Kabinett tritt zu ersten Beratungen zusammenNeue belgische Regierung im Amt
Brüssel (rpo). König Albert II. hat knapp zwei Monate nach der Parlamentswahl in Belgien die neue linksliberale Regierung von Ministerpräsidenten Guy Verhofstadt vereidigt.Nicht mehr in der Fünfparteienkoalition vertreten sind die Grünen, die bei der Wahl am 18. Mai ein Debakel erlebt hatten. Vom alten Kabinett behielten Außenminister Louis Michel, Verteidigungsminister André Flahaut und Finanzminister Didier Reynders ihre Posten. Zusammen vereinigen Liberale und Sozialdemokraten, von denen insgesamt fünf regionale Organisationen in der neuen Regierung vertreten sind, 97 der 150 Sitze im belgischen Parlament auf sich. Verhofstadt berief auch fünf Frauen in sein Kabinett. Justizministerin Laurette Onkelinx ist eine von vier Stellvertretern des Ministerpräsidenten. Jüngstes Kabinettsmitglied ist die 28-jährige Umweltministerin Freya Van den Bossche, die Tochter des aus dem Amt geschiedenen Gesundheitsministers Luc Van den Bossche. Ihren Arbeitsschwerpunkt will die Koalition auf die Wirtschaft legen und 200.000 neue Arbeitsplätze schaffen. Ferner sind Steuersenkungen von jährlich 800 Millionen Euro und eine Steigerung der Gesundheitsausgaben um vier Prozent vorgesehen. Finanzbetrug soll stärker bekämpft, Benzin und Tabak sollen höher besteuert werden. Direkt im Anschluss an die Vereidigung im Brüsseler Königspalast trafen die 15 Minister zu einer ersten Sitzung zusammen, in der es um Änderungen des international umstrittenen Kriegsverbrechergesetzes ging. Die Änderungen sollen laut Verhofstadt sicherstellen, dass die Gerichte Klagen gegen Bürger aus Ländern mit einem funktionierenden Rechtssystem schnell abweisen. Dem belgischen Gesetz von 1993 zufolge kann mutmaßlichen Kriegsverbrechern ungeachtet des Ortes der Taten der Prozess in Belgien gemacht werden. Nach jüngsten Änderungen können Klagen weitergeleitet werden, wenn der Beklagte aus einem Land mit demokratischem Rechtssystem stammt. Die US-Regierung verlangt aber die Abschaffung des Gesetzes, unter dem wegen der Kriege in Afghanistan und Irak auch Klagen gegen Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und Außenminister Colin Powell eingereicht wurden. Rumsfeld hatte damit gedroht, den NATO-Hauptsitz aus Belgien zu verlegen, und 352 Millionen Dollar für die neue NATO-Zentrale eingefroren. Auch gegen den israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon, den britischen Premierminister Tony Blair und den kubanischen Staatschef Fidel Castro wurden bereits Klagen in Belgien eingereicht.