Verbrauchertipps der Beratungsstelle zur Betreuung Vier Irrtümer über die „24-Stunden-Pflege“

Wermelskirchen/Rhein-Berg · Fakten & Hintergrund Die Beratungsstelle der Verbraucherzentrale warnt: Es gibt kein Rundum-Sorglos-Paket für Pflegebedürftige und deren Familien. Leiterin Brigitte Becker zeigt auf,. wie eine gute Betreuung zu Hause organisiert werden kann.

 Ausländische Betreuungskräfte sollen Pflegekräfte unterstützen.

Ausländische Betreuungskräfte sollen Pflegekräfte unterstützen.

Foto: dpa/Daniel Reinhardt

Vielen Familien mit Pflegebedürftigen erscheint es als ideale Lösung: Eine Betreuung im eigenen Zuhause, rund um die Uhr gewährleistet durch ausländische Haushalts- und Betreuungskräfte, wie es von vielen Agenturen angeboten wird. Doch Vorsicht: „Das vermeintliche Rundum-Sorglos-Paket ist in der Regel eine Mogelpackung und die Werbung oft in doppelter Hinsicht irreführend“, sagt Brigitte Becker von der Beratungsstelle Bergisch Gladbach. Die Verbraucherzentrale zeigt auf, welche Annahmen falsch sind und wie eine gute Betreuung zu Hause organisiert werden kann.

Irrtum 1: „24-Stunden-Pflege“ gilt rund um die Uhr

Die Bezeichnung „24-Stunden-Pflege“ ist verbreitet, aber falsch. Denn niemand kann, darf und soll 24 Stunden zur Verfügung stehen. „Das deutsche Arbeitsrecht lässt eine durchgängige Tag-und-Nacht-Betreuung durch eine einzige Person nicht zu“, sagt Susanne Punsmann, Pflegerechtsexpertin der Verbraucherzentrale. „Das Bundesarbeitsgericht hat im Juni 2021 in einem Urteil klargestellt, was schon lange gilt: Eine tatsächliche Rund-um-die-Uhr-Betreuung ist von einer Person alleine nicht zu leisten.“ Die Arbeitszeit, einschließlich der Bereitschaftszeit, darf durchschnittlich acht Stunden am Tag bei einer Sechstagewoche nicht überschreiten. Als Bereitschaftszeit gilt nicht der einzelne Einsatz, sondern zum Beispiel die ganze Nacht, wenn die Betreuungskraft nachts bei einem Toilettengang helfen soll, sich also an einem vom Arbeitgeber festgelegten Ort aufhalten muss, um im Bedarfsfall unverzüglich die Arbeit aufnehmen zu können.

Irrtum 2: „24-Stunden-Pflege“ ist Pflege und Betreuung

Die ausländischen Haushalts- und Betreuungskräfte, so der korrekte Fachbegriff, sind in der Regel keine ausgebildeten Pflegekräfte. Sie dürfen deshalb explizit keine medizinische Behandlungspflege übernehmen. Nur ausgebildete Pflegefachkräfte dürfen Verbände wechseln oder Spritzen geben. Im Pflegealltag sind in der Regel ambulante Pflegedienste dafür zuständig. Die Betreuungskräfte können lediglich grundpflegerische Tätigkeiten etwa beim Waschen oder Duschen übernehmen und im Alltag helfen, beim Essen und Trinken oder beim An- und Auskleiden. Sie erledigen Arbeiten im Haushalt wie kochen, putzen oder einkaufen. Die wichtigste Aufgabe jedoch ist die Betreuung. Sie lesen vor, begleiten bei Spaziergängen und nehmen mit der pflegebedürftigen Person Termine wahr. Sie ermöglichen so die Teilhabe am sozialen Leben.

Irrtum 3: „24-Stunden-Pflege“ gibt es von der Pflegeversicherung

Die Pflegeversicherung zahlt nicht für eine ausländische Haushalts- und Betreuungskraft, so die Leiterin der Beratungsstelle. Pflegebedürftige können jedoch einen Teil dieser Kosten durch ihr Pflegegeld decken. Der Lohn muss mindestens dem deutschen Mindestlohn entsprechen, auch wenn die Kräfte von ausländischen Unternehmen nach Deutschland entsandt werden. Meist stammen die ausländischen Haushalts- und Betreuungskräfte aus Ost- oder Südosteuropa. Sie alle haben ein Anrecht auf sämtliche in Deutschland geltenden Arbeitnehmerschutzrechte und auf einen angemessenen Lohn, egal ob sie aus Polen, Rumänien oder aus der Ukraine kommen. Mehr Informationen zur Finanzierung und eine unabhängige Beratung zur Pflegeversicherung bieten Pflegeberatungsstellen der Kommunen oder Pflegestützpunkte.

Irrtum 4: „24-Stunden-Pflege“ macht andere Pflege überflüssig

Ausländische Betreuungskräfte können immer nur ein Baustein in der Versorgung Pflegebedürftiger sein, beton Brigitte Becker gegenüber der Redaktion. Die Pflegeversicherung bietet jedoch Möglichkeiten für weitere Hilfen. Eine Unterstützung durch Verwandte, Nachbarn, Minijobber oder auch Betreuungsdienste ist möglich. Spätestens ab Pflegegrad 3 sollte ein ambulanter Pflegedienst eingebunden werden. Dieser rechnet direkt mit der Pflegekasse ab. Wer mit Pflegegrad 2 bis 5 zu Hause von Angehörigen, Freunden oder Nachbarn gepflegt wird, kann dafür das Pflegegeld verwenden, das je nach Unterstützungsbedarf gestaffelt ist.

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