Giora Feidman in der Citykirche Klänge der Freundschaft vom Klezmer-König

Mönchengladbach · Der Klarinettist Giora Feidman und seine Band begeistern in der Citykirche mit Klängen aus dem reichen Musikkosmos jüdischer Tradition.

 Giora Feidman spielte in der Citykirche.

Giora Feidman spielte in der Citykirche.

Foto: Rick, Markus (rick)/Markus Rick (rick)

„Es ist wirklich ein kleines Wunder, dass er heute hier ist“, bereitet Pfarrer Christoph Simonsen die Gäste in der vollbesetzten Citykirche auf den Auftritt einer lebenden Legende vor: Gestützt von Mitgliedern seines Quartetts „Klezmer Virtuos“ betritt Giora Feidman den Hochchor des Gotteshauses und nimmt auf einem Stuhl Platz. Tanzen wie früher kann der 85-jährige Musiker nicht mehr, aber seine Klarinette singt, weint, schreit, lacht und tanzt ausgelassen wie ehedem. Humorvoll schiebt der aus Buenos Aires stammende jüdische „Klezmer-König“ sein Handicap auf sein Instrument: „Die Klarinette hat Bandscheibe.“ Befreites Lachen im Publikum.

Und so spricht Feidman vor allem durch seine Klarinette, in all deren Registern er virtuos zu Hause ist. Er schöpft aus dem riesigen Fundus jiddischer Kultur, aber er hat die aus dem chassidischen Judentum Osteuropas gespeiste Klezmer-Tradition längst in einen persönlichen Kosmos von Weltmusik erweitert. Die Anwesenden spüren, dass hier ein Künstler am Werk ist, der seine Begabung im Spirituellen verortet: „Ich spiele nicht Klarinette. Ich bin ein Sänger. Ich singe durch mein Instrument“, hat Feidman einmal gesagt. Und zuletzt erklärte er in einem RP-Interview: „Mit meiner Musik spreche ich die Sprache meiner Seele.“

Diese innere, allgemein verbindende Weltsprache der Seele, sie macht es letztlich entbehrlich, dass Feidman zwischendrin Erläuterungen zum Programm in einem urigen Mix aus Englisch und Deutsch gibt. Wer weiter hinten sitzt, kann davon eh nur einen Bruchteil verstehen. Stolz verrät er, dass die junge Harfenistin Hila Ofek aus seiner Klezmerband seine Enkeltochter ist. Ofek beweist Virtuosenqualitäten an ihrem Saiteninstrument. Gleiches gilt für den russischen Akkordeonspieler Konstantin Ischenko, dessen Landsmann Andre Tsirlin am Altsaxofon, der mit Ofek das gefragte Jerusalem Duo bildet, sowie Kontrabassistin Nina Hacker. Sie leuchten den Farbreichtum der Klezmer-Musik aus, die hier mit Tango, Swing, Blues oder Polka verschwistert ist.

Denn als schlichte Volksweisen lässt Giora Feidman jiddische Titel wie „Shalom Chaverim“, „Hava Nagila“ oder „Donna Donna“ nicht stehen, er erfindet diese Stücke quasi neu, indem er in breit angelegten Improvisationen ihren melodisch-rhythmischen Verästelungen nachsinnt – wie es jüdische Mystiker im Bild vom „Baum des Lebens“ vorgedacht haben. Da klingt die Melodie des Songs „Hallelujah“ von Leonard Cohen auf, um ruckartig in einen ekstatischen Tanz überführt zu werden, der zu einer jüdischen Hochzeit passen würde.

Grandios vollendet Feidman dieses Programmprinzip des grenzenlosen Medleys in Piazzollas „Libertango“ oder in „Summertime“ aus Gershwins Oper „Porgy and Bess“. Dass sich mit dem durch Judy Garland populär gemachten Song „Over the Rainbow“ (aus dem Film „Der Zauberer von Oz“), hier interpretiert von Saxofon und Harfe, eine jüdische Story verbindet, ist nicht allen bewusst. In dem Lied wird die Hoffnung der Juden auf ein eigenes Land besungen, nicht zufällig waren Textdichter und Komponist jüdischen Glaubens.

„What a Wonderful World“ von Louis Armstrong und „Yesterday“ von den Beatles passen in das Ideal von Weltmusik, das Giora Feidman antreibt. In der Citykirche betont er seine Vision einer „Freundschaft zwischen Deutschen und Juden“. An diesem Abend durften die Besucher davon ein Stück verstehend auf- und mitnehmen.

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