Neuss Neuss fördert die biologische Vielfalt

Neuss · Die Stadt will Vorbild für andere Kommunen sein und prüft, wie auf Kirmesplätzen bunte Blumenwiesen entstehen können.

Als Möbel Höffner kam, mussten sie umziehen: ein Mittelspecht-Pärchen, das in dem kleinen Wald nistete, der für den Neubau des Möbelhauses gerodet wurde. Auf der Ölgangsinsel habe man ein passendes Ersatzhabitat für diese seltene Vogelart gefunden, sagt Planungsdezernent Christoph Hölters. 200 Bäume kaufte die Stadt dafür vom Landesbetrieb Wald und Holz NRW. "Ein sehr großzügiger Ausgleich", findet Umweltamts-Chefin Dagmar Vogt-Sädler.

Bei sämtlichen Bauvorhaben sind die Städte gesetzlich verpflichtet, eine sogenannte Artenschutzprüfung vorzunehmen und - wenn nötig - für Ausgleich zu sorgen. In Neuss bemüht man sich noch weit darüber hinaus um die biologische Vielfalt im Stadtgebiet - freiwillig und seit vielen Jahren. "Wir wollen die Biodiversität fördern, indem wir Lebensräume mit gezielten Maßnahmen stabilisieren und ausbauen", fasst Vogt-Sädler die umweltpolitische Zielsetzung zusammen. Die "Artenvielfalt von Tieren, Pflanzen und Mikroorganismen" sei insbesondere durch "intensivierte landwirtschaftliche Nutzung und Flächeninanspruchnahme" zurückgegangen.

Häufig verunreinigen Pestizide die Nahrungsgrundlage vieler Tiere. Wildkräuterwiesen können dem entgegenwirken, sagt Vogt-Sädler. Ein anderes Problem: Die Sanierung von Gebäuden beraubt oft Fledermäuse oder Turmfalken ihrer natürlichen Rückzugsräume. Die Stadt versucht, durch Nistkästen für Ersatz zu sorgen.

Über solchen Einzelmaßnahmen steht seit 2010 der Biotopverbundplan. Er weist Flächen aus, die "für den Artenschutz von besonderer Bedeutung sind und von der weiteren Siedlungsentwicklung ausgeklammert sein sollten", erklärt Vogt-Sädler. Im neuen Flächennutzungsplan, der momentan im Stadtrat diskutiert wird, sei der Biotopverbundplan "zu 100 Prozent berücksichtigt worden".

Neuss will Vorbild für andere Städte sein und engagiert sich daher seit 2011 im Bündnis "Kommunen für biologische Vielfalt". Mit der Deutschen Umwelthilfe wollen zehn dieser Städte Kriterien für ein "ökologisches Grünflächenmanagement" erarbeiten, damit sich Kommunen für ihr ökologisches Engagement zertifizieren lassen können. Neuss hat bei dem Projekt ein Themenfeld übernommen, das zum Image der Schützenstadt passt: Unter dem Motto "Blühende Kirmesplätze" wird untersucht, wie auf den wenig genutzten Freiflächen bunte Blumenwiesen entstehen können.

Zuletzt hatte Pfingststurm "Ela" das biologische System der Stadt beschädigt. Die Sturmschäden böten aber auch Chancen, findet Umweltamts-Leiterin Vogt-Sädler: "Wenn man totes Holz einfach liegen lässt, kann sich das positiv auf die Artenvielfalt auswirken." Neupflanzungen müssten den "langfristigen Auswirkungen des Klimawandels gewachsen sein". Daher prüfen Wissenschaftler der Ruhr-Universität Bochum, welche Baumarten für Neuss am geeignetsten sind gegen Schädlingsbefall und zukünftige Stürme. Derzeitiger Favorit: Linden. Trotzdem sei es gefährlich, nur auf eine Pflanzenart zu setzen, meint Dagmar Vogt-Sädler: "Der Gesamtbestand muss möglichst breit gefächert sein, um robust zu sein."

(NGZ)
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