Hilfe für krebskranken Mann aus Moers Noch einmal nach Amerika

Moers · Der Ambulante Hospizdienst Bethanien begleitet schwer kranke und sterbende Menschen. Der Moerser Ralf Bussmann ist einer von ihnen. Der 58-Jährige lebt seit einem Jahr mit der Diagnose Lungenkrebs.

Elke und Ralf Bussmann vor dem Moerser Schloss in der Innenstadt.

Elke und Ralf Bussmann vor dem Moerser Schloss in der Innenstadt.

Foto: KBM

Das Ehepaar Elke und Ralf Bussmann ist gerne auf Achse: Sie sind öfters in der Moerser City unterwegs, gehen bei gutem Wetter im Stadtpark spazieren und besuchen das Grafschafter Wirtshaus auf dem Kastell. Ihren jährlichen Sommerurlaub verbringt das Paar am liebsten auf Mallorca. Sie reisten aber auch schon weiter weg, etwa nach Las Vegas und New York. Vor etwas mehr als einem Jahr musste sich das Ehepaar auf eine andere Art Reise begeben – auf einen schweren, kräftezehrenden Weg, von dem sie heute nicht wissen, wie lang dieser noch sein wird. Denn Ende August 2021 erhielt der 58-jährige Ralf Bussmann die Diagnose Lungenkrebs.

Seitdem ist viel passiert: Krankenhausaufenthalte, Chemo- und Strahlentherapie, ein Zusammenbruch, Herzstillstand, dann Intensivstation und zu allem Überfluss eine Covid-Infektion. Dass Ralf Bussmann diesen Sommer an einem Mittwochabend mit seiner Ehefrau in der Stadt einen Kaffee trinkt, grenzt an ein kleines Wunder.

Bereits kurz nach der Diagnose war klar, dass der zehn bis zwölf Zentimeter große Lungentumor inoperabel ist. Die Chemo- und Strahlentherapie begann, in deren Verlauf verlor er schnell 20 Kilo Körpergewicht. „Ich war nur noch Haut und Knochen“, berichtet der Moerser. Die Therapie setzte ihm körperlich zu: Zu Hause erlitt er einen Zusammenbruch, ein Notarztwagen brachte ihn ins Krankenhaus Bethanien, am nächsten Morgen folgte der Herzstillstand. Aber das Ärzte- und Pflegeteam konnte Bussmann reanimieren. Eine Woche später begannen die Therapien. Der Tumor konnte um die Hälfte verkleinert werden. Trotzdem sind die Erfolgsaussichten auf eine vollständige Heilung nicht sehr groß. Zu tief sitzt der Tumor in Bussmanns Lunge, um ihn ohne größeres Risiko vollständig zu entfernen.

Noch im Krankenhaus musste sich das Ehepaar mit diversen Anträgen beschäftigen, einer Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung. Auch Themen wie die eigene Beerdigung standen plötzlich zwischen Ralf Bussmann und seiner Familie – eine ständige Auseinandersetzung mit dem eigenen Sterben, die ihn zunehmend belastete. Regelmäßig besuchten ihn ein Psychoonkologe und die Krankenhausseelsorge, um mit ihm über seine Ängste zu sprechen. „Das war eine sauschwere Zeit“, erinnert er sich. Als er aus dem Krankenhaus nach Hause kam, sei für ihn eine Welt zusammengebrochen. „Plötzlich stand dort ein Rollstuhl, ein Rollator und ein Toilettenstuhl.“ Vor allem die Zeit, in der er zu Hause allein war, stellte eine enorme Belastung dar. Er litt unter Panikattacken und konnte nicht mehr im Dunkeln einschlafen, weil die Angst einfach zu groß war. „Ich habe noch nie so oft geweint, wie in der Zeit.“

Was ihm geholfen habe, waren die Gespräche mit den Ehrenamtlichen vom Ambulanten Hospizdienst Bethanien, Sonja Massold und Sabine Jost. Seit Februar kommen sie zu Ralf Bussmann nach Hause, leisten ihm Gesellschaft, führen Gespräche und helfen ihm bei Alltäglichem. Die Begleitung durch den Ambulanten Hospizdienst ist im Falle von Bussmann eine Begleitung während einer schweren Zeit, deren Ende noch gar nicht absehbar ist. Denn wie lange er noch mit seiner Erkrankung leben kann, weiß Ralf Bussmann nicht. Es kann ein Jahr sein, es können aber auch noch zehn oder sogar 15 Jahre werden. Trotz dieser Ungewissheit bleibt er positiv. Seine offene Art, mit der er über seine Gefühle spricht, hilft ihm, mit der Erkrankung umzugehen.

Ehefrau Elke ist weiterhin berufstätig. Gerade deswegen sind die Ehrenamtlichen vom Ambulanten Hospizdienst auch für sie eine große Hilfe. So wisse sie, dass ihr Mann immer in guten Händen sei und auch etwa zu Arztterminen nie allein gehen müsse. Welche der beiden Hospizbegleiterinnen gerade da ist, sei Ralf Bussmann egal. Längst habe er beide fest ins Herz geschlossen. Er genießt die Gespräche mit ihnen und kommt so auf andere Gedanken. Und deshalb ist die Arbeit der ehrenamtlichen Hospizbegleiterinnen so wichtig. „Sie bringen Zeit mit. Das ist der größte Schatz, den jede und jeder einzelne mit in die Begleitung bringt“, sagt die Leiterin des Ambulanten Hospizdienstes Bethanien, Tanja Meissner. Derzeit besteht ihr Team aus zwei hauptamtlichen Kräften und insgesamt 42 geschulten ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen.

Um immer wieder neue Menschen für den Ambulanten Hospizdienst zu gewinnen, brauche es viel Begeisterungsfähigkeit und Hingabe, sagt die gelernte Krankenschwester und Lehrerin für Pflegeberufe. Es brauche aber auch finanzielle Mittel. „Ohne Spenden kommen wir nicht aus“, sagt Meissner und erklärt: „Wir erhalten lediglich eine Förderung durch die Krankenkassen für Sachkosten.“ Auch das Ehepaar Bussmann selbst hat den Ambulanten Hospizdienst bereits mit einer Spende bedacht – für Ralf Bussmann eine Selbstverständlichkeit.

Für den Moerser stehen alle drei Monate ärztliche Kontrollen an. Er wird weitere Meinungen von Ärzten einholen, um zu sich ein Bild davon zu machen, welche Form der Weiterbehandlung für ihn am meisten Sinn macht. Seine große Hoffnung ist, dass er mit dem Tumor noch 15 oder sogar 20 Jahre leben kann. Auf die Begleitung von Sabine Jost und Sonja Massold möchte er nicht mehr verzichten, zu beiden besteht inzwischen eine besondere Verbindung. Was er auf jeden Fall nochmal machen möchte, ist eine Reise nach Nordamerika. New Orleans oder Kanada würde Ralf Bussmann gerne nochmal sehen. „Das wäre noch ein großer Wunsch.“

(RP)
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