Reaktionen zur Stellungnahme Betroffene von Missbrauch äußern sich enttäuscht über Benedikt XVI.

Bonn · War es ein Befreiungsschlag oder eher ein weiterer Tiefschlag für die Opfer? Die Aussagen von Benedikt XVI. stoßen in Deutschland vor allem auf Kritik. Enttäuscht äußern sich insbesondere Betroffene von Missbrauch.

 Der emeritierte Papst rief mit seiner Stellungnahme vor allen Kritik hervor.

Der emeritierte Papst rief mit seiner Stellungnahme vor allen Kritik hervor.

Foto: dpa/Daniel Karmann

Sehr unterschiedliche Reaktionen hat die erneute Stellungnahme des emeritierten Papstes Benedikt XVI. zum Münchner Gutachten über Missbrauch hervorgerufen.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, begrüßte die Aussagen in einer kurzen Twitter-Nachricht, ohne näher auf Inhalte einzugehen. Benedikt habe zugesagt, sich zu äußern, und das nun eingelöst: "Dafür bin ich dankbar und dafür gebührt ihm Respekt."

Der Münchner Kardinal Reinhard Marx sagte, Benedikt XVI. bringe seine "tiefe Scham", seinen "großen Schmerz" und seine "Bitte um Entschuldigung gegenüber allen Opfern sexuellen Missbrauchs zum Ausdruck".

Skeptisch äußerte sich der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck. Er befürchte, dass die Worte "den Betroffenen in ihrem Aufarbeitungsprozess wenig weiterhelfen". Mit Sorge nehme er wahr, dass diese in ihren Rückmeldungen "enttäuscht und teilweise auch entrüstet" reagiert hätten. Und deren Sicht müsse doch bei der Aufklärung des Missbrauchsskandals "ein großes Gewicht haben".

Die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) hält die Bitte um Entschuldigung von Benedikt XVI. für nicht ausreichend. Er bleibe "relativ allgemein", sagte Irme Stetter-Karp - und "die Empathie gegenüber den Betroffenen fehlt".

Nach Ansicht des Vatikan-Kinderschutz-Experten Hans Zollner ist die Stellungnahme zwar sehr persönlich, aber zu allgemein. Anstelle einer "theologischen Überhöhung" in seinen Aussagen hätte Benedikt zudem konkreter auf seine Zeit als Erzbischof von München-Freising eingehen sollen, sagte Zollner der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Außerdem habe der frühere Papst die falsche Reihenfolge bei den Adressaten gewählt: Hätte Benedikt zuerst sein Bekenntnis gegenüber Betroffenen und dann erst den Dank an Freunde geäußert, käme sein Brief sicher besser an. In Italien allerdings werde er zumeist als beeindruckendes Schuldbekenntnis gelesen. Letztlich aber müssten vor allem Betroffene sagen, wie sie die Stellungnahme bewerten.

Opfer von Missbrauch reagierten überwiegend enttäuscht auf die Erklärung. Als "wirklich unsäglich" und wenig empathisch bezeichnete sie der Sprecher des Münchner Betroffenenbeirats, Richard Kick. Der ehemalige Papst kenne nur seine eigene Sichtweise.

Die Theologin Doris Reisinger nannte den Brief eine "bodenlose Verhöhnung der Betroffenen". Vor allem kritisierte sie die von Benedikt gewählten Bezeichnungen für Jesus als "Freund", "Bruder" und "Anwalt". In den Ohren Betroffener klinge das so, als stünde Jesus "nicht auf ihrer Seite, sondern auf der Seite derer, die sie all die Jahrzehnte gequält, ignoriert und verletzt haben".

Die Betroffenenorganisation Eckiger Tisch nannte die Erklärung einen weiteren Beleg für die "permanenten Relativierungen der Kirche in Sachen Missbrauch". Statt selbst die Verantwortung zu übernehmen, werde diese den Opfern aufgehalst, "wenn sie diese Art von Betroffenheitsbekundungen nicht angemessen zu würdigen vermögen".

Die Kommentare in den deutschen Medien fielen auch überwiegend kritisch aus. Benedikt XVI. verstecke sich hinter der Kirche und hinter seinen juristischen Beratern, hieß es unter anderem. Zudem stelle er sich erneut selbst als Opfer der Medien dar, bevor er auf die Opfer des Missbrauchs eingehe. Seine Bitte um Entschuldigung sei "halbherzig", weil er weiterhin sehr vage bleibe bei seiner persönlichen Verantwortung. Außerdem wähle er überwiegend passive Formulierungen, wenn er etwa schreibe, man sei "in eine übergroße Schuld hineingezogen" worden, oder dass Vergehen und Fehler "geschehen seien".

In Rom verteidigte Erzbischof Georg Gänswein Benedikt XVI.: "Diejenigen, die ihn kennen, wissen, dass der Vorwurf der Lüge absurd ist. Man muss zwischen einem Fehler und einer Lüge unterscheiden", sagte der Privatsekretär des früheren Papstes.

Zugleich hob er hervor, was Benedikt XVI. alles zum Thema Pädophilie gesagt und getan habe. Er sei der erste gewesen, der als Papst in diesem Feld Transparenz angestrebt habe, so Gänswein. Nichtsdestotrotz gebe es Menschen, die seine Person und sein Werk zerstören wollten.

(mabu/kna)
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