So wird der „Tatort“ am Sonntag Gut gegen Böse auf dem Berliner Wohnungsmarkt

Berlin · Im „Tatort“ aus Berlin scheinen die Rollen klar verteilt: Spekulanten gegen Mieter. Doch ganz so einfach ist es eben nicht, stellen die Kommissare Karow und Rubin fest – auch nicht mit ihrem Beziehungsstatus.

 Die Kommissare Karow (Mark Waschke) und Rubin (Meret Becker) ermitteln mit Maske im Umfeld eines Mietshauses und müssen gleichzeitig ihren eigenen Beziehungsstatus klären.

Die Kommissare Karow (Mark Waschke) und Rubin (Meret Becker) ermitteln mit Maske im Umfeld eines Mietshauses und müssen gleichzeitig ihren eigenen Beziehungsstatus klären.

Foto: dpa/Gordon Muehle

Die erste Haut ist der eigene Körper, die zweite die Kleidung und die dritte die Wohnung – und alle drei sind existenziell wichtig für das persönliche Wohlbefinden. So weit die Theorie. Doch was passiert, wenn die eigene Wohnung nicht mehr sicher ist, wenn Wohnraum knapp und teuer wird, wenn Spekulanten ein Mietshaus aufkaufen, die Mieten mithilfe von Luxussanierungen massiv erhöhen und das Haus, in dem die Bewohner teilweise seit Jahrzehnten leben, am Ende zwangsgeräumt wird? Genau das lässt sich derzeit in vielen deutschen Großstädten beobachten – in Berlin ist der Anstieg besonders drastisch, in manchen Gegenden haben sich die Mietpreise in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt. Viele können sich das nicht mehr leisten, teils sind wütende Proteste und Hausbesetzungen die Folge. In diesem Spannungsfeld ist der neue „Tatort“ aus Berlin angesiedelt.

Und die Rollen sind ziemlich klar verteilt: Der Immobilienunternehmer Cem Ceylan (Murat Dikenci) wird tot vor einem Haus gefunden, das seine Firma erst vor Kurzem gekauft hatte. Diese betreibt er gemeinsam mit Mutter Gülay (Özay Fecht), Schwester Yeliz (Sesede Terziyan) und deren Mann Thomas (Florian Anderer). Doch wer bei einem Familienunternehmen an soziale Verantwortung denkt, liegt falsch: Konsequent wird das Haus an der fiktiven Georgistraße entmietet, um die aufwendig sanierten Wohnungen anschließend teuer verkaufen zu können.

Das trifft eine teils alteingesessene Mieterschaft: Vier Parteien haben dem Druck standgehalten und wohnen weiter in dem Haus. Eine junge Familie erwartet Nachwuchs und will nicht umziehen, Ilse Kirschner (Friederike Frerichs) lebt schon seit fast 60 Jahren hier und kann sich nicht vorstellen, ihr Zuhause zu verlassen, und die Alleinerziehende Jenny Nowack (Berit Künnecke) und der freie Journalist Dries Vandenbroucke (Tijmen Govaerts) könnten sich in ihrem Kiez kaum etwas Neues leisten. Und dann ist da noch Otto Wagner (Peter René Lüdicke), der frühmorgens mitsamt Frau und kleiner Tochter seine Wohnung räumen muss.

Auf den ersten Blick ist es also Gut gegen Böse auf dem Berliner Wohnungsmarkt. Dass es ganz so einfach dann natürlich doch nicht ist, stellen die Kommissare Nina Rubin (Meret Becker) und Robert Karow (Mark Waschke) bei ihren Ermittlungen – coronabedingt häufig mit Maske – fest. Und arbeiten nebenbei an ihrer Beziehung – diese hatte sich über mehrere Folgen entwickelt, jetzt landen sie sogar im Bett. Und bleiben über Nacht – aber natürlich trotzdem beim Sie.

Der Fall an sich ist mäßig spannend, der reale Hintergrund aber für viele Großstadtbewohner bittere Realität. Und dieser wird in „Die dritte Haut“ (Regie: Norbert ter Hall) immer wieder effektvoll eingeblendet – „Wohnung gesucht“-Zettel an Laternenmasten, die wohl jeder kennt, der in einer größeren Stadt wohnt, Menschen, deren Schicksal in kur­zen Texten erzählt wird, Aufnahmen besetzter Häuser – die Räumung der Liebigstraße 34 machte im vergangenen Herbst bundesweit Schlagzeilen. „Wer in Berlin wohnt, kommt um das Thema gar nicht herum“, sagt Drehbuchautorin Katrin Bühlig. Als sie in den Nachrichten gesehen habe, dass eine Wohnung im Prenzlauer Berg 800 Menschen besichtigen wollen, sei ihr klargeworden, dass der Kampf um den Wohnraum auch ein „Tatort“-Thema ist: „Würden wir für eine bezahlbare Wohnung jemanden töten?“

„Tatort: Die dritte Haut“, Das Erste, 20.15 Uhr

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