Deutsches Klingenmuseum in Solingen „Wirklich faszinierend“ – und einzigartig

Solingen · Das ureigene Museum der Klingenstadt mit der umfangreichsten Bestecksammlung der Welt und vielen Solinger Exponaten stellt sich neu auf.

Impressionen aus dem Deutschen Klingenmuseum
9 Bilder

Impressionen aus dem Deutschen Klingenmuseum

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Foto: Zelger, Thomas

„Wir haben uns zuerst etwas amüsiert“, erzählt Dave Duesterberg. „Ein Museum nur für Klingen ?“ Der Geschäftsreisende aus Detroit kam beim Spaziergang in Gräfrath an dem ehemaligen Kloster mit der Riesenschere vorbei – und trat mit seinem ungarischen Kollegen Josef Böhm ein. „Es ist wirklich faszinierend“, lobt Duesterberg nach einem Rundgang. „Ich hatte nicht so viele Besucher erwartet“, ergänzt Böhm.

Einige von ihnen gehören an jenem Sonntag im März zum Kreis der Bestecksammler. „Wenn Solingen kein Klingenmuseum hat, wer dann ?“, fragt Bernd Kirchbrücher, während er seine Mokkalöffel einpackt. „Für unser Metier ist das Klingenmuseum die Referenzstelle an sich.“ Und das Treffen der Besteckfreunde, das er mit ins Leben rief und das jetzt schon zum 24. Mal stattfand, sei ein „absoluter Pflichttermin“.

Auch Kunsthistorikerin Dr. Manja Wilkens, die bei dem Treffen referierte, ist das Klingenmuseum mit seiner größten Bestecksammlung der Welt bestens vertraut: „Wir sind mit unseren Jungs oft hier gewesen“, berichtet die Düsseldorferin. „Ich liebe Museen, wo man etwas Haptisches hat. Außerdem finde ich es schön, wenn man kleinere Objekte im Kontext zeigt.“

Eine Meinung, die Museumsleiterin Dr. Isabell Immel, ebenfalls Kunsthistorikerin, teilt: „Die Dinge in ihren Kontext zu stellen ist wichtig, um ihre Funktion und Bedeutung zu begreifen. Und Kontexte verändern sich mit einer Gesellschaft, und das ist zu berücksichtigen. Die Menschen leben in anderen Zusammenhängen, stellen andere Fragen. Darauf muss eine neue Dauerausstellung reagieren.“

Noch ist die Sammlung des Klingenmuseums rein chronologisch aufgebaut – von der mehrere tausend Jahre alten Steinklinge und dem Luristan-Dolch aus der Bronzezeit bis zum Besteckdesign des 21. Jahrhunderts. Das wird sich ändern: Im Februar beschloss der Rat, dass externe Museumsfachleute ein Zukunftskonzept erarbeiten sollen. Die Themen gibt die Museumsleitung vor. Immel: „Das Museum braucht einen Neuaufschlag. In der jetzigen Aufstellung kann es die gestiegenen Erwartungen seiner Zielgruppen nicht mehr erfüllen. Auch in der modernen Museumslandschaft ist das Haus nicht mehr wettbewerbsfähig. Eine Dauerausstellung eines Museums hat eine Laufzeit von zirka zwölf Jahren.“ Bis zur Umsetzung des neuen Konzepts werde es jedoch einige Jahre dauern.

Ein Stückchen weiter sind die elf Mitarbeiter des Klingenmuseums und die rund 30 ehrenamtlich Tätigen bereits bei der digitalen Erfassung der mehrere zehntausend Exponate, von denen nur etwa zwei Drittel dem Publikum zugänglich sind. „Die Sammlungsstücke sollen in einen leistungsstarken digitalen Katalog aufgenommen und online dargestellt werden“, erläutert Isabell Immel. Damit stünden sie sowohl privat Interessierten als auch Wissenschaftlern zur Verfügung. „Daraus ergibt sich die Möglichkeit zur Interaktion und Partizipation: Das hausinterne Wissen um die Sammlung wird durch das Wissen der interessierten Community ergänzt.“

 Kontakt mit ihr gibt es auch heute schon reichlich. Nicht nur bei Führungen, sondern auch bei zahlreichen Veranstaltungen. Isabell Immel, die 2004 als wissenschaftliche Mitarbeiterin für Museumspädagogik nach Gräfrath kam und 2016 Dr. Barbara Grotkamp-Schepers als Leiterin ablöste, rief „als erste Tat“ beispielsweise 2004 das „klingenmuseum für kinder“ ins Leben. Bereits seit Mitte der 90er Jahre gibt es außerdem die Zinngießerei im Untergeschoss. Sie wird zweimal im Monat von ehrenamtlichen Mitarbeitern betrieben.

