Erinnerung an NS-Zeit in Viersen Viersen bekommt virtuelle Gedenkstätte

Am 18. November geht in der Kreisstadt die „Virtuelle Gedenkstätte Viersen 1933–45“ ans Netz. Mit einer Ausstellungseröffnung im Foyer des Stadthauses fällt der Startschuss für das Gemeinschaftsprojekt.

 Blick von der Bahnhofstraße (heute Martin-Luther-Straße) in Richtung Viersener Straße. Auf der linken Seite die evangelische Kirche, auf der rechten Seite die Synagoge, die am 9. November 1938 in Brand gesetzt wurde.

Blick von der Bahnhofstraße (heute Martin-Luther-Straße) in Richtung Viersener Straße. Auf der linken Seite die evangelische Kirche, auf der rechten Seite die Synagoge, die am 9. November 1938 in Brand gesetzt wurde.

Foto: Verein für Heimatpflege Viersen

(tre). Acht Monate voller intensiver Recherche liegen hinter einer Kerngruppe von neun Personen. Sie haben ein nicht nur für den Kreis Viersen einmaliges Projekt geschaffen, das am Montag, 18. November, im Rahmen einer Ausstellung erstmals online gehen wird. In mühevoller Kleinarbeit ist die „Virtuelle Gedenkstätte Viersen 1933-45“ entstanden. „Wir haben als Verein  der ´Förderung der Erinnerungskultur Viersen 1933-45´ mit Unterstützung der VHS des Kreises Viersen, der Lebenshilfe Kreis Viersen und der Johannes Kepler Schule in Süchteln eine virtuelle Gedenkstätte für die Stadt Viersen entwickelt“, sagt Miko Danek, Vorsitzender beim Verein der Erinnerungskultur.

Das Besondere ist dabei, nicht nur die Opfer finden sich wieder, sondern auch die Beteiligten, wie die Organisatoren der Internetseiten die Täter und Mitläufer bezeichnen. Die Idee entstand nach der Verlegung der Stolpersteine in Viersen. Der erste Schritt gegen das Vergessen ist die Erinnerung und das Gedenken. Das kann in ganz unterschiedlicher Form erfolgen. Hier kam die Idee auf, moderne Medien zu nutzen. Mit einem web- und appbasierten Rundgang kann sich ein jeder virtuell auf einen Rundgang durch Viersen, Dülken und Süchteln begeben.

Boisheim als vierter Stadtteil fehlt hingegen noch, weil sich die Recherche  für den kleinsten der Stadteile als schwierig herausstellte. Es gibt bislang nicht viele Informationen hinsichtlich dieser Zeit. „Die Arbeit wird nie ein Ende haben“, sagt Manfred Budel vom Verein zur Förderung der Erinnerungskultur. Mit dem Onlinestellen der Seiten ist nämlich nicht Schluss. Die Organisatoren der Internetpräsenz hoffen weitere Menschen zu finden, die „etwas zum Thema zu erzählen haben. Sie können uns kontaktieren und wir bauen es in den virtuellen Rundgang ein“, sagt Ulrich Steinsiepe von der VHS, der sich insbesondere um die technische Umsetzung kümmerte.

Wie Recherche, angestoßen durch eine Bürgerin, aussehen kann, verdeutlicht Budel. Er wurde von einer Dülkenerin angesprochen, die von dem behinderten Nachbarskind Maria berichtete. An einem Tag spielte man noch zusammen, am anderen verschwand das Mädchen spurlos. Die aufwendige Recherche ergab die Euthanasie des Kindes in Sachsen. „Wenn man sich mit den Geschehnissen im Rahmen der Nazizeit in der eigenen Stadt beschäftigt, ergibt das eine ganz andere Dimension, als wenn man in Schulbüchern über Taten in Nürnberg, Berlin und München liest. Sich mit dem Thema auseinandersetzen ist ein Schwerpunkt unser pädagogischen Arbeit, daher haben wir uns miteingebracht“, sagt Patrick Diekmann von der Johannes-Kepler-Schule.

Gemeinsam mit den Realschülern und Bewohnern der Lebenshilfe entstanden so Hörspiele, die die Thematik dieser Zeit auf eine einfache Art und Weise vermittelt, die ein jeder verstehen kann. Interviews mit Zeitzeugen, Biographien, historische Aufnahmen aus einem Viersen zwischen 1933 und 1945. Erklärungen, wie es überhaupt zum Nationalsozialismus kommen konnte. Karten, die zeigen, wo Opfer und Beteiligte gelebt haben samt dazugehöriger Informationen zu dem jeweiligen Menschen. Die Straßen, an denen Stolpersteine zu finden sind, und wo Gedenkstätten als auch jüdische Friedhöfe liegen – die „Virtuelle Gedenkstätte Viersen 1933-45“ beleuchtet das Geschehen von allen Seiten.

Dazu kommen Fotos aus dem Kreisarchiv, die bislang noch nie veröffentlich wurden. Eines zeigt so die Schädigungen der Synagoge in Dülken, einen Tag nach der Reichspogromnacht. „Die Geschichte darf sich nicht wiederholen“, betont André Sole-Bergers von der Lebenshilfe Kreis Viersen. Und genau daran wollen alle weiter gemeinsam arbeiten, die hinter dem neuen Projekt stehen.

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