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Altenas Bürgermeister bei Markus Lanz „Wer als Bürgermeister sagt, er verspüre zu keinem Zeitpunkt Angst, der sagt nicht die Wahrheit”

Düsseldorf · Andreas Hollstein wurde 2017 mit einem Messer verletzt, Pistolen oder Polizeischutz kommen für den Politiker trotzdem nicht in Frage. Er setzt auf andere Wege: offene Worte und Zivilcourage. Bei Markus Lanz im ZDF erklärt er am Abend weshalb.

 Altenas Bürgermeister Andreas Hollstein (CDU) fordert am Abend bei Markus Lanz im ZDF mehr Zivilcourage.

Altenas Bürgermeister Andreas Hollstein (CDU) fordert am Abend bei Markus Lanz im ZDF mehr Zivilcourage.

Foto: Screenshot ZDF

In einem Dönerladen wurde Andreas Hollstein, Bürgermeister im sauerländischen Altena, 2017 verletzt. Zuvor war er wegen seiner Flüchtlingspolitik massiv angefeindet worden. Nach der Messerattacke wurden die Angriffe auf ihn nicht weniger, sondern mehr. “Wer heute als Bürgermeister sagt, er verspüre zu keinem Zeitpunkt Angst, der sagt höchstwahrscheinlich nicht die Wahrheit”, zitiert Markus Lanz den CDU-Politiker am Abend im ZDF und fragt Hollstein, der inzwischen als Oberbürgermeisterkandidat für Dortmund nominiert wurde: “Warum machen Sie dennoch weiter?”

Hollsteins Antwort hätte kurz und bündig lauten können: Genau deshalb - weil nicht sein dürfe, dass Politiker Angst haben. Aber der Sauerländer führt weiter aus. In einem Land, in dem das “Unsagbare wird wieder sagbar” werde, fühle er sich verpflichtet, nun erst recht um die Demokratie zu kämpfen. Ihn erfülle es mit Sorge, zu sehen, “wie stark die politische Mitte unter Druck gerät, wie wir an Stammtischen reden, uns in ablehnenden Haltungen gegenüber anderen noch bestärken.“

Angriffe und Hass, die heutzutage in den Rathäusern ankommen, bei Feuerwehren, Sanitätern und Polizisten, aber auch bei haupt- und ehrenamtlichen Politikern seien nicht mehr fassbar, sagt Hollstein und zitiert Nobelpreisträgerin Herta Müller, die 2015 bei der Verleihung des Heinrich-Böll-Preises in Köln sagte: „Wenn Worte wie Volksverräter und Lügenpresse lange genug spazieren gehen, geht auch mal ein Messer spazieren.“ Er selbst habe Angst, dass “wenn wir nicht alle entschlossen eintreten, und unser Land als etwas Wertvolles betrachten”, die Gesellschaft eines Tages wieder an einem Punkt ankomme, an dem die Enkel von ihren Großeltern keine Antworten auf schwierige Fragen mehr bekämen.

Viele seiner Kollegen würden nach persönlichen Drohungen nicht mehr antreten, andere redeten nicht über Angriffe, weil das “als Schwäche oder Inszenierung” verstanden werde, sagt Hollstein zu der zunehmenden Bedrohung von Politikern. Er selbst habe einen anderen Weg gewählt, er rede viel über die Angriffe, die ja nicht allein seine Person beträfen - selbst seine 83-jährige Mutter bekomme entsprechende Briefe. Kurz habe auch er nach dem Angriff im Herbst 2017 überlegt, sich zurückzuziehen. Dann habe er entschieden, dass er sich nicht in die Opferrolle drängen lassen werde.

Deutliche Kritik übt Hollstein an sozialen Medien und der Art wie Hass und Hetze dort verfolgt würden. In diesen „Echokammern“ bewegten sich „Leute nur noch zwischen ihren eigenen Meinungen, und wer labiler oder leicht beeinflussbar ist, der glaubt das dann.“ Auch den Messerstecher selbst - er wurde für den Angriff auf Hollstein zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe zur Bewährung, verurteilt - hält der Bürgermeister nicht für den wirklichen Täter, sondern eher für ein Werkzeug. Die eigentlichen Täter seien für ihn jene, die in sozialen Medien und anderswo Hasskommentare verbreiteten. Gegen die möchte er sich wehren: durch Vorträge und auf anderen Wegen, auch damit es Kollegen nicht eines Tages geht wie ihm.

Im Dezember 2017 seien 8.000 bedrohende und hetzende Einträge in sozialen Medien untersucht worden, 67 davon wurden schließlich zum Staatsschutz weiterreitet, keiner hätte eine Verurteilung nach sich gezogen. Polarisierung sei für die Unternehmen, die mit soziale Medien Geld verdienten, ein Geschäftsmodell. Das werde sich auch in Zukunft nicht ändern, so Hollstein.

“Die Antwort ist die Zivilgesellschaft in diesem Land”, appelliert der Politiker und bekommt viel Applaus. “Wir müssen den Mund aufmachen, wir müssen da mutig eintreten.” Zum Glück täten das ja auch viele Menschen. Am Tag nach dem Angriff auf ihn seien beispielsweise spontan 400 Bürger für ihn auf die Straße gegangen.

Hollstein kandidiert im Herbst 2020 als Oberbürgermeister für Dortmund und verspricht in Lanz’ Runde, sich auch dort “mit aller Hingabe” für die Demokratie einzusetzen. Kostenpflichtiger Inhalt Der CDU-Mann hatte bereits mehrfach gesagt, dass er von Waffen für Politiker nichts halte. “Politiker, die mit Bürgern auf Augenhöhe sprechen können, dürfen keinen Schutz brauchen und haben. Das gehört zum Wesen der Demokratie. Sonst kommen wir in einen totalitären Bereich.”

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