Rhein-Kreis Neuss Wird Hermann Gröhe jetzt Minister?

Rhein-Kreis Neuss · Mitgliedervotum der SPD-Basis, Kabinettsliste, Koalitionsvertrag, Kanzlerwahl – am Ende der Berliner Tage der Entscheidung könnte Hermann Gröhe als Minister am Kabinettstisch sitzen. Lohn für 35 Jahre politische Arbeit.

Mitgliedervotum der SPD-Basis, Kabinettsliste, Koalitionsvertrag, Kanzlerwahl — am Ende der Berliner Tage der Entscheidung könnte Hermann Gröhe als Minister am Kabinettstisch sitzen. Lohn für 35 Jahre politische Arbeit.

Adrenalin spült Müdigkeit weg. "Schlaf wird überbewertet" — mit einem coolen Spruch versucht Hermann Gröhe (52) der Diskussion über die Strapazen der vergangenen Wochen auszuweichen. Der CDU-Generalsekretär scheint mit sich, der Welt und der Parteichefin im Reinen. Gute Laune und Lockerheit sollen signalisieren: Alles ist gut! Während das politische Berlin Antworten auf die Frage sucht "Wer wird was in der großen Koalition?", pflegt einer, der längst weiß, was er wird (oder bleibt), im fernen Rhein-Kreis seinen Wahlkreis. Bei seinen Adventsbesuchen verzichtet er auf kalorienreiche Christstollen bringt diesmal gesundes Obst mit.

Heute wird das Ergebnis der SPD-Mitgliederbefragung bekannt, bei Zustimmung folgt morgen die mit Namen hinterlegte Kabinettsliste, Montag wird der Koalitionsvertrag unterschrieben, für Dienstag ist die Kanzlerwahl und die Vereidigung der Minister vorgesehen. Die nächsten Tage könnten die Karriere des Hermann Gröhe krönen, doch der tummelt sich nicht im Zentrum der Macht an der Spree, sondern ist am Rhein unterwegs. Gestern gehörte er zu den Trauergästen, die den langjährigen Neusser CDU-Geschäftsführer Kurt Lonnes auf seinem letzten Weg begleiteten.

Gröhe hat die Ruhe weg. Vier Jahre ist er Generalsekretär der CDU Deutschlands und somit der Manager des Wahlerfolges vom 22. September. Fast 42 Prozent für die Union. Es ist kein Geheimnis, dass die Mitarbeiter im Konrad-Adenauer-Haus sich wünschen, Gröhe bliebe ihr Chef. Eine Verlängerung seiner Amtszeit als Parteimanager wäre denkbar ("Never change a winning team"), nicht ehrenrührig und ist doch unwahrscheinlich. Da die Chefin treue und erfolgreiche Dienste honoriert, sollte für Gröhe der Weg ins Kabinett frei sein.

Aber wohin führt Gröhe dieser Weg? Zurück ins Kanzleramt? Dort arbeitete er 2008/2009 für ein Jahr als Staatsminister. Chef des Kanzleramtes war damals Thomas de Maiziére, dem nach der 2009er Wahl Ronald Pofalla folgte. Von dem ist bekannt, dass er vier Jahre für genug hält und gern in der neuen Regierung ein Fachministerium übernehmen würde. Als enger Merkel-Vertrauter mit Kanzleramts-Erfahrung könnte Gröhe ihm folgen. Dass Kanzleramtsminister sein Traumjob ist, darf indes bezweifelt werden. Die Aufgabe gilt als zeitintensiv und kräftezehrend. Personelle Alternative wäre Noch-Energieminister Peter Altmeier; auch einer, mit dem es die Kanzlerin kann.

Hermann Gröhe würde wohl ehr ein Fachministerium als verdienter Lohn der Last ansehen, die vor 35 Jahren begann. Der damals 17-Jährige wurde da zum Kreisvorsitzenden der Schüler-Union gewählt. Gröhe wird als möglicher Entwicklungshilfeminister genannt; auch fällt sein Name, wenn über die Besetzung des Bildungsministeriums spekuliert wird. Sollte es "Bildung" werden, wäre das eine kleine Besonderheit: Der Neusser Gröhe wäre der Nach-Nachfolger von Annette Schavan, die ebenfalls Anfang der 1980er Jahre ihre politische Laufbahn in Neuss begann. Sie war damals Stadtverordnete. Auch wird Gröhe zuweilen mit dem Justizministerium in Verbindung gebracht. Schließlich war er einst Justiziar der Unions-Fraktion und somit maßgeblich an der Auswahl der deutschen Spitzenrichter beteiligt.

Wenn Hermann Gröhe in diesen Tagen so entspannt durch die Heimat eilt, dann genießt er dieses Bad an seiner Basis, weil er weiß, dass er zu den Gewinnern der nächsten Tage gehören wird. Trotz seines Intermezzos als Staatsminister am Kabinettstisch, trotz Annette Schavan, sollte Hermann Gröhe am Dienstag durch Bundespräsident Gauck als Fachminister vereidigt werden, er wäre gefühlt der erste Bundesminister, den das auf seine 2000 Jahre alte Geschichte so stolze Neuss stellt. Erstes Kabinettsmitglied aus dem Rhein-Kreis war aber Verkehrsminister Kurt Bodewig (SPD).

Gröhe wurde 1961 in Uedem geboren. Seine Eltern Gudrun und Gottfried waren 1958 aus der DDR geflohen, zogen erst 1964 nach Neuss, wo Sohn Hermann zu einem echten "Nüsser Jung" heranwuchs. So zählt Gröhe neben Annette Schavan und Peter Hintze vor allem der Neusser "Altmeister" Heinz Günther Hüsch zu den Persönlichkeiten, die ihn politisch prägten.

Aber ob's so kommt? Fragen nach seiner Zukunft lächelt Gröhe weg. Auch die Frage, ob er die Tage in der Heimat nutzt, um sich einen neuen Anzug zu kaufen, perlt an dem Politprofi ab. Er sei ausreichend mit Anzügen ausgestattet, um in jeder Situation gut auszusehen. Morgen, am dritten Advent, fliegt Hermann Gröhe als CDU-Generalsekretär nach Berlin. Am vierten Advent ist er zurück. Dann als Minister?

(NGZ)
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