„Super-Sammler“ aus Langenfeld Die Könige der Karten

LANGENFELD  · Mitten in der Krise eröffnen die Brüder Kiki und Ivan Beslic ein Ladengeschäft für Sammelkarten, und das im kleinen Langenfeld. Auch als Gegenmodell zu den Auswüchsen des Marktes, in dem Superreiche mit Millionen um sich werfen.

Sport- und Sammelkarten-verrückt: Kiki (links) und Ivan Beslic (36).

Sport- und Sammelkarten-verrückt: Kiki (links) und Ivan Beslic (36).

Foto: Matzerath, Ralph (rm)/Matzerath, Ralph (rm-)

Kiki Beslic ist nicht traurig, dass vor wenigen Monaten eine ganz gewisse, nummerierte Sammelkarte des Basketballstars Kevin Durant für umgerechnet 700.000 Euro versteigert wurde, die er selbst einmal besaß, bis er sie für 1300 Euro abgab. Wieso sollte er auch? Erstens investierte er seinen Erlös von damals in eine andere seltene Karte, die viel besser in seine Sammlung passt. Zweitens passiert ihm so etwas sehr selten; sein Wissen über Sport-Sammelkarten und sein Riecher haben ihm einen so guten Ruf in der internationalen Szene eingebracht, dass gerade ein Film über ihn gedreht wird, der bald vielleicht bei einem der großen Streaming-Anbieter läuft. Drittens lässt sich der 36-Jährige seine positive Grundeinstellung zum Leben nicht nehmen, obwohl ihm die Corona-Pandemie sowohl als Hotelier und Wirt wie auch als Multiple-Sklerose-Patient schwer zusetzt. Viertens und vor allem aber kann ihm speziell momentan überhaupt nichts das Grinsen verhageln. Denn 150 Jahre nach dem Erscheinen der ersten Sport-Sammelkarten in den USA eröffnen Kiki Beslic und sein Zwillingsbruder Ivan einen Laden, der europaweit einzigartig sein soll: halb Pilgerort für Freunde von Sammelkarten und signierten Sport-Museumsstücken, halb Kunstgalerie. Und das nicht in Berlin, Köln oder Düsseldorf, sondern an der Hauptstraße 116 in Langenfeld.

Diese Geschichte gibt es auch zum Hören - exklusiv für Sie. Abonnieren Sie jetzt unsere RP Audio-Artikel in Ihrer Podcast-App!

Etwas versteckt liegt er in einer Einkaufspassage, wie ein Ufo zwischen den Einrichtungen des täglichen Bedarfs wie Apotheke, Bank, Drogerie und Pommesbude. Was für Außenstehende wie unternehmerischer Wahnsinn wirken mag, ist für die Beslic-Brüder nur folgerichtig. Sie wollen es wagen, zusätzlich zu ihren jährlichen Sammelkarten-Messen mit bis zu 400 Besuchern aus ganz Europa nun einen festen Ort für Karten und Kunst zu schaffen, und sie können es nur hier. Denn hier hat alles begonnen; das Ladengeschäft, das zuvor jahrelang leer gestanden hatte, liegt auf dem Weg zwischen dem Restaurant ihrer Eltern und dem Kiosk, an dem sie selbst vor 25 Jahren ihre ersten Basketball-Karten kauften. Am Samstag eröffnet hier der „B-Brothers Store”. Auf 150 Quadratmetern finden sich Tausende von Karten.

Knapp sechs mal neun Zentimeter bedruckter Pappe, wenige Gramm leicht, oft in Hartplastikhüllen verpackt und versehen mit hochoffiziellen Bewertungen ihres Zustands. Manche Karten haben einen Glitzer- oder Regenbogen-Effekt, andere sind signiert, in wieder andere ist ein Stücke des Trikots eingearbeitet. Der Kern der gemeinsamen Sammlung sind Karten der größten Basketballspieler aller Zeiten, Michael Jordan und Kobe Bryant, in jeweils mehreren Tausend Variationen. In der angeschlossenen Kunstgalerie hängen teils quadratmetergroße Porträts dieser Sport-Ikonen, ausdrucksstarke Unikate aus Ivans Atelier in seinem charakteristischem Stil. Filzstift auf Leinwand, edel gerahmt hinter entspiegeltem Museumsglas.

