Haus an der Körnerstraße in Neuss Früher TV-Kulisse, heute WG für Behinderte

Neuss · Im alten Wollny-Haus an der Körnerstraße leben jetzt sieben junge Frauen mit geistiger Behinderung.

 Bewohnerin Mara Mäule (Mitte) in ihrem Zimmer mit Sandra Mendez und Wilfried Gaul-Canjé.

Bewohnerin Mara Mäule (Mitte) in ihrem Zimmer mit Sandra Mendez und Wilfried Gaul-Canjé.

Foto: Andreas Woitschützke

Die St.-Augustinus-Gruppe fordert, dass für Menschen mit Behinderung mehr geeigneter und bezahlbarer Wohnraum geschaffen wird – und geht mit gutem Beispiel voran. Ein Pressegespräch fand jetzt in einem Gebäude an der Körnerstraße statt, dem früheren Haus der Wollnys. Es ist aufwändig saniert worden, gehört dem Bauverein und die St.-Augustinus-Gruppe ist Generalmieterin. Sie hat den Wohnraum an sieben junge Damen mit geistiger Behinderung vermietet.

Die Frauen fühlen sich dort wohl, sie sind recht selbstständig, aber ihnen wird auch geholfen. Sandra Mendez ist die Pflegedienstleitung und Einrichtungsleitung für ambulant betreute Wohngemeinschaften wie diese. Mara Mäule, eine der Bewohnerinnen, hatte sich jetzt extra einen Tag Urlaub genommen, um ihr Domizil zu präsentieren. Die 24-Jährige wuchs in Gnadental auf und arbeitet bei den Gemeinnützigen Werkstätten als Kraft für Verpackungen. In ihrer Freizeit ist Abwechslung angesagt: Sie tanzt Samba, macht Yoga und am Malkursus nimmt sie aus Zeitgründen nicht mehr teil. Ihr Zimmer in der WG ist freundlich und modern eingerichtet, auf der Anrichte liegt ein Autogramm von Trainer Marco Rose und über dem Sofa hängt eine Fahne von Borussia Mönchengladbach.

Wilfried Gaul-Canjé, Geschäftsführer der St.-Augustinus-Behindertenhilfe, kann sich noch erinnern an die Schlafsäle, in denen Menschen mit chronischen psychischen Erkrankungen vor sich hinvegetierten. Diese Zeiten sind zum Glück vorbei. „Dass es für diese Zielgruppe an geeignetem Wohnraum mangelt, ist ein bundesweites Problem“, sagt Gaul-Canjé. Er wirft der Politik auf allen Ebenen Versäumnisse vor. Viele Wohnungen seien aus der öffentlichen Förderung herausgefallen und es seien nicht genügend neue Wohnungen errichtet worden. „Wir sind deshalb ein Immobilienunternehmen wider Willen geworden“, erklärt er. An 52 Orten, längst nicht nur im Rhein-Kreis Neuss, hat die St.-Augustinus-Behindertenhilfe mittlerweile 633 Mieter. Dreiviertel der Wohnungen hat sie in ihrem Besitz. In Neuss hat die St.-Augustinus-Gruppe in allen Ortsteilen Wohnraum, über den sie verfügen kann, nur in Norf noch nicht. Es gibt nicht nur zu wenige Wohnungen, die Obergrenzen der Sozialbehörden sind eng. Dabei sind Menschen mit Behinderungen auf eine zentrale Wohnlage stärker angewiesen als Autofahrer. Wilfried Gaul-Canjé sieht aber nicht nur schwarz: „Im neuen Augustinusviertel wird es barrierefreien Wohnraum geben.“

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