Kultur in Remscheid Ein Live-Hörspiel der intensiven Art

Lennep · Der Schauspieler Jens Wawrczeck begeisterte in der Lenneper Klosterkirche mit seiner eindrucksvollen Lesung der Geschichte „Die Vögel“, die Vorbild für den Alfred Hitchcock-Klassiker war.

 Bauten in der Klosterkirche Spannung auf: Jens Wawrczeck (r.) und Jan-Peter Pflug.

Bauten in der Klosterkirche Spannung auf: Jens Wawrczeck (r.) und Jan-Peter Pflug.

Foto: Jürgen Moll

Zwei Männer standen am Donnerstagabend auf der Bühne des gut gefüllten Minoritensaals der Klosterkirche, beide ganz in schwarz gekleidet. Der eine sollte im Verlauf des Abends sprechen, sehr viel und sehr eindrucksvoll. Der andere würde mit Hilfe eines seltsamen Instruments, des Theremins, mehr oder weniger soundtrackartige Geräusche produzieren. Gemeinsam ergab das ein Live-Hörspiel der ganz besonders intensiven Art.

Das Gesicht des Sprechers konnten vermutlich die wenigsten Besucher zuordnen. Seine Stimme indes war vermutlich vielen bekannt. Hauptsächlich als diejenige eines der drei Fragezeichen aus der gleichnamigen beliebten Hörspielserie, die auch viele zwischenzeitlich Erwachsengewordene noch immer gerne hörten. Doch Jens Wawrczeck, so der Name des Synchronsprechers, Schauspielers und Sängers, der das Fragezeichen Peter Shaw gab, konnte so viel mehr als nur den Sidekick von Justus Jonas zu geben. Das wurde in der Klosterkirche sehr schnell deutlich.

Das Programm, mit dem Wawrczeck auf Tour war, hieß „Hitch & ich – Ein Fall für Jens Wawrczeck“, und damit war tatsächlich schon sehr viel gesagt. Denn natürlich war Alfred Hitchcock, der „Master of Suspense“ und Regisseur solch unvergessener Film-Juwelen wie „Der unsichtbare Dritte“, „Psycho“ oder „Cocktail für eine Leiche“, auch derjenige, der jede Folge von „Die drei ???“ als Erzähler und Auftraggeber des Trios präsentierte.

Thema des Abends waren aber weder die genannten Filme noch die jugendlichen Nachwuchsdetektive aus Rocky Beach, der Kleinstadt in Kalifornien, in der „Die drei ???“ lebten. Wawrczeck hatte sich nämlich für „Die Vögel“ entschieden. Der Gruselfilm, der von Hitchcock im Jahr 1963 gedreht wurde, basiert auf der gleichnamigen Kurzgeschichte der britischen Schriftstellerin Daphne du Maurier aus dem Jahr 1952. In der Geschichte attackieren Vögel grundlos die Menschen in einer Kleinstadt in Cornwall. Der Kriegsveteran Nat bemerkt das seltsame Verhalten der Tiere, doch bald schon ist es zu spät, denn die Vögel attackieren die Menschen nicht nur, sondern sie töten auch einige der Unglücklicheren. Eine wahrhaft gruselige Variante dieses heutzutage durchaus aktuellen Themas „Die Natur schlägt zurück“, fraglos.

Dennoch war die Kurzgeschichte mit weniger deutlichen Schockmomenten versehen, war mehr verstörender Grusel als Horror. Anders als der Hitchcock-Film, in dem sich diverse ikonische Szenen tief ins Gedächtnis eingebrannt hatten, etwa als Tippi Hedren in der finalen Szene von den aggressiven Tauben und anderen Vögeln im Dachstuhl angegriffen wird. Doch an dieser Stelle kamen im Minoritensaal Wawrczeck und sein Begleiter Jan-Peter Pflug ins Spiel. Denn das Duo sorgte auf seine ganz eigene Art und Weise für nachhaltigen und sehr intensiven Grusel.

Wawrczeck mit seiner ausdrucksstarken Performance, die alle Personen individuell zum Leben erweckte. Man merkte ihm die Erfahrung als Sprecher zu jeder Sekunde an und fühlte sich von der ersten Sekunde an gefesselt. Pflug hingegen bearbeitete sein Theremin auf ganz unterschiedliche Weise, so dass das Kratzen der Vogelkrallen, das Scharren der Schnäbel und nicht zuletzt der Grusel hörbar wurden.

Nach rund 70 Minuten war dieser Trip in eine verstörende Vogelwelt leider schon zu Ende. Dennoch fühlte man sich erledigt, hatte den Eindruck, gerade Hochleistungssport für die Phantasie begangen zu haben. Der Applaus wirkte dann sowohl begeistert, als auch ein wenig erleichtert, da die aufgebaute Spannung abfallen konnte. Da kam die Zugabe ganz recht. „Sie soll uns wieder mit der Vogelwelt versöhnen, die wir gerade dekonstruiert haben“, sagte Wawrczeck augenzwinkernd. Und zusammen mit Pflug am Akkordeon sang er, als sei es das selbstverständlichste auf der Welt, den Mary Poppins-Klassiker „Feed The Birds“ – und machte dabei auch als Julie Andrews eine ganz hervorragende Figur.

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