Vortrag beim Historischen Verein Lichtblick ins finstere Mittelalter

Wegberg · Referent Hermann-Josef Heinen räumt in der Wegberger Mühle mit Vorurteilen über diese Zeit auf und zeigte die frühere kulturelle Vielfältigkeit.

Foto: Comfreak/Pixabay

Die Besucher des Vortrags „Lichtblick ins ‚finstere‘ Mittelalter“, in dem sich Referent Hermann-Josef Heinen zu großen Teilen mit der Ausstellung „Europa in Bewegung“ im LandesMuseum Bonn befasste, kamen mit eigenen Vorstellungen zu dieser weit zurück liegenden Zeitepoche in die Wegberger Mühle. Auf Nachfrage warfen sie die Schlagwörter Hexenverfolgung, Pest, die Zeitspanne 500 bis 1500 oder Canossa in den gut besuchten Raum. Dass viel Missverständliches, Nichtwissen und einige Vorurteile das allgemeine Bild vom „finsteren“ Mittelalter prägen, war Hermann-Josef Heinen bei einer Führung durch die Ausstellung klar geworden, erzählte er. In einer kleinen Geschichtsstunde ging er der Frage nach, ob diese Vorstellung haltbar ist.

Mit Fragen aus einem Wissensforum und Zitaten der Internetplattform Wikipedia spürte er mit Hilfe der Zuhörer einigen Aussagen nach. So hatte beispielsweise die Hexenverfolgung ihren Ursprung im Mittelalter, die Hauptzeit war aber das 16. und 17. Jahrhundert. Ebenso ist die Annahme, der Mensch sei mit 40 Jahren bereits steinalt gewesen, trügerisch – so liegt die biologische Lebenserwartung des Homo Sapiens Sapiens seit tausenden Jahren bei bis zu 120 Jahren. Lediglich Faktoren wie die Kindersterblichkeit drücken die durchschnittliche Lebensdauer nach unten.

Ebenso kamen erst im späten Mittelalter schwere Blechrüstungen auf. Die Hygiene war aufgrund der Nutzung von Badehäusern besser als ihr Ruf. Die Alphabetisierungsrate lag zwar in Europa noch im 16. Jahrhundert bei nur 20 Prozent, doch es hatte im 13. Jahrhundert auch bedeutende Gelehrte gegeben. Zudem war die Pest keine durchweg dominierende Seuche, sondern war zwischen dem achten und 14. Jahrhundert gar nicht aufgetreten und kehrte dann mit einem neuen Erregerstamm zurück. Richtigerweise wird die Zeit zwischen 500 und 1500 nach Christus als Mittelalter nach der Antike und vor der Neuzeit bezeichnet.

Im Weiteren unternahm Hermann-Josef Heinen mit seiner Zuhörerschaft eine virtuelle Reise ins Frühmittelalter. Anhand einer fast vollständig selbst erstellten Bildergalerie zur Ausstellung im LandesMuseum, die ebenso auf der Internetseite des Vereins eingestellt ist und ausdrücklich nicht einen Besuch ersetzen soll, brachte er den Hörern einige der sieben Hauptthemen anschaulich näher.

In der Ausstellung geht es um spätantike und frühmittelalterliche Regionen zwischen Irland und Spanien im Westen und Ägypten und Ungarn im Osten. Eine Erkenntnis ist, dass „die Epoche nach dem Untergang des weströmischen Reiches um das Jahr 500 nach Christus kein ‚Dunkles Zeitalter‘ war, sondern von faszinierenden Verbindungen zwischen den unterschiedlichen Lebenswelten und einer geradezu überbordenden kulturellen Vielfalt geprägt war.“ Heinen stellte Volksgruppen wie die Wikinger, Iren, Franken, Goten, Hunnen oder Langobarden vor, die jeweils individuelle kostbare Dinge wie Tafelgeschirr, Lampen, Schmuck oder religiöse Gegenstände anfertigten. Knapp 300 wertvolle Objekte werden gezeigt. Dabei spielen Überlieferung und Weitergabe von Wissen ebenso eine Rolle wie Glaubensfragen, Krieg und Diplomatie, Identität einzelner Gruppen oder die Verbindungen der Regionen.

Die Ausführungen und damit Lichtblicke ins frühe Mittelalter gerieten so ausführlich und informativ, dass ein Schnitt gemacht wurde und für verbleibende Aspekte ein weiterer Termin im Mai geplant ist. Die Ausstellung im LandesMuseum Bonn, die von der Schau „Ritter und Burgen“ für das jüngere Publikum begleitet wird, ist noch bis Sonntag, 25. August, geöffnet.

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