TV-Nachlese zu „Anne Will“ Beifall für rheinische Kohlekritikerin Antje Grothus

Düsseldorf · Konsens über Klimapolitik? Von wegen. Bei „Anne Will“ geht es um den Gesetzesentwurf zum Kohleausstieg. Gleich in den ersten Minuten fällt das Wort „Kungelrunde“.

Die Talkrunde zum Kohleausstieg bei „Anne Will“ am 26.01.2020.

Die Talkrunde zum Kohleausstieg bei „Anne Will“ am 26.01.2020.

Foto: ARD

Vor den Folgen des Klimawandels hat zuletzt das Weltwirtschaftsforum in Davos gewarnt. Über die passenden Klimaschutzmaßnahmen und ihre Umsetzung gibt es oft Streit – vor allem, wenn es um Geld und Arbeitsplätze geht. Wohin sollen die Investitionen der Bundesregierung in den Klimaschutz fließen?

Darum ging’s

Im Fokus der Klimaschutzdebatte in Deutschland steht derzeit ein Gesetzesentwurf zum Kohleausstieg, den die Bundesregierung am Mittwoch verabschieden will. Er folgt nicht den Empfehlungen der Kohlekommission, sondern Vorschlägen aus einer Sitzung von Bund und Ländern und sieht Milliardenausgaben vor. Bei „Anne Will“ diskutieren die Gäste am Sonntagabend darüber, ob das Geld bei den Richtigen ankommt. Dabei hat die rheinische Kohlekritikerin Antje Grothus das letzte Wort.

Die Gäste

  • Reiner Haseloff, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, CDU
  • Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen) im Bundestag
  • Marie-Luise Wolff, Präsidentin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft
  • Antje Grothus, Umweltaktivistin
  • Sebastian Lachmann, Industriekaufmann beim Energieunternehmen LEAG in Cottbus

Der Frontverlauf

Den Auftakt macht Antje Grothus, die als Umwelt- und Bürgeraktivistin in der Kohlekommission mitgewirkt hatte, mit harscher Kritik am Gesetzesvorhaben. Eine „Kungelrunde“ mit der Kanzlerin und den Ministerpräsidenten der Bundesländer habe den „Minimalkompromiss“ der Kohlekommission „leichtfertig aufs Spiel gesetzt“. Grothus führt unter anderem an, dass das Kraftwerk Datteln nun doch ans Netz gehen und rheinische Dörfer dem Tagebau Garzweiler weichen sollen. „Es ist ein Skandal, dass Ministerpräsident Laschet sozusagen eine Lex Laschet geschaffen hat“, sagt sie.

Als Mitglied der dazugehörigen Sitzung hakt Reiner Haseloff, Ministerpräsident von Sachsen Anhalt (CDU) sogleich ein: „Das sind keine Kungelrunden, das ist unsere Arbeitszeit.“ Damit ist der Ring frei für einen Schlagabtausch, der später wieder aufflammt. Doch zunächst springt Anton Hofreiter (Grüne) Grothus bei. Er bemängelt, dass die Umweltverbände, die an dem durch die Kohlekommission ausgehandelten Kompromiss beteiligt waren, für ihre große Leistung keinen Dank, sondern einen „gesetzgeberischen Fußtritt“ bekämen. Auf die Rückfrage der Moderatorin Anne Will, warum die Grünen denn dabei mitmachten, gerät er allerdings ins Schlingern.

Nun sind zwei Seiten der Energieindustrie am Drücker: Zuerst darf Sebastian Lachmann, Cottbusser Mitarbeiter des Energieunternehmens LEAG (früher Vattenfall), erklären, warum er die Veränderungen für den Gesetzesentwurf begrüßt. Vor allem geht es ihm demnach um Zeit, in seiner Heimat einen Strukturwandel in die Wege zu leiten. Ehe die Präsidentin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft, Marie-Louise Wolff, daran anknüpfen kann, provoziert Will. Sie fragt, wie viele Champagnerkorken in ihrem Verband knallten angesichts längerer Laufzeiten, Entschädigungen für Betreiber und dem grünen Licht für das Kraftwerk Datteln 4. Eine Antwort bekommt sie nicht.

„Ausstieg hört sich ja an wie eine Beerdigungsveranstaltung“, steigt Wolff in die Debatte ein – und versucht, den Blick auf den Einstieg in Erneuerbare Energien zu lenken. Doch das lässt Will ihr nicht durchgehen. Schließlich macht Wolff eine Rechnung für die Entschädigungszahlungen auf, die mit dem Satz endet: „Was werden unsere Kinder sagen, wenn wir ihnen sagen: Das waren uns zwei Milliarden zu viel?“ Hofreiter bügelt das mit einem konkreten Vorschlag ab: Er plädiert dafür, Entschädigungsgelder in einem Fond zu sichern, statt sie direkt den Unternehmen zu geben.

Bald darauf setzt sich Haseloff in die Nesseln. Er findet, der Kern des Gesetzes sollte ein Strukturwandel sein, an dessen Ende der Kohleausstieg steht. „So einen Konsens kriegen wir nie wieder hin“, meint er und verweist auf Frankreich. Im Übrigen verursache der Energiesektor nur 25 Prozent des CO2-Ausstoßes, und es sollte auch einmal über Bereiche diskutiert werden, die die gesamte Bevölkerung und nicht nur die Kohlekumpel beträfen – der Osten habe seinen Teil getan.

„Es gibt keinen Konsens, nicht einmal einen gesellschaftlichen Kompromiss“, kontert Grothus. „Solange Menschen aus ihrer Heimat vertrieben werden, wird es hier keinen sozialen Frieden geben.“ Als sie Haseloff eine Blockadepolitik vorwirft, versucht er, sie zu unterbrechen. Doch Grothus schießt scharf: „Dass die AfD gewählt wird, liegt daran, dass Sie den Menschen keine Perspektiven bieten, Sie schüren einfach Ängste.“ Haseloff verweist auf Pilotprojekte in seinem Bundesland und kommt darüber auf mangelnde Energiealternativen, deutet auf die Studioleuchten und sagt: „Wenn wir die Kohle abschalten, können wir nach Hause gehen.“ Stoisch wiederholt Grothus die Sache mit dem Angstschüren und hat den Beifall des Studiopublikums in der Tasche.

Unter den Themen, die einen Einspieler bekommen, sind auch die Strompreise. Das nimmt Hofreiter zum Anlass, die Bundesregierung zu kritisieren. Sie baue erneuerbare Energien nicht aus, obwohl diese günstiger seien als andere Quellen. Dabei sei Deutschland ein Pionier in der Entwicklung erneuerbarer Energien gewesen. „Auf der ganzen Welt werden die günstigen erneuerbaren Energien gebaut, deren Entwicklung wird bezahlt werden. Bloß bei uns nicht.“

Am Schluss schaltet sich Grothus mit zwei Punkten ein, die bislang unter den Tisch gefallen waren: die wahren Kosten der Braunkohle, wenn man Umweltschäden und so fort einrechnet – und die Kosten, die die EU-Strafzahlungen in Höhe von 30 bis 60 Milliarden verursachen werden, weil Deutschland seine Klimaziele nicht einhält. Damit macht die Umweltschützerin eine Punktlandung auf dem Ende der Sendezeit.

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