Baudenkmäler in Solingen Vom Degen bis zur V1- und V2-Rakete

Serie | Solingen · In der ehemaligen Waffenfabrik ­Hörster wurden auch Fahrradteile, Haar­schneidemaschinen und Serienteile für die Kfz-Industrie produziert.

Im unter Denkmalschutz stehenden, dreieinhalbgeschossigen Hauptgebäude war vor allem die Blankwaffen-Produktion untergebracht.

Im unter Denkmalschutz stehenden, dreieinhalbgeschossigen Hauptgebäude war vor allem die Blankwaffen-Produktion untergebracht.

Foto: Fred Lothar Melchior

Auf der Vorderseite des Gebäudes bröckeln zwei „R“, ein „E“ und ein „F“. Der Punkt, der einmal zwischen „E“mil und „F“ranz stand, fehlt. Auch auf der Rückseite hat der Schriftzug gelitten. Aber es lässt sich noch gut ablesen, was an der Katternberger Straße 128 produziert wurde und von wem – vor allem in den Anfangs- und in den Kriegsjahren. Die Palette der Firma Hörster reichte von Hieb- und Stichwaffen bis zu Antriebsteilen für „Vergeltungswaffen“: die V1- und V2-Raketen.

Heute erinnert außer dem Schriftzug nur noch ein Schild an die Historie. Die Kissel Immobilienverwaltung wirbt um weitere Mieter für den Gewerbepark „Alte Waffenfabrik“. Ende 2018 erwarben Nicolas Spengler und Timur Yilmaz mit ihrer Smart Assets GmbH das rund 23.000 Quadratmeter große Areal. „Es stand damals zu zirka 50 Prozent leer“, sagt Nicolas Spengler. „In den dreieinhalb Jahren haben wir es geschafft, auf dem gesamten Areal eine Vermietungsquote von mehr als 90 Prozent zu erreichen.“ Die Mietfläche ist etwa 12.000 Quadratmeter groß.

Im Hauptgebäude, das bis Ende 2021 noch vollständig genutzt wurde, ist die Vermietungsquote geringer. Leben ins alte Gemäuer bringt momentan vor allem Sabine Schaefer mit ihrer „amazing dance company“. Rund 50.000 Euro investierte die Tänzerin und Tanzpädagogin 2001 in „ihre“ Etage. 13.000 Euro kostete allein ein spezieller Boden. Fünf bis 64 Jahre alt sind die Elevinnen und Eleven, die zurzeit bei ihr lernen. „Die Coronazeit habe ich ganz gut überstanden“, blickt Schaefer zurück. Jetzt laufe der Betrieb wieder an.

 Das aus Stuck gefertigte Firmenwappen ist nur noch auf der Rückseite des Gebäudes erhalten.

Das aus Stuck gefertigte Firmenwappen ist nur noch auf der Rückseite des Gebäudes erhalten.

Foto: Fred Lothar Melchior

Wie es weitergeht mit dem ganzen Gebäude, das ist auch für die Inhaber nicht ganz klar. „Wir sind noch in der strategischen Planung, was der nächste Schritt für das Gesamtareal ist“, berichtet Nicolas Spengler. „Das Areal liegt uns am Herzen, wie auch unsere anderen Projekte.“ Wegen der hohen Nachfrage nach den vorhandenen Flächen sei die geplante Neuausrichtung „erstmal“ nicht weiterverfolgt worden.

„Neuausrichtung“ zieht sich auch wie ein roter Faden durch die Firmengeschichte von E. u. F. Hörster. Das 1850 gegründete Unternehmen fertigte Säbel sowie andere Hieb- und Stichwaffen. Nach dem Ersten Weltkrieg musste die Produktion auf Fahrradteile umgestellt werden. Blankwaffen kamen wieder vor und nach dem Zweiten Weltkrieg hinzu. Bedeutender war aber der Anteil der modernen Rüstungsgüter. Die Belegschaft, die unter anderem Antriebsteile für die Raketen mitentwickelte, zählte damals rund 1000 Köpfe.

Degenhersteller Karlheinz Schmitz im Jahr 1978 an seinem Arbeitsplatz im 4. Stock des Gebäudes.

Degenhersteller Karlheinz Schmitz im Jahr 1978 an seinem Arbeitsplatz im 4. Stock des Gebäudes.

Foto: Stadtarchiv Solingen

Nach dem Zweiten Weltkrieg war es eine Handvoll Mitarbeiter, die nach einer kurzen Zwangspause handbetätigte Haarschneidemaschinen herstellten. Anfang der 50er Jahre kamen Ersatzteile für Traktoren hinzu. Eine Zeitlang wurde auch eine neuartige Rundtischflachschleifmaschine produziert. Später verlagerte sich die Fertigung auf Serienteile für den Fahrzeug-, Maschinen- und Hydraulikbau. Gefertigt wurden beispielsweise Kurbelwellen, Kolben, Lagerkörper und Bremsscheiben.

Haarschneidemaschinen und Blankwaffen hatten bei Hörster aber weiterhin Bedeutung. „So manches Glanzstück umschließt pompöse Erinnerung“, heißt es in einem Text zum 125-jährigen Firmenjubiläum. Etwa der Säbel zum Gedenken an Simón Bolívar, „den der Staatspräsident von Venezuela neuernannten Generälen überreichte. Kostbare, stilgetreue Nachbildungen davon gehörten früher zum exklusiven Hörster-Programm.“ Auch bei Olympischen Spielen wurde mit Hörster-Waffen gekämpft.

Wer heute bei Ebay oder Amazon stöbert, der findet noch Werbeanhänger (Angebotspreis: 250 Euro) oder Siegel (rund 50 Euro) der Solinger Waffenfabrik und diverse Bücher.

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