lasten solidarisch auf alle Schultern. Und das ist nur gerecht", sagte er der dpa. Der Berliner Ökonomieprofessor Charles B. Blankart warnte vor weiteren Ausgabensteigerungen bei einer Einführung der Bürgerversicherung. "Die Kostenexplosion im Gesundheitswesen erhielte so neuen Auftrieb", sagte er dem "Tagesspiegel am Sonntag". Faktisch werde damit "ein großer Einnahmenpool geschaffen, aus dem die Leistungserbringer bedient werden", kritisierte Blankart. Bundesregierung peilt schon nächste Reform anDie Bundesregierung peilt zur Stabilisierung des Gesundheitssystems bis zum Jahr 2010 schon die nächste Reform an. Bundessozialministerin Ulla Schmidt (SPD) räumte ein, dass die aktuellen Reformbestrebungen dafür nicht ausreichen. Bis zum Jahr 2007 strebt Schmidt eine Absenkung der Kassenbeiträge auf 12,15 Prozent an. Noch in dieser Legislaturperiode sollen sie auf 13 Prozent zurückgehen, versprach SPD-Fraktionschef Franz Müntefering. Heftiger Streit entzündete sich am Thema "Bürgerversicherung" zur Umfinanzierung der Krankenkassen. Konsens-Kritiker in und außerhalb der SPD rief Schmidt in ungewöhnlich scharfem Ton zur Ordnung. "Die nächste große Reform muss spätestens 2010 stehen", sagte Schmidt dem "Focus". "Dann werden wir neue Antworten auf die demographische Veränderung in der Bevölkerung gefunden haben müssen." Schmidt hofft, dass ihre eigene Reform "wenigstens bis 2007 hält". Auch Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) mahnte weitere Reformen an: "Wir sind nicht mehr in der Lage, das Gesundheitssystem wie bisher zu finanzieren", sagte er der "Bild am Sonntag". Alle Beteiligten müssten mehr Lasten selber tragen. Schmidt zeigte sich optimistisch, dass der paritätisch von Arbeitgebern und Arbeitnehmern finanzierte Kassenbeitrag 2007 auf 12,15 Prozent sinkt. Er liegt derzeit bei 14,4 Prozent. Dazu müssen aber wie verabredet das Krankengeld aus der Parität genommen und der Zahnersatz privatisiert werden. SPD-Fraktionschef Franz Müntefering versprach eine Absenkung der Krankenversicherungs-Beiträge auf 13 Prozent. "Die 13 Prozent sind versprochen - im Laufe der Legislaturperiode", sagte er dem "Tagesspiegel am Sonntag" (Berlin).