"Wetten, dass . . ?" Das Lagerfeuer geht aus — zumindest vorerst

Nürnberg · Am Samstag gegen 23 Uhr wird sich Markus Lanz bei "Wetten, dass . . ?" verabschieden: Dann ist Schluss, das Lagerfeuer der Fernsehnation wird gelöscht. Das komplette Genre Fernseh-Show steckt in der Krise.

Fremdschäm-Momente bei "Wetten, dass..?"
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Fremdschäm-Momente bei "Wetten, dass..?"

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Trauer wäre wohl zuviel, aber ein wenig Wehmut schwingt mit, wenn nach fast 34 Jahren eine Show verschwindet, bei der sich stets mehrere Generationen versammelt haben. Solch einen Grund, auf dem Sofa zusammenzurutschen, gibt es kaum noch im deutschen Fernsehen. "Der Lagerfeuer-Effekt kann nur noch mit einem Ereignis gelingen", sagt Siegmund Grewenig, Unterhaltungschef des WDR. Heute sei am ehesten der Fußball ein solches Ereignis: Bei Welt- und Europameisterschaften stiften die Spiele der deutschen Nationalmannschaft eine Gemeinschaft, die es sonst vor dem Fernseher nur noch selten gibt.

Fernsehen als Erlebnis

Zu Beginn von "Wetten, dass . . ?" und anderer großer Samstagabend-Unterhaltungsshows war das noch anders. "Das Fernsehen kommt aus einer Zeit, in der das gemeinsame Zuschauen selbst noch das Ereignis war", stellt Grewenig fest. Der "Tatort" beispielsweise ist nicht nur Krimi, sondern auch Erlebnis.

Doch das Genre Show hat es allgemein schwer. Auf der internationalen TV-Messe Mipcom in Cannes, wo sich die Branche aus aller Welt trifft, fehlte es an Innovationen. "Die große neue Show-Idee war dort in diesem Jahr nicht zu finden", betont Grewenig. Selbst wenn es eine neue Sendung gibt, die eine ganze Branche begeistert, bedeutet es nicht zwangsläufig, dass sie auch dem Zuschauer gefällt. Die interaktive Musik-Sendung "The Rising Star" wurde in Cannes gefeiert und bei RTL schnell wieder vom Schirm genommen - zu wenig Interesse, noch nicht mal ein Strohfeuer.

Besondere "Wetten, dass..?"-Momente
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Besondere "Wetten, dass..?"-Momente

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Foto: dpa, mk olg kde

Neue Konzepte haben es schwer. "Mein bester Feind" (ProSieben) mit Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf wirkt wie "Schlag den Raab" - jedoch wie eine Hardcore-Variante wegen zu absolvierender Prüfungen, bei denen man sich auch mal spontan tätowieren lässt. Nur 1,4 Millionen schalteten ein. "Das Supertalent" von RTL ist eine Mischung aus "Wetten, dass . . ?", "Deutschland sucht den Superstar" und dem Zirkusfestival aus Monte Carlo. Deshalb recyceln viele Sender Klassiker: "Dalli Dalli" heißt nun "Das ist Spitze"; "Geld oder Liebe" erlebte zum 25. Geburtstag ein Revival. Wirklich herzerwärmend ist das nicht, erst recht nicht für Jüngere, die mangels Erinnerungen nicht in Nostalgie schwelgen können.

Normalos dürfen nur noch kochen

Da normale Menschen im Fernsehen anscheinend nur noch kochen dürfen oder verulkt werden, sind immer häufiger Prominente die Show-Teilnehmer. Opernsänger messen sich in Wettkämpfen mit Kindern, oder Schauspieler arbeiten sich durch Quizfragen zu Tieren und dem menschlichen Körper. Auch die neue Spiele-Show, die das ZDF mit Johannes B. Kerner plant, lässt Prominente gegen Kinder antreten. Authentizität bekommt kein Vertrauen.

"Wetten, dass..?" in Daten, Zahlen und Fakten
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"Wetten, dass..?" in Zahlen

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Foto: ZDF/Ali Schafler/ORF

Da auch Stars gerne ein Comeback wagen, muss die Frage erlaubt sein: War's das wirklich mit "Wetten, dass . .?"? Als das ZDF im April das Aus verkündete, sagte Programmdirektor Norbert Himmler: "Der Aufwand einer so großen Show steht nicht mehr im Verhältnis zur Zuschauer-Resonanz." Das Zweite tingelt mit seiner Entourage von Stadt zu Stadt, von Saal zu Saal. Trotzdem sieht die Sendung immer gleich aus und rechtfertigt nicht die zwei Millionen Euro Produktionskosten.

Würde man die Ausgaben senken und mehrere Shows als Staffelproduktion in einem Studio aufzeichnen, wären die fünf oder sechs Millionen Zuschauer, die heute als das tiefste Tief und Absturz gelten, gar nicht mehr eine so schlechte Quote.

1981: So sah die Welt aus, als "Wetten, dass..?" an den Start ging
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Branchenkenner glauben deshalb, dass das ZDF in Ruhe einen Nachfolger suchen wird und "Wetten, dass . . ?" zurückkommt. Die Markenrechte für die Sendung bleiben in Mainz. Fünf Jahre ist eine Marke selbst bei Nichtnutzung sicher.

(RP)
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