Neues Regelwerk „Absolut positiv“ Revolution auf der Matte

Von Volker Koch Eine Sportart kämpft um ihre Bedeutung: Während Ringen jenseits des Ural und im vorderasiatischen Raum Nationalsport ist, kommt es im Rest der Welt nicht über den Status einer Randsportart hinaus. Mit drastischen Änderungen im Regelwerk will der Weltverband FILA für Abhilfe sorgen.

Von Volker Koch Eine Sportart kämpft um ihre Bedeutung: Während Ringen jenseits des Ural und im vorderasiatischen Raum Nationalsport ist, kommt es im Rest der Welt nicht über den Status einer Randsportart hinaus. Mit drastischen Änderungen im Regelwerk will der Weltverband FILA für Abhilfe sorgen.

Es kommt nicht häufig vor, dass Hermann J. Kahlenberg und Horst Faller einer Meinung sind, besonders, wenn es um ihre größte (sportliche) Leidenschaft geht. Doch in der Bewertung der Frischzellenkur, die der Welt-Ringerverband FILA seiner Sportart verordnet hat, sind sich der Präsident und der internationale Kampfrichter des Kraftsportklubs Konkordia Neuss ausnahmsweise einig.

"Absolut positiv", urteilen beide über das neue Regelwerk, das ab 1. Januar weltweit in Kraft tritt und das vor allem für Faller und seine Kollegen einschneidende Änderungen mit sich bringt: "Natürlich gab es einige kritische Stimmen", sagt der Neusser, der mit Ausnahme von Olympischen Spielen schon alle großen Ringerturniere der Welt gepfiffen hat, "aber bei den meisten hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass wir unsere Sportart ein bisschen aufpolieren müssen."

Und das, findet Faller, einheitlich: "Künftig wird in Afrika und am Nordkap gleich gepfiffen." Den nationalen Verbänden verbleibt indes noch etwas Interpretationsspielraum. Zum Beispiel, was die Mannschaftskämpfe anbetrifft. Im Bereich des Deutschen Ringer-Bundes soll die Bundesliga-Tagung am 7. und 8. Januar in Darmstadt nämlich eine von den internationalen Regeln abweichende Kampfdauer beschließen.

Bei Einzelmeisterschaften beträgt die Kampfzeit künftig nämlich drei Mal zwei Minuten (im Nachwuchsbereich drei Mal 90 Sekunden). In der Bundesliga und den anderen Ligen des DRB soll ab der Saison 2005 fünf Mal zwei Minuten gekämpft werden. Das ist die revolutionärste Neuerung, denn nicht nur die Kampfdauer ändert sich.

Sondern auch das Bewertungssystem: Ähnlich wie im Tennis, Tischtennis oder Volleyball geht es im Ringen künftig um "Satzergebnisse": Wer nach den ersten zwei Minuten punktemäßig vorne liegt, hat den ersten "Satz" gewonnen. Gewinnt der gleiche Ringer bei einer Einzelmeisterschaft auch den zweiten Satz, steht er als Gesamtsieger fest. Steht es hingegen nach "Sätzen" 1:1, entscheidet der dritte Satz über den Gesamtsieg.

Entsprechend benötigt ein Ringer im Mannschaftskampf drei gewonnene "Sätze", um als Gesamtsieger die Matte zu verlassen. Natürlich kann er wie bisher durch einen Schultersieg einen Kampf auch vorzeitig beenden.

"Technischüberlegene Punktsiege" gibt es künftig nur noch in den einzelnen "Sätzen": Führt ein Ringer mit sechs Punkten Unterschied, hat er den "Satz" gewonnen, muss aber weiterkämpfen.

Das Gleiche gilt, wenn ihm eine Fünfer- oder zwei Dreierwertungen innerhalb eines "Satzes" gelungen sind. Steht es hingegen nach Ablauf der zwei Minuten 0:0, geht es mit einem "Zwiegriff" weiter. Je nach "Satzverhältnis" werden künftig die Mannschaftspunkte vergeben: Für Schulter- oder Aufgabesiege gibt es wie bisher vier Mannschaftszähler. Ansonsten werden die Satzergebnisse dem Mannschaftskonto gutgeschrieben: 3:0 Sätze bescheren dem einen Team drei, dem anderen null Punkte, 3:1-Sätze entsprechend drei und einen, 3:2-Sätze drei und zwei Zähler.

"Das ist das Beste an den neuen Regeln", findet Kahlenberg, "denn es erhöht die Spannung bis zum Schluss. Und es zwingt jeden Kämpfer, möglichst hoch zu gewinnen." Genügten bisher zwei knappe Siege, um einen Schultersieg auszugleichen, so braucht man dafür demnächst vier 3:2-Erfolge.

Und die komplizierte Rechnerei mit halben Punkten (für Siege mit 5 bis 8 Punkten Differenz gab es bisher beispielsweise 2,5 Mannschaftspunkte) entfällt. Ob das Ringen in Deutschland mit diesen Änderungen allerdings sein Strukturproblem in den Griff bekommt, ist fraglich.

Der Bundesliga-Tagung liegen zwei gegensätzliche Anträge vor: Der des 1. Luckenwalder SC beabsichtigt die Einführung einer reinen Profi-Liga, der andere eine Selbstbeschränkung der Vereine, was den Einsatz ausländischer Ringer anbelangt.

Kahlenberg bezweifelt, dass einer der beiden durchkommt, kündigt aber schon Selbstbeschränkung in "Eigenregie" an - in der Hoffnung, dass andere diesem Vorbild folgen: "Wir werden versuchen, in der nächsten Saison nur noch maximal vier ausländische Ringer pro Kampf einzusetzen."

(NGZ)
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