Aber das wäre zu wenig – für die ohnehin überschaubare Laufkundschaft wie auch ihren eigenen Anspruch. Deshalb quellen die Regale und Schränke über mit allen möglichen Artikeln aus Sport- und Popkultur: Passend zu den jeweiligen Karten sind auch Boxhandschuhe von Max Schmeling und Henry Maske zu sehen, Trikots von Pelé und Ronaldo, Formel-1-Helme von Michael Schumacher und Lewis Hamilton. Und signierte Karten anderer Promis von Computer-Genie Bill Gates bis zu Popstar Britney Spears. Zudem wollen sie Brücken bauen zur zweiten Hälfte der Karten-Fans, die mit den „Sportlern” normalerweise nichts am Hut haben. So sind auch Spielkarten mit den Fantasiewesen etwa aus der Welt von „Magic”, den „Pokémon” oder „Super Mario” im Angebot, samt der passenden Gemälde.

Für die Sicherheit der Ware ist gesorgt durch abschließbare Vitrinen, gepanzerte Rolläden und diverse unauffällige Sicherheitskameras. Und Kikis wertvollste Karten lagern ohnehin an einem anderen Ort, über den er lächelnd schweigt.

So kann der Laden der Brüder ein zugänglicher Popkultur-Tempel sein, ein offener Schrein für die Helden dieser Kinder der Neunzigerjahre.

Doch in diese Idylle der Kindheits-Erinnerungen fallen neuerdings neureiche Investoren ein, die edle Sport-Karten in ihre Villen hängen wie ältere Superreiche einen Picasso oder van Gogh. Die teuerste Sport-Karte ist eine des Baseball-Spielers Honus Wagner aus dem Jahre 1910, die im August für 6,6 Millionen Dollar (5,7 Millionen Euro) den Besitzer wechselte. Im Basketball bricht Nowitzkis Nachfolger Luka Doncic alle Rekorde; eine Karte von ihm ging für rund 4 Millionen Euro über den Tisch, und das trotz Debatten um die Echtheit der Signatur.

Angesichts dieser Summen sind die Beslics hin- und hergerissen: Einerseits bringt der Boom Aufmerksamkeit und lässt auch Kikis Sammlung weiter im Wert steigen (jene von Ivan ist finanziell gesehen wertlos, weil „sein“ Spieler Antoine Walker in Vergessenheit geriet). Andererseits macht es viele Karten für Normalsterbliche vollends unerschwinglich. Kiki Beslic reagiert darauf auf seine Weise: Er jagt die begehrtesten Karten der Sport-Welt – im jeweils schlechtestmöglichen Zustand, mit der Note 1 von 10. Das soll ein Signal sein wider das Wertanlage-Denken. Und eine Erinnerung an die Zeiten, an der die Brüder mir ihren Freunden auf dem Schulhof Karten tauschten.

Ihr Laden soll auch ein Ort der Begegnung werden, der Gespräche über Sport und Kunst, Karten und Videospiele und Zeichentrick-Serien. Sie glauben ein tiefes Verlangen zu spüren nach diesen analogen Freuden in der durchdigitalisierten Welt. Unabhängig davon müssen mittelfristig trotzdem auch die Umsätze stimmen. Nur dann geht ihre Wette auf. Bei der Eröffnung am Samstag werden die letzten Szenen für den Dokumentarfilm über Kiki gedreht. Die Bosse der Karten-Firmen wie Panini und Upper Deck werden sich die Ehre geben, dazu Sammler-Kollegen aus halb Europa. Ab Montag freuen sie sich vor allem auf die Schulkinder, die die Trikots bestaunen und dann – online unmöglich – ein paar einzelne Karten für ein, zwei Euro kaufen. Und vielleicht gefesselt werden von der Leidenschaft, die sie in den USA schlicht „The Hobby” nennen – das Hobby aller Hobbys.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort