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Interview Athletik, Show und fiese Tricks

Dormagen · Der Dormagener Säbelfechter Nico Limbach gehört zu den deutschen Goldhoffnungen. Er erzählt, wie wichtig Rumpsteaks, Mentaltraining und Schnürsenkel sind.

Das sind die Olympia-Hoffnungen aus dem Rhein-Kreis
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Herr Limbach, Sie bereiten sich in der Sportschule Hennef auf Olympia vor. Eine Sportschule aus Sepp Herbergers Zeiten - das klingt, als machten Sie Tage der Entbehrung durch.

Limbach Nein, nein, wir könnten es nicht besser haben. Die Anlagen sind top. Wir haben unsere Ruhe. Und uns quatscht niemand ins Training hinein. Bei uns steht und fällt vieles mit dem Essen. Ich habe schon viele Leistungszentren erlebt, von der Küche her kann keine mit Hennef mithalten. Ein schönes Rumpsteak haben die Köche für uns gemacht und einen riesigen Braten. Auf den Punkt, großartig.

Wie lautet Ihr Ziel für London?

Limbach Ich will Gold gewinnen. Der Druck von außen kann nicht dadurch wachsen, dass ich das sage. Ich mache mir selber den größten Druck. Was am Ende gut und was schlecht war, muss ich allein und mit dem Trainer analysieren.

Woher rührt Ihre Zuversicht?

Limbach Es gibt nicht viele Fechter, die sich mit 1,94 Meter Größe so gut bewegen können. Außerdem habe ich eine sehr gute technische Ausbildung genossen. Und ich habe einen gesunden Ehrgeiz. Ich bin fest überzeugt, dass auf unserem Niveau 90 Prozent der Kämpfe im Kopf entschieden werden. Die Ergebnisse zeigen, dass ich auf diesem Gebiet stärker bin als andere.

Sie bekommen Unterstützung von einem Psychologen. Warum?

Limbach Irgendwann kommt der Punkt, an dem man feststellt, dass man sehr gut ist. Und dann suche ich, wo ich irgendwo noch ein paar Prozentpunkte herausholen kann. So habe ich das Mentaltraining mit Werner Mickler für mich entdeckt. Ein Sportler wird nie am Ende seiner Entwicklung ankommen. Ich kann mir nicht vorstellen, jemals einen perfekten Wettkampf hinzubekommen.

Woran arbeiten Sie speziell?

Limbach An der besonderen Situation bei Olympia etwa. Im Unterschied zum Weltcup gibt es da ein Gefecht um Platz drei. Das heißt, man muss sich nach einer Niederlage in einem Halbfinale noch einmal aufbauen, um nicht als Vierter die Holzmedaille zu bekommen.

In Peking sind Sie 2008 früh gescheitert.

Limbach Ja, da war ich wie jetzt auch Weltranglistenerster. Mit 22 Jahren war ich aber noch ziemlich jung. Und nach zweieinhalb Stunden war der Wettkampf für mich beendet.

Welche Erinnerungen haben Sie noch an Peking?

Limbach Auf einmal standen sechs riesige US-Basketballer bei mir im Zimmer. LeBron James, Jason Kidd und so weiter. Die wollten wissen, wo Dirk Nowitzki ist, weil sie ihn besuchen wollten. Als die wieder raus gingen, sagte ich zu mir: Uih, das sind die, die du aus dem Fernsehen kennst und wegen denen du nachts aufstehst. Das sind absolute Superstars im Weltsport und mehrfache Einkommensmillionäre, auf einmal kommt man denen nahe.

Hatten Sie noch mehr solcher Erlebnisse?

Limbach Ich habe Schwimm-Superstar Michael Phelps zunächst nicht erkannt. Der stand an der Essensausgabe vor mir in der Schlange. Er mochte das Essen aber nicht und ging raus. Hey, das ist Michael Phelps, merkte ich. Den hatte ich mir viel imposanter vorgestellt. Ich durfte feststellen, dass ich breitere Schultern habe als er.