Im Sommer 2018 kam das von Architekt Meinrad Ladleif in Abstimmung mit der Denkmalbehörde gestaltete Schmiedehaus hinzu. „Es greift den Gedanken des Kottens auf und schmiegt sich harmonisch in das Klosterareal“, kommentiert Isabell Immel. Das Projekt konnte mit Hilfe des Fördervereins „Freunde des Deutschen Klingenmuseums“ umgesetzt werden – vor allem dank der Finanzierung durch die Ulrike und Klaus Krebs Stiftung.

Die Stadt lässt sich ihr Museum einiges kosten (2018 waren es 680.000 Euro), aber ohne Förderverein gäbe es viele Ankäufe und Veröffentlichungen nicht. Immel: „Es ist ein Segen, dass wir die Freunde des Deutschen Klingenmuseums haben.“

Das Schmiedehaus feierte im vergangenen Sommer gleich einen starken Einstand. „Unser Schwertfestival war ein absolutes Highlight des Jahres“, erinnert sich die Museumsleiterin. „Zwei Tage lang drehte sich alles um Schwerter – vom Schmieden bis zum Austausch von Wissenschaftlern und Sammlern aus aller Welt.“ Das Schwertfestival soll alle zwei Jahre stattfinden.

 Klingen und Scheren sind nicht nur zum Schneiden geeignet, sondern können als radschlagender Pfau auch zum Kunstobjekt werden.

Klingen und Scheren sind nicht nur zum Schneiden geeignet, sondern können als radschlagender Pfau auch zum Kunstobjekt werden.

Foto: Zelger, Thomas
  ◁  Die Zinngießerei im Untergeschoss wird zweimal im Monat betrieben.

◁ Die Zinngießerei im Untergeschoss wird zweimal im Monat betrieben.

Foto: Zelger, Thomas
 ▷ Vor dem Museum steht eine riesige Scheren-Skulptur von Amir Sharon.

▷ Vor dem Museum steht eine riesige Scheren-Skulptur von Amir Sharon.

Foto: Zelger, Thomas
  △  Zu den zehntausenden ­Exponaten zählen diese Pott-Messer.

△ Zu den zehntausenden ­Exponaten zählen diese Pott-Messer.

Foto: Zelger, Thomas
 △ Besteck-Sets mit verschiedenen Designs aus dem frühen 21. Jahrhundert.

△ Besteck-Sets mit verschiedenen Designs aus dem frühen 21. Jahrhundert.

Foto: Zelger, Thomas
 Riesige und winzige Klappmesser – hergestellt von Jürgen Moede in den 1960ern.

Riesige und winzige Klappmesser – hergestellt von Jürgen Moede in den 1960ern.

Foto: Zelger, Thomas
 Ein Mandau mit Scheide und Beimesser von Borneo aus dem frühen 20. Jahrhundert.

Ein Mandau mit Scheide und Beimesser von Borneo aus dem frühen 20. Jahrhundert.

Foto: Zelger, Thomas

2020 wird auch die „MesserMacherMesse“ neu aufgelegt – in Kooperation mit der Deutschen Messermacher Gilde, dem Solinger Stadtmarketing und dem Industrieverband Schneid- und Haushaltwaren. Unter dem Namen „Knife“ soll sie dann im Theater und Konzerthaus stattfinden. „Die Messe wird großartig“, sagt Isabell Immel. „Die laufenden Planungen werden das Potenzial der Klingenstadt Solingen ausschöpfen, eine Messe zu veranstalten, die an Größe, internationaler Bedeutung und Strahlkraft über das bisherige Format hinausreichen kann.“

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