Reform der katholischen Sexualmoral Synodaler Weg fordert neue Sicht auf Homosexualität
Frankfurt · Mit seinen neuen Reformvorschlägen tritt der Synodale Weg erstmals für eine Änderung kirchlicher Lehre ein. Auch Segensfeiern für gleichgeschlechtliche Paare sollen möglich werden. Am Ende aber muss Rom entscheiden.
Der Synodale Weg fordert eine Neubewertung der Homosexualität und stimmt möglichen Segensfeiern für gleichgeschlechtliche Paare zu. Und weil dies den Katechismus berührt – also die weltkirchlich relevante Glaubenslehre –, richten sich die Anträge der dritten Synodalversammlung direkt an Papst Franziskus. Die Beratungen in Frankfurt werden damit an die katholische Welt weitergereicht.
Menschen, so heißt es, dürfen wegen ihrer homosexuellen Orientierung nicht diskriminiert werden. Für den Aachener Bischof Helmut Dieser ist Sexualität eine grundsätzlich „positive Kraft mit Veranstaltungsverantwortung“. Nach seinen Worten sind „Sexualität und Identität untrennbar miteinander verbunden“; das „Anderssein der Anderen“ gehöre zur Vielfalt der Kirche. Im Antrag heißt es, dass der Mensch „mit seiner Geschlechtlichkeit von Gott geschaffen ist“ und eine „unantastbare Würde“ habe. Zu jedem Menschen gehöre untrennbar seine sexuelle Orientierung: „Sie ist nicht selbst ausgesucht und sie ist nicht veränderbar.“ Auch darum sollen Segensfeiern in der katholischen Kirche für gleichgeschlechtliche Paare möglich werden.
Damit geht die Praxis der Lehre gewissermaßen voraus und ist weltkirchlich gesehen eines der größeren Reformanliegen der Synodalen. Das rief Skeptiker wie den Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer auf den Plan, der kritisierte, dass die kirchliche Lehre mit dem Antrag nicht weiterentwickelt werde, sondern einen Paradigmenwechsel darstelle. „Der Katechismus ist doch nicht der Koran“, erwiderte darauf Kardinal Reinhard Marx und zeichnete damit die Trennlinie, die aktuell besonders deutlich unter den deutschen Bischöfen in Reformfragen erkennbar wird. Der Katechismus, so Marx, sei eine Ansammlung unterschiedlicher Lehrsätze – nicht mehr und nicht weniger. Darum sei es seiner Meinung nach auch kein Sakrileg, über Änderungen nachzudenken. Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck ergänzte, dass die Lehre der Kirche und das Leben der Menschen in der Sexualmoral längst weit auseinandergehe. Deshalb habe nach seinen Worten die katholische Kirche ihre „Glaubwürdigkeit bei 99 Prozent der Menschen verloren“. Dass homosexuelle Handlungen im Katechismus als schwere Sünde bezeichnet würden, hielt der Münsteraner Bischof Felix Genn für „ausgesprochen peinlich“.
Für den Theologen Thomas Söding hat die Kirche viel zu viel Kraft in Verbote investiert. Dagegen setzte die Synodalversammlung auf Freiheit, Liebe und Verantwortung. „Das ist der Atem des Neuen Testaments“, so Söding. Der Text, so hieß es, habe etwas Befreiendes, zumal die Menschen sich schon lange nicht mehr in der Sexualmoral an der Kirche orientierten. Eine Neubewertung von Homosexualität und ehelicher Sexualität mache die Schlafzimmer nicht katholischer, sie würde der Kirche aber ein anderes, menschliches Gesicht geben. Die Benediktiner-Schwester Philippa Rath hat ihre Kirche lange Zeit als eine Kirche der Angst begriffen. „Diese Angst bröckelt jetzt“, betonte sie mit Blick auf die aktuellen Reformvorhaben.
Dazu gehören auch Segensfeiern für gleichgeschlechtliche Paare – für Menschen also, die „sich lieben und binden wollen, denen aber die sakramentale Ehe nicht zugänglich ist“. Der Reformvorschlag der Synodalversammlung plädiert noch nicht für eine Trauung im Sinne einer sakramentalen Ehe. Eine Ähnlichkeit zu ehelichen Traufeiern wird bewusst vermieden – aber wegen dieser vermeintlich kleineren Lösung auch kritisiert. In Segensfeiern soll zumindest Gottes Beistand erbeten werden. Es wäre ein Schritt auf jene Menschen zu, die sich unter anderem jüngst in der Bewegung „OutInChurch“ zu Wort meldeten und die inzwischen große Zustimmung und Solidarität bekamen.
Auch mit ihrem Angebot von Segensfeiern will die katholische Kirche anschlussfähig zur Lebensrealität der Menschen werden. Und das möglichst konkret: Bistümer sollen Segensformulare erarbeiten und Paargespräche anbieten, Seelsorger bekommen Fortbildungen und dürfen nicht mehr mit disziplinarischen Konsequenzen rechnen müssen, wenn sie diese Feiern leiten. Ein Tenor vieler anwesender Priester: Wer sind wir eigentlich, dass wir Menschen, die einander lieben, den Segen verweigern!
Es war eine wichtige Debatte, ein wichtiges Zeichen für viele Menschen in und außerhalb der Kirche – auch wenn die Anträge erst einmal in erster Lesung beraten wurden und sie bis zur endgültigen Beschlussfassung im Herbst noch einen weiten Weg vor sich haben. Doch gaben die Synodalen mit großen Mehrheiten den Autoren den ermutigenden Auftrag zur Weiterarbeit. Schließlich wird ganz am Ende noch eine Antwort aus Rom ausstehen. Diese dürfte erfahrungsgemäß aber noch einige Zeit dauern.
Eine erste Einschätzung auf mögliche Reaktionen des Vatikans gab in Frankfurt schon mal der Apostolische Nuntius in Deutschland, Erzbischof Nikola Eterović. Der Botschafter des Heiligen Stuhls machte die Synodalen erst einmal darauf aufmerksam, dass der Papst immerhin der „Bezugspunkt und das Zentrum der Einheit von über 1,3 Milliarden Katholiken weltweit“ sei – und das in Deutschland exakt nur 22.600.371 Katholiken lebten. Er beendete sein Grußwort mit einem Zitat des Kirchenlehrers Irenäus von Lyon (um 135 bis 202): „Die in Germanien gegründeten Kirchen glauben und überliefern nichts anders als die in Spanien oder bei den Kelten, die im Orient oder in Ägypten, die in Libyen oder in der Mitte der Welt.“
Dennoch freute sich die große Mehrheit der Synodalversammlung über ihren weiteren großen Schritt in Richtung der so wichtigen, lange erwarteten Reformen.