Können Sie sich vorstellen, dass mal jemand sagt: Hey, ich habe an der Essensausgabe hinter Nico Limbach gestanden?

Limbach Nein, da muss man schon Britta Heidemann heißen und bei "Wetten, dass..?" gewesen sein. Ich habe diesen Sport nicht angefangen, um reich und berühmt zu werden. Mir macht er einfach Spaß.

Sind Sie mehr Einzel- oder Mannschaftssportler?

Limbach Wir sind alle mehr Team- als Einzelsportler. Eine starke Trainingsgruppe ermöglicht erst, dass wir uns in Wettkämpfen auf höchstem Niveau beweisen können. Ich benötige also den anderen, um selbst erfolgreich zu sein. Das ist eine etwas egoistische Sicht. Grundsätzlich machen Mannschaftssiege aber mehr Spaß als Einzelsiege. Wenn man den Erfolg teilen kann, wird er erst richtig schön.

Was unterscheidet Säbelfechter von Fechtern anderer Waffengattungen?

Limbach Bei uns darf man schlagen, was man in den anderen Gattungen nicht darf. Die Treffer fallen leichter, der gültige Kontakt wird leichter hergestellt. Deshalb ist es wichtiger, sich gut zu bewegen. Man muss extrem athletisch sein. Außerdem verkaufen wir uns deutlicher auf der Bahn, wir müssen die Kampfrichter in engen Situationen überzeugen. Da muss man schon mal schauspielern. Säbelfechter müssen extrovertiert sein.

Trainieren Sie dieses Verhalten?

Limbach Im Training kommt es vor, dass beide sprichwörtlich mit offenem Visier kämpfen. Wer im Training nie das Maximum abruft, kann es auch im Wettkampf nicht liefern. Dann wird es bei uns auch schon einmal laut. Über die Jahre lernt man, das zu steuern. Man findet heraus, wann man in einem Gefecht vielleicht zu emotional und wann man zu zurückhaltend war.

Beschäftigen Sie sich aus diesem Blickwinkel heraus mit den Gegnern?

Limbach Ja. Unsere Gefechte gehen schnell vorbei. Die reine Kampfzeit auf 15 Treffer beträgt rund anderthalb Minuten. Wenn der andere also einen Lauf hat, versuche ich, den schnell zu unterbrechen.

Wie machen Sie das?

Limbach Zum Beispiel durch Gezeter mit dem Kampfrichter. Ich tobe dann, innen bin ich aber ganz kühl und überlege, mit welchen Mitteln ich den Kampf für mich entscheiden kann. Schuh aufmachen, um Zeit zu gewinnen, an den Klamotten zubbeln - das sind die kleinen Tricks. Die Fußballer bleiben auch mal liegen und tun so, als seien sie schwer verletzt, um den Gegner aus dem Rhythmus zu bringen.

Psychologische Kriegsführung also.

Limbach Das ist so, wie es der frühere Tennisprofi Brad Gilbert mal in einem Buch geschrieben hat: Winning ugly, hässlich gewinnen. Es gibt Typen, die sind nicht die besten Fechter, gewinnen aber auf diese Weise unheimlich viel. Die Italiener sind Weltmeister darin. Das muss man neidlos anerkennen. Man muss ein Schlitzohr sein.

Diesen Eindruck machen Sie nicht.

Limbach Privat bin ich ziemlich umgänglich, glaube ich. Aber auf der Bahn bringt es mir nichts, der Freundlichste zu sein. Wenn ich den anderen haue und sehe, dass es ihm wehtut, haue ich mit dem nächsten Schlag wieder feste auf die selbe Stelle, um den Gegner zu nerven. Später gibt man sich die Hand. Es bleibt alles im Rahmen.

Martin Beils und Volker Koch führten das Gespräch.

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