Jüchen Umsiedler leiden noch

Jüchen · Vor zehn Jahren begann die Umsiedlung von Otzenrath und Holz, Bewohner mussten dem Tagebau weichen.Noch heute leiden die Neu-Otzenrather unter der Situation und wünschen sich ein zufriedenes Leben.

 Hermann-Josef Weidemann ist einer der betroffenen Umsiedler, er musste sein Leben neu ordnen.

Hermann-Josef Weidemann ist einer der betroffenen Umsiedler, er musste sein Leben neu ordnen.

Foto: M. Reuter

Hermann-Josef Weidemann ist einer der Otzenrather, die umsiedeln mussten. Im Alter von sechs Jahren kam der heute 72-Jährige ins Dorf. "Dort begann sozusagen meine Erinnerung", erzählt er. Die Schulzeit, das Erwachsenwerden und auch die erste Liebe verbindet er mit seinem Heimatort. Was ihn am meisten schmerzt: "Wir können nicht an den Ort zurückgehen, uns unsere Häuser ansehen und uns an alte Zeiten erinnern. Der Ort ist weg für alle Zeiten. Er ist heute ein großes Loch und wird später zugeschüttet."

Zehn Jahre ist es her, dass Menschen wegen des Braunkohletagebaus ihr angestammtes Zuhause verloren haben. Vor einem Jahrzehnt begann die Umsiedlung der Bürger von Alt-Otzenrath in die neue Siedlung. Dieses Projekt war schon in den 80er Jahren ein vieldiskutiertes Thema. Der Betreiber des Tagebaus Garzweiler – damals Rheinbraun – wollte weiter Braunkohle fördern. Dafür mussten nach Garzweiler auch Otzenrath und Holz auf Jüchener Gebiet umgesiedelt werden. Zahlreiche Bürger demonstrierten dagegen, eine Klage der Gemeinde wurde 1995 vor dem Verfassungsgericht abgewiesen.

An vorderster Front hat Hermann-Josef Weidemann damals um seine Heimat gekämpft, doch die wahren Gefühle zeigten sich erst am Tag der Umsiedlung: "Wir gehörten zum letzten Drittel der Umsiedler und sind 2005 in unser neues Haus gezogen", erinnert er sich: "Vorher haben wir es einfach nicht wahr haben wollen." Die meisten der Hausbesitzer seien zudem nicht mehr jung gewesen: "Man verpflanzte einen alten Baum", meint der 72-Jährige.

Das Lebensnotwendige, das die Gemeinschaft hatte, hätte sie weder anfassen, transportieren noch mitnehmen können: "Nachbarschaften und Beziehungen mussten am neuen Ort komplett neu entstehen und wachsen. Das machte vielen zu schaffen. Viele leiden heute noch unter dieser Situation", meint Weidemann.

Fremdbestimmt seien sie umgesiedelt worden, mussten sich ihren neuen Lebensraum in Eigeninitiative neu schaffen, ihren Platz neu finden. "Dass dieses Dorf so entstanden ist, wie es heute ist, ist kein Verdienst von RWE Power, dem heutigen Betreiber von Garzweiler II."

Eines weiß Hermann-Josef Weidemann, der bereits in den 80er Jahren wegen Garzweiler I mit seiner KFZ-Werkstatt umsiedeln musste, ganz genau: "Wenn man heute jemanden fragt, ob er zurück will, sagt er Nein. Er muss seine Zukunft hier haben und möchte sich nicht belasten." Oberstes Ziel der Neu-Otzenrather sei es, ein zufriedenes Leben zu führen: "Und das streben wir auch weiter an."

(NGZ)